Als Inspektor Andrews und Constable Williams sich am nächsten Morgen auf den Weg zu Lola Wilkins Bordell machen wollten, wurden sie erneut vom Pförtner aufgehalten.
„Chief Inspektor Harrison hat schon wieder nach ihnen gefragt. Sie sollen ihn unbedingt heute noch in seinem Büro aufsuchen. Am besten gleich. Der Chief dreht schon Kreise”, sagte der Mann zum Inspektor.
„Um was geht es denn diesmal?“, fragte Andrews neugierig.
Der Pförtner zuckte mit den Schultern. „Was weiß ich“, erwiderte er. „Der Chief ließ das nur von seinem Sekretär ausrichten. Er muss recht laut geworden sein.“
„Dann sollten wir wohl gleich gehen“, meinte Andrews zu seinem Constable. „Mit Harrison ist nicht gut Kirschen essen, wenn er schlecht gelaunt ist.“ Williams nickte nur darauf.
„Sir, Inspektor Andrews und Constable Williams warten im Vorzimmer“, meldete der Sekretär dem Chief.
„Sollen reinkommen“, schnauzte der unwirsch und zog an seiner Zigarre, dass es nur so dampfte. Große Rauchschwaden schwebten in Richtung Decke und verbreiteten einen fast nicht auszuhaltenden Gestank.
„Es wird auch Zeit, dass sich die Herren bequemen, meinem Befehl Folge zu leisten“, brüllte der Chief den Inspektor und den Constable an.
Williams wurde rot und trat einen Schritt zurück in Richtung Tür. So als wäre er auf dem Sprung. Andrews stand, wie zur Salzsäule erstarrt mitten im Raum und rührte sich nicht.
„Sir“, stotterte er, „unsere Ermittlungen ließen es nicht zu. Jedes Mal, wenn wir uns auf den Weg zu ihnen machen wollten, kam etwas dazwischen.“
Williams, immer noch die Tür im Rücken, zog die Brauen hoch. Seinen Vorgesetzten so lügen zu hören, verwirrte ihn doch etwas.
„Papperlapapp“, schrie Harrison ihn an. „Ich wollte tägliche Berichte über den Fortgang der Ermittlungen!“ Er schaute den Inspektor so grimmig an, dass es diesem die Nackenhaare sträubte. „Kommen sie jetzt ja nicht mit irgendwelchen Entschuldigungen. Die will ich nicht hören!“, schnitt Harrison Andrews das Wort ab. „Sprechen sie endlich und stehen sie nicht herum wie ein hirnloser Depp!“ Der Chief geriet immer mehr in Rage.
Mit knappen Worten berichtete Inspektor Andrews über die Fortschritte der Ermittlungen. „Wir“, er zeigte auf den Constable und sich selbst, „sind uns sicher, dass die Morde alle etwas miteinander zu tun haben. Unsere Theorie ist, dass zuerst Rowan Clark von Stanley Brown umgebracht wurde. Daraufhin bekamen Freddy Taylor und Henry Allister den Auftrag, die Leiche verschwinden zu lassen. Die schienen nicht bedacht zu haben, dass Leichname es an sich haben, im Wasser irgendwann wieder aufzutauchen. Was, wie wir wissen, auch geschah. Brown bekam kalte Füße und wollte nun die Mitwisser ihrerseits verschwinden lassen. Dazu beauftragte er seine rechte Hand Carter Thompson, der Hunter Jones zu Rate zog. Letzterer erledigte die Drecksarbeit, während Thompson als Handlanger agierte.“ Andrews machte eine kurze Pause, ehe er fortfuhr. Er berichtete von den Zeugen, die er ausfindig gemacht hatte und deren Aussagen. Auch die Identifizierung der drei Toten verschwieg er nicht. „Brown und Carter sind inzwischen in Haft. Wir sind aber noch dabei, noch mehr Beweise gegen sie zu sammeln“, setzte Andrews noch hintenan.
„Wer ist dieser Hunter Jones?“, fragte der Chief, der den Ausführungen des Inspektors mit einem zufriedenen Lächeln gefolgt war.
„Diese Frage stellten wir uns ebenfalls“, erwiderte Andrews. „Doch der Zeuge Adam Davies konnte uns über diesen Mann aufklären. Wir hatten nun vor, dieser Spur zu folgen und Jones dingfest zu machen.“ Er berichtete noch, was Davies ihm während seiner Vernehmung erzählt hatte.
Der Chief war zufrieden mit dem Gehörten. „Dann gehen sie der Spur nach, solange sie noch heiß ist“, sagte er zu Andrews und entließ seine beiden Untergebenen.
„Der Chief war ja mächtig geladen“, meinte Andrews zum Constable, während sie die Treppe hinuntergingen.
„Oh ja, so aufgebracht habe ich ihn schon lange nicht erlebt“, erwiderte Williams und grinste. „Ist aber nochmal gut gegangen. Unsere Köpfe sind noch dran, auch wenn es anfangs so aussah, als würden wir die Standpauke nicht überleben.“
„Sie haben recht. Zum Glück konnten wir gute Ermittlungsergebnisse vorlegen, sodass er vorerst zufrieden ist.“
„Ich frage mich nur, wie lange“, meinte Williams. „Wir müssen zusehen, dass wir die Fälle lösen, sonst zieht uns der Chief das Fell über die Ohren.“ Er lachte laut, dass Andrews erschrocken anschaute. Doch dann verstand er den Witz und lachte ebenfalls.
„Williams, es ist eine Freude, mit ihnen arbeiten zu können“, lobte Andrews den Constable.
„Das Kompliment kann ich nur zurückgeben, Chef“, antwortete Williams grinsend.
„Ach, Williams, was ich ihnen noch sagen wollte“, meinte Andrews. „Ich werde für sie ein gutes Wort einlegen, damit sie befördert werden. Verdient haben sie es.“
„Chef… das ist…“, Constable Williams begann zu stottern, doch ehe er weitersprechen konnte, winkte Andrews ab.
„Genug gelabert… an die Arbeit“, drängte der Inspektor und schritt mit einem Lächeln im Gesicht durch die Pforte auf die Straße. „Die Mörder sollen sich schon mal warm anziehen. Wir kommen.“ Er hob die Hand und winkte eine Droschke herbei, die sie in die Watergate Street bringen sollte.