„Ich fresse einen Besen samt Dreck, wenn die Morde nicht im Zusammenhang stehen“, sagte Andrews zum Constable, nachdem sie das Büro des Chief Inspektors verlassen hatten. Im Vorzimmer hatte ihnen Harrisons Sekretär noch einen mitleidigen Blick zugeworfen, doch den hatten die beiden Polizisten nicht beachtet, zu sehr waren ihre Gedanken bei den laufenden Fällen. Nun standen sie auf dem Flur und unterhielten sich leise. Nachdenklich kratzte sich Andrews am Kopf. „Was, wenn doch? Wer hat sie umgebracht und warum?“
„Da bin ich ihrer Meinung, Chef. Und irgendwie sagt mir mein Bauchgefühl, dass die Morde wirklich einen Zusammenhang haben“, erwiderte Williams. „Ein Zufall kann es nicht sein, dass sie genau an der Fundstelle des ersten Toten ermordet, oder auch nur abgelegt wurden.
Dem stimmte der Inspektor zu.
Wenig später betraten die beiden Polizisten zum zweiten Mal an diesem Tag die heiligen Hallen des Doktor George Smith.
„Ach, sie schon wieder“, wurden sie vom Pathologen begrüßt. „Ich nehme an, die beiden neuen Toten sind diesmal der Grund ihres Hierseins.“ Er zeigte auf die zwei anderen Tische, auf denen die Leichen der Männer lagen. Noch waren sie bekleidet. Ihre Kleidung triefte vor Nässe, die auf den Boden tropfte und den Pathologie-Raum in eine Tropfsteinhöhle verwandelte. „Schauen sie sich doch diese Sauerei an“, schimpfte Smith und zeigte auf die nassen Stellen am Boden.
„Die armen Kerle können auch nichts dafür“, erwiderte Andrews. „Sie wurden wohl der Möglichkeit beraubt, sich zu entkleiden, bevor sie das Zeitliche segneten,“, zog er die Misere ein wenig ins Lächerliche.
Während sich Constable Williams zusammenreißen musste, nicht zu lachen, knurrte Smith den Inspektor böse an. „Ein wenig Respekt vor den Verstorbenen wäre angebracht, Inspektor Andrews“, schimpfte er.
„Tschuldigung“, nuschelte der Inspektor. „War nicht meine Absicht. Ich wollte die Sache nur ein wenig auflockern.“ Er schaute zu Williams, der sich immer noch das Lachen verkneifen musste. „Williams!“, mahnte er diesen, worauf der Constable sofort ein ernstes Gesicht machte.
„Machen wir uns an die Arbeit“, sagte Andrews. „Vielleicht finden wir etwas, was uns hier weiterbringt. Laut Williams Bauchgefühl stehen die Morde an den beiden Männern hier und unserem ersten Toten in Zusammenhang. Warum, entzieht sich meiner Kenntnis. Aber vielleicht kann uns unser Constable dazu mehr sagen.“ Er wandte sich an Williams und forderte ihn auf, seine Gedanken dazu zu äußern.
„Na ja“, begann der, „so richtig weiß ich es eigentlich auch nicht. Ich sehe es aber so, es kann kein Zufall sein, dass die zweiten Toten genau an der Stelle gefunden wurden wie der erste. So viel Zufall kann es gar nicht geben. Außerdem sagte Chief Inspektor Harrison, es gäbe dort Kampfspuren. Wir waren noch nicht am Tatort und konnten uns deshalb noch kein Bild darüber machen. Daher würde ich sagen, wir schauen uns erst die Leichen hier an und gehen dann zum Tatort. Wenn wir hier nichts finden sollten, dann garantiert dort. Kein Mörder bringt es fertig, jemanden gänzlich ohne Spuren umzubringen. Irgendeinen Hinweis hinterlässt er oder sie immer.“
„Gute Ausführungen, die zu überdenken wären“, sagte Smith. „Machen wir uns also an die Arbeit und sehen, was uns die Toten zu sagen haben.“ Er wandte sich dem ersten Tisch zu und begann den Verstorbenen zu entkleiden. Andrews und Williams gingen ihm zur Hand.
„Ertrunken ist der Mann nicht“, meinte Smith, nachdem er den Toten kurz begutachtet hatte. „Es sieht so aus als wäre er erdrosselt worden.“ Er zeigte auf den Hals, der einen dünnen Streifen aufwies, der rundherum ging. Dann öffnete er den Mund des Leichnams und werkelte darin herum. „Hm“, sagte er, „wie es scheint, ist das Zungenbein gebrochen.“ Er untersuchte weiter und tastete den Kehlkopf ab. „Der ist auch gebrochen. Das sind eindeutig Zeichen dafür, dass der Mann erwürgt wurde. Schauen wir uns den restlichen Körper an.“ Sie fanden Blutergüsse an diversen Stellen, wie am Brustkorb und im Bauchbereich. „Es gab wohl Schläge, um ihn kampfunfähig zu machen.“ Auch am Kopf wurden Beulen gefunden, scheinbar hervorgerufen durch Schläge mit einem Gegenstand. Außerdem ist der Tote gefesselt gewesen. „Sieht aus, als hätte er einen Stein an den Kopf bekommen, oder er ist beim Sturz darauf gefallen. „Hier…“, er wies auf eine offene Stelle am Kopf, die wohl einmal blutverschmiert gewesen sein musste. Jetzt war sie durch das Wasser gesäubert, dass die gebrochene Schädeldecke sichtbar wurde. „Es könnte sein, dass er bereits durch den Sturz auf den Stein zu Tode kam, der Mörder sich aber nicht sicher war, ob das Opfer wirklich tot ist. Um auf Nummer sicher zu gehen, hat er es noch erdrosselt.“
„Sind sie sich sicher?“, fragte Andrews, der dem Urteil des Pathologen vertraute, aber trotzdem nochmals genauer nachfragte.
„Ja, sehr sicher“, erwiderte Smith. „Ertrunken ist er definitiv nicht. Auch wenn er mit dem Kopf im Wasser lag. Die Anzeichen für Ertrinken, wie zum Beispiel blaue Lippen, fehlen gänzlich. Also musste er bereits tot gewesen sein, als er im Wasser abgelegt wurde.“
„Gut“, entgegnete der Inspektor. „Was sagen sie zum anderen Toten?“
Auch dieser Mann wurde einer genauen Untersuchung unterzogen, doch dessen Todesursache stand schnell fest. „Der wurde erstochen“, sagte Smith. „Da brauche ich gar nicht weitersuchen.“ Er hatte den Toten auf den Rücken gedreht und dort in der Nierengegend eine Einstichstelle gefunden. „Der hier starb recht schnell. Sehen sie das? Ein Stich in die Nieren tötet sehr schnell, wenn dabei ein großes Blutgefäß getroffen wird. Der Mensch stirbt dann eher an einer inneren Blutung als an dem Stich selbst.“ Smith schaute sich die Handgelenke an. „Der muss auch gefesselt gewesen sein, hier…“, er zeigte auf Male an den Handgelenken. „Aber er muss sich befreit haben. Die Male zeigen mir, dass das Seil in die Haut eingeschnitten hat. Das geschieht nur, wenn kräftig daran gezogen wird, so wie, wenn man sich daraus befreien will.“
Smith drehte den Toten wieder um und deckte ihn mit einem großen Tuch zu. „Ich muss natürlich erst noch genauere Untersuchungen machen, ehe ich zu einem endgültigen Ergebnis komme. Morgen um die Mittagszeit müsste ich die Ergebnisse haben, wenn ich mich beeile und eine Nachtschicht einlege.“ Er gähnte hinter vorgehaltener Hand.
„Das klingt gut“, erwiderte der Inspektor. „Bis dahin haben wir uns am Tatort umgesehen.“ Er schaute den Pathologen an. „Sie werden müde sein. Machen sie nicht mehr zu lange. Denken sie an die Geburtstagsparty ihrer werten Gattin.“
„Oh, ja, die hätte ich beinahe vergessen“, sagte Doktor Smith. „Wenn ich sie nicht hätte.“
„Sie wollen sich hoffentlich nicht den Zorn ihrer Frau zuziehen, wenn sie mit Abwesenheit glänzen. Machen sie zeitig Feierabend und gehen morgen früh an die Arbeit. Die Toten rennen uns nicht mehr weg“, kam daraufhin von Andrews.
„Ihr Wort in Gottes Ohr. Der Chief grillt mich, wenn ich meine Arbeit vernachlässige.“
„Papperlapapp“, warf Andrews ein. „Was weiß der Chief schon von unserer Arbeit. Der sitzt nur in seinem Büro und gibt Befehle. Die Drecksarbeit machen wir.“
Constable William sog scharf die Luft ein. „Aber Chef, solche Worte aus ihrem Munde.“
„Ach, Williams. Sie sind noch viel zu kurz hier auf dem Revier, um hinter die Kulissen schauen zu können. Wir machen unsere Arbeit, mehr oder weniger gut, lösen die Fälle und noch vieles mehr.“ Andrews schaute seinen Constable an, der mit jedem Wort bleicher wurde. „Kein Wort über unser Gespräch hier“, mahnte Andrews den Constable.
„Aber nein, Chef. Was halten sie von mir“, beteuerte Williams und wurde schon wieder rot. Er war, wie Andrews sagte, erst kurze Zeit auf dem Revier und konnte noch nicht mitsprechen. Seinen Boss so reden zu hören, erstaunte ihn sehr.
„Und nun kommen sie, gehen wir zum Tatort und schauen uns dort um“, sagte Andrews zum Constable. „Bis Morgen, Smith und eine schöne Party“, verabschiedete er sich vom Pathologen und verließ mit William die Pathologie.