Als Maria, Marcella und Ricarda nach einer guten Woche wieder abgereist waren, kehrte der normale Alltag wieder ein.
Amber hatte in ihrer Schule schon viele Freunde gefunden, sie fand überall extrem schnell Anschluss.
Die Jungen gingen auch hier in eine Klasse, bisher gab es keinen Grund, das zu verhindern, also ließen wir sie.
Obwohl sie nach wie vor stets zusammen lernten und ihre Freizeit verbrachten, äußersten sie sich niemals über ihre Gefühle, wie wir insgeheim gehofft hatten.
Francesco und ich hatten uns mit Sophia und Gio zur Beratung getroffen.
Die Jungen sollten ihre Studpartneros bestimmen, damit sie bei Bedarf langsam darauf zurückgreifen konnten.
Dazu hatten wir Erkundigungen eingezogen und nun aus dem näheren Umfeld entsprechende Mädchen gefunden, mit denen wir sie zusammenbrachten. Üblicherweise entschieden sich die Jugendlichen nach einer gewissen Zeit, mit wem sie diese Zeit und die Altersfestsetzung verbringen wollten. Wir vereinbarten Treffen, damit sie sich beschnuppern konnten, es lief sehr harmonisch ab. Wir standen nun in in direktem Kontakt mit allen Eltern und warteten ab, wie sich die Sympathien entwickeln würden.
Giaci hatte kein Problem damit, er nannte nach einer gewissen Zeit drei Mädchen, mit denen er sich das vorstellen konnte. Nun mussten wir abwarten, wie die anderen Seiten sich entscheiden würden.
Alessio verhielt sich zurückhaltend. Er wollte noch nichts davon wissen und lehnte es vorläufig ab, sich zu entscheiden. Gezwungen wurde natürlich niemand zu etwas. Jedoch wusste jeder, dass sie für die Altersfestsetzung jemand brauchen würden. Auch Alessio.
Ich wollte es nicht zugeben, aber es sorgte mich zunehmend, dass er sich so verschloss und auch partout keine Begründung abgeben wollte.
Wir bemerkten, dass Giaci oft mit ihm diskutierte, aber sie kamen offensichtlich zu keinem zufriedenstellenden Ergebnis.
Was sollten wir tun?
Dann war es Francesco, der mir auf die Sprünge half. Er schnappte etwas auf, was er mir dann sinngemäß wiedergab.
»Sie haben sich offensichtlich über die Mädchen unterhalten. Giaci hat versucht, Alessio davon zu überzeugen, dass er sich einfach eine aussuchen sollte, aber Alessio wollte nicht. Er sagte so etwas wie »Ich will meine Liebe nicht verraten« - was mir unsinnig erscheint, aber er scheint wild entschlossen. Wir können ihn nicht zwingen, aber so wird er niemals mit Giaci zusammenkommen können. Er wird immer älter werden und erreicht damit nichts. Ehrlich gesagt, weiß ich gerade nicht wirklich, was wir machen wollen. Die Mädchen werden nicht ewig warten, dann geht er leer aus.«
Ich sah das genauso.
»Das befürchte ich auch. Nur kann ich auch nicht mehr machen, als zu versuchen, immer mal wieder mit ihm darüber zu sprechen. Vielleicht sind ihm die Konsequenzen gar nicht so bewusst? Ich hoffe sehr, dass ich ihn bald überzeugen kann, damit er umdenkt. Wünsch mir Glück!«
Das tat er natürlich, aber mein erstes Gespräch mit Alessio verlief nicht besser, als die anderen vorher.
»Du weißt doch, dass du für die Altersfestsetzung ein Mädchen brauchst, Alessio. Sonst wirst du immer älter.«
Er wich meinem Blick aus und nickte.
»Ich weiß.«
»Liegt es an den Mädchen? Findest du keines, welches dich anspricht?«
Er senkte den Kopf.
»Nein, daran liegt es nicht. Die Mädchen sind nett. Ich ... ich kann es nicht erklären. Es passt nicht für mich. Bitte, Lina, ich will mich jetzt nicht entscheiden. Ich muss eine andere Lösung finden. Ich weiß noch nicht wie, aber ich muss.«
Ich gab noch nicht auf und sprach das aus, was meiner Meinung nach der Hinderungsgrund war.
»Du weißt, dass es unerheblich ist, wen man in Wirklichkeit liebt, oder zu lieben glaubt. Das muss unbedingt getrennt gesehen werden, es hat bei den Savantoj nichts miteinander zu tun und jedes Pärchen, was sich findet, wird akzeptiert. Trotzdem ist die Altersfestsetzung notwendig.«
Jetzt richtete er sich entschlossen auf.
»Ja, das ist mir bekannt. Trotzdem kann ich das nicht tun. Ich habe bis zu Giacis Fest Zeit, eine Lösung zu finden. Das werde ich tun. Nur ich weiß jetzt noch nicht wie, darum will ich auch nicht darüber reden. Kannst du das bitte akzeptieren?
Ein Dickkopf, wie er im Buche stand. Aber ich konnte nichts machen. Darum zuckte ich seufzend mit den Schultern und ließ ihn ziehen.
Sophia und Gio versuchten es ebenfalls wiederholt, mit demselben Erfolg.
Also ließen wir ihn in Ruhe. Vielleicht hatte er tatsächlich irgendeinen Paln im Kopf, den wir nur noch nicht erkannten. Komisch war es trotzdem, mir war noch kein solcher Fall jemals bekannt geworden.
Als wenn wir mit Alessio nicht schon genug zu tun hatten mit sorgenvollen Gedanken, begann auch Giaci plötzlich, sich gedanken über die Savantoj zu machen. Die Pläne erschienen ihm fragwürdig und er fragte ständig und überall nach, ob das jemals jemand überprüft hätte. Sophia und Gio reagierten in der Zwischenzeit etwas irritiert darauf. Manchmal brachen sie tatsächlich solche Gespräche mit ihm ab und schickten ihn nach Hause zu mir und Francesco. Aber auch wir konnten ihm nicht wirklich helfen, weil wir uns ja ebenfalls nur auf die Überlieferungen beriefen, diese nie angezweifelt hatten. In erster Linie betraf es unseren Umgang mit den normalen Menschen. Er war der Meinung, dass man diese nicht ändern könnte.
»Menschen muss man vor vollendete Tatsachen stellen. Dann passen sie sich automatisch an die neuen Gegebenheiten an. Dazu braucht es keine Kämpfe. Wir müssten einen Weg finden, die Fehler rückgängig zu machen.«
Er war fest davon überzeugt.
»Wie stellst du dir das denn vor?«, fragte ihn Francesco nach.
»Das weiß ich nicht. Noch nicht. Aber ich werde einen Weg finden und dann werdet ihr schon sehen, dass es funtioniert.«
Ich konnte nicht sagen, wer von den beiden Jungs mir mehr Sorgen machten.
Es gefiel mir auch überhaupt nicht, dass wir nun auch mit Sophia und Gio ein wachsendes Problem hatten, denn sie wollten von Giacis Ideen nichts wissen. Natürlich sahen sie ihm immer noch vieles nach, denn er war ja noch ein halbes Kind, aber es gefiel ihnen nicht, wie es sich entwickelte. Ich konnte das verstehen.
Aber ich wollte Giaci den Raum lassen, für sich allein hinter seine Gedanken zu steigen, zu entdecken, was ging und was nicht. Nur das konnte ihn letztendlich überzeugen. Francesco sah es ähnlich.
Also behielten wir Giaci mehr bei uns, Alessio hielt sich nun auch öfter bei Sophia und Gio auf, die ja auch offiziell seine Eltern waren.
Wenn sie raus wollten, waren sie dennoch immer zusammen unterwegs, daran änderte sich vorläufig nichts.
Mir gefiel es nicht, dass wir anfingen auseinander zu driften.
Aber für eine Zeit lang war es wohl die beste Lösung.