Am Morgen des Festes stand ich am Fenster und schaute in Richtung des Strandes.
Ich sehnte mich zurück in die Toskana, zurück in die Zeit, als ich noch wusste, wo mein Leben hinführen sollte und wer mich dabei auf jeden Fall begleiten sollte.
In der Zwischenzeit wusste ich nichts mehr.
Nicht, was nach dem heutigen Tag passieren würde, wie es weitergehen sollte und wen ich nach diesem Fest noch in meinem Leben haben würde. Es gab nichts, außer dieser schwarzen Leere, die mich zu verschlingen drohte. Ich seufzte und drehte mich um.
Alles war vorbereitet, wartete nur noch auf den jungen Mann, der hier heute sein zukünftiges Alter festlegen sollte, um in sein Leben zu starten.
Als ich ihn damals mit seiner Mutter mit mir nahm, hätte ich mir nie träumen lassen, dass so etwas wie heute eintreffen könnte.
Doch nun war es so.
Gleich würde er hier ankommen. Es gab kein Zurück mehr.
Ich war längst nicht mehr wütend, auch nicht traurig.
Savantoj sahen Sex als etwas Schönes an, wie eine Blume, die man hegte und pflegte, um sich am Ende an ihrer Blütenpracht zu erfreuen. Es gab keine Eifersucht, nichts, wessen man sich schämen sollte. Es gehörte einfach zum Leben dazu.
Ich zog meinen Morgenmantel etwas enger um mich, dabei war mir nicht kalt. Es war eine automatische Handbewegung, nichts was einen besonderen Sinn ergab.
Alessio hatte sich zu einem wirklich schönen jungen Mann entwickelt. Wenn ich nicht wüsste, dass er sein Herz an Giaci verloren hatte, wäre ich mir sicher gewesen, dass er jede Menge Verehrerinnen haben würde. Vielleicht hatte er die sogar und das war an mir vorbeigegangen?
Wir hatten vereinbart, dass uns niemand begleiten sollte. Diese Zusammenstellung - mein Patensohn und ich zur Altersfestsetzung - war ungewöhnlich genug, dass ich darauf verzichten konnte, ein wirkliches Fest darin zu sehen.
Alessio hatte sich mit seiner Forderung an seine Eltern jeglichen Einspruch diesbezüglich verscherzt. Das entschied in diesem Falle ich allein und damit musste er jetzt leben. Dafür hatte er ja sonst seinen Willen durchgesetzt. Mit Unterstützung von Giaci, was mir bis heute etwas weh tat. Aber ich schob den Gedanken zur Seite, als ich hörte, wie er die Wohnung betrat und vorsichtig ins Schlafzimmer schaute.
»Guten Morgen«, wisperte er.
Dabei blieb er im Türrahmen stehen und wartete meine Reaktion ab.
Gut sah er aus.
Glänzende Augen, leicht gerötete Wangen und Hände, die Halt suchten und doch keinen fanden. Trotzdem schon verdammt erwachsen, aber ja, deswegen waren wir heute hier beisammen. Er erinnerte mich tatsächlich an Sandro, sie mussten jetzt in einem Alter sein. Er wartete auf meine Antwort. Ich zwang mir ein Lächeln auf die Lippen.
»Guten Morgen, Alessio. Komm herein. Nun ist es also so weit, du bist am Ziel deiner Wünsche und ich kann nur hoffen, dass sich deine Träume heute erfüllen. Ich kann deinen Wunsch nach wie vor nicht nachempfinden, aber sei es wie es sei. Irgendeinen Sinn wirst du schon darin sehen. Trotz all der Differenzen, die wir hatten, möchte ich dir sagen, dass ich dich sehr liebe und dir nur das Beste für deine Zukunft wünsche. Ich ...«.
Ich unterbrach mich selbst, aber ich sah, wie er weiter an meinen Lippen hing und mir wurde ganz warm ums Herz.
»Ich bereue es nicht, dass ich mich deiner angenommen habe. Versuchen wir einfach, jetzt das Beste daraus zu machen, ja?«
Ich sah, wie er schluckte.
Langsam kam er auf mich zu, ein unsicheres Lächeln auf den Lippen.
»Du ahnst nicht, wie viel mir deine Worte bedeuten, Angelina. Es tut mir unendlich leid, dass ich dich so enttäuschen musste mit meinem Wunsch. Trotzdem glaube ich, dass du es am Ende nicht bereuen wirst. Du wirst heute nicht nur einen Savanto glücklich machen, das steht fest. Vertraue mir ein wenig, auch wenn es dir unter diesen Umständen schwerfällt. Darf ich dich küssen?«
Er stand vor mir und in seinen Augen erkannte ich unerklärlicherweise eine Zärtlichkeit, die mich verblüffte, aber ein angenehmes Kribbeln in meinem Inneren hervorrief.
»Ich werde dir nichts vorenthalten, Alessio. Wenn ich etwas nicht möchte, wirst du es merken.«
Er schloss mich so sanft in die Arme, dass mir ein Schauer über den Körper lief. Dann legten sich seine Lippen auf meine, ich konnte gar nicht anders als es - einfach schön zu finden.
Also schob ich all meine trüben Gedanken beiseite und überließ meinem Körper, sich diesem Spiel hinzugeben.
Ich konnte plötzlich nicht mehr denken, fühlte nur noch. Diese zärtlichen Berührungen, kaum ein Hauch, der mich vergessen ließ, was eigentlich geschah.
Meine Hände entwickelten ein Eigenleben. Sie begannen, unter sein Shirt zu wandern und entlockten ihm damit leise unterdrückte Töne, die ich zu lange nicht mehr vernommen hatte und die die Hitze in mir weiter entfachte.
Während er mich wieder und wieder küsste, diese Küsse an Intensität zunahmen, entledigten wir uns unserer Kleider und hielten uns endlich in den Armen, drängten uns aneinander und spürten wie wir unter unseren Berührungen erschauerten.
Er dirigierte mich vorsichtig zum Bett und wir sanken auf die Laken, ohne uns voneinander zu trennen. Im Gegenteil, jeder von uns wollte dem anderen immer näher sein, ihn spüren und genießen. Und so drängten wir aufeinander zu und schenkten uns gegenseitig das, was wir jetzt so dringend brauchen konnten. Innige Nähe und Leidenschaft.
Allessio ließ von meinen Lippen ab, mit seiner Zunge liebkoste er meinen Hals und mein Ohr, sodass ich leise aufseufzte, was er zum Anlass nahm, weiter meinen Körper zu erkunden, zu reizen und zu necken. Ich gab mich einfach diesem himmlischen Gefühl hin. Zu lange hatte ich es vermisst.
Mein Denken setzte aus, aber es war mir egal, denn er brachte mich dazu, es einfach zuzulassen und es zu genießen.
Ich dachte nicht darüber nach, wie einfach er jeden sensiblen Punkt von mir traf und mich in Gefühlswallungen versetzte, die ich mir nicht hatte erträumen können. Seine Streicheleinheiten, sein Mund, entlockten mir immer wieder Geräusche, die ihn anstachelten, mich weiter und weiter zu reizen.
Mit einem Blick auf seinen Haarschopf, als er mich liebkoste, schloss ich die Augen und ergab mich seinen Zärtlichkeiten, meine Gedanken setzten aus und ich vergaß, mit wem ich hier das Bett teilte.
Alles in mir schrie nach den Berührungen, die er mir schenkte, seine Sanftheit, die mich in einen Sog der Gefühle versinken ließ, die ich so lange vermisst hatte. All meine Empfindungen vereinnahmten mich, ließen die Erinnerungen an meinen Liebsten in mir hochsteigen, die ich unterdrückt hatte und als ich ein ums andere Mal seinen Namen flüsterte, schien Alessio sich noch mehr zu bemühen, mich alles vergessen zu lassen, was um mich herum geschah. Wir steuerten irgendwann unweigerlich auf den Höhepunkt zu, ab einem bestimmten Punkt gab es kein Halten mehr.
Als ich meine Augen für einen Moment ein wenig öffnete, beobachtete er mich genau bei seinem Tun, wie ich darauf reagierte, wobei seine Augen dunkel und glasig vor Lust wurden und er sich an jedem Laut von mir erfreute, es als willkommene Bestätigung dafür nahm, dass ich mehr wollte. Mehr von ihm, auch wenn ich es eigentlich nicht nachvollziehen konnte, nur das war jetzt nicht der Augenblick, darüber nachzudenken.
Als uns der Höhepunkt kapitulieren ließ, klammerten wir uns aneinander, gaben uns völlig diesem unbeschreiblichen Gefühl hin.
Danach küsste er mich so sanft und innig, dass mir fast die Tränen in die Augen stiegen.
Eng umschlungen spürten wir unseren Empfindungen nach, schwer atmend, mit klopfenden Herzen, aber glücklich.
Alessios Blick ruhte auf mir mit einem undeutbaren Ausdruck, dem ich mich nicht entziehen konnte.
»Hast du hier irgendwo Streichhölzer, Angelina?«
Ich hatte mit allem gerechnet, aber nicht mit dieser Frage.