Luan sitzt an einem Schreibtisch in einem der vielen Schreibzimmer der Grauen Feste. Dieses spezielle Zimmer liegt in einem hohen Turm auf der linken Seite, umtost von stürmischem, schneetragendem Wind, den die Fenster glücklicherweise aussperren. Ein leise knisternder Kamin verströmt eine angenehme Wärme und hält den Teekessel warm, der an einem Haken darüber hängt. Luan nippt ab und zu an seiner Tasse, während er Bücher wälzt, Notizen auf große Papierrollen kritzelt und müde den Kopf auf die Hand stützt.
So weit, so normal für den Neustudenten. Ein friedlicher Mittag auf dem Kontinent Belletristica.
Dann rumpelt es im Nebenzimmer. Etwas wird knirschend über den Boden geschliffen. Ein Wolf knurrt vor Anstrengung.
Luan hebt den Kopf. "Bro? Alles gut?"
"Ja! Ja, alles in Ordnung." Luan hört einen leisen Rumms!, als etwas abgestellt wird. Dem leise klirrenden Nebenklang nach etwas, das zu einem großen Teil aus Glas besteht ...
Marvin kommt fröhlich ins Zimmer gehüpft.
Luan streckt geistesabwesend die Hand aus, um seinen Bro zu streicheln.
"Blblblblblblbl", macht Marv. Sein Versuch, zu schnurren, an den sich der Assassine längst gewöhnt hat. Luan ahmt das Gebrummel des Wolfes automatisch nach.
Dann zupft Marvin vorsichtig am Robenärmel. "Also ... Haustiere, aye? Was ... hältst du so von ... Kellerasseln?"
Luans Alarmglocken, die bereits beim Zupfen in Schwingung gerieten und bei 'Haustiere' erste Tönchen von sich gaben, schrillen beim letzten Wort so laut, dass alle Hausaufgaben vergessen sind. Entsetzt starrt er den Wolf an.
"Die sind bunt!", erklärt Marv begeistert.
"Lieber nicht, Bro", versucht Luan es möglichst diplomatisch. "Nur außerhalb des Hauses in einer Höhle, in der sie sich so wohlfühlen, dass sie dort bleiben."
Marvin wuselt ins Nebenzimmer. "Also ... ich dachte an Terrarien."
Luan schüttelt sich, als er sich unbeobachtet weiß. "Nein, keine Terrarien im Haus!"
Das Pfotengetrappel im Nebenzimmer verstummt kurz, als der Wolf überlegt. "Gehört der Keller zum Haus?"
"Ja!"
"Garage?"
"Auch ja."
"Hmm ... Gartenhäuschen?"
"Ebenfalls." Luan wirft einen strengen Blick in Richtung der Zimmertür.
"Also, jetzt wird's albern!", beschwert sich der Grauwolf.
"Sagt der Wolf, der bestimmt inzwischen einen kleinen Zoo besi..."
Etwas klirrt im Nebenzimmer. "Oh. Ups. Ähh ... Brööö ..."
Luans Gesicht erstarrt, noch ein leichtes Grinsen auf den Lippen. Um ehrlich zu sein, erinnert er an den Psychosmiley. Unbeweglich bis auf einen Arm greift er unter die Robe und zückt ein Feuerzeug. Es klickt leise, als er die Flamme aufspringen lässt.
Aus dem Nebenzimmer erklingt das Geräusch von Pfoten, die Glas über den Boden schieben. "Tja."
Flammen lecken an den Wänden des Zimmers hoch. Luan schwingt sich auf die Dachbalken über dem Zimmer und klettert über immer größere Rauchwolken hinweg. Seine Notizen und Bücher trägt er unter dem Arm.
Im Nebenzimmer kichert es. "Ich hatte noch gar keine Asseln eingekauft. Das Terrarium war leer." Der Wolf zögert. "Bro, wieso riecht es verbrannt?"
"Oh ..."
Luan schwingt sich vom Balken durch die offene Tür ins Nebenzimmer. Inzwischen knistern die Flammen hungrig.
Er sieht seinen Bro neben dem Treppenabsatz stehen. An der Wand türmen sich mehrere große Terrarien in einem wackeligen Stapel. Eines ist offenbar runtergefallen und zerschellt, seine Überreste liegen vor Marvs Pfoten. Der Wolf schnuppert und reißt die Augen auf, als er das Feuer sieht.
"Los, runter!", ruft er und die Bros eilen die Wendeltreppe zwei Etagen hinunter. Sie setzen sich in die Wanne des dortigen Badezimmers. Es kann nicht schaden, nah an einer Wasserquelle zu bleiben.
Das Badezimmer ragt seitlich aus dem Turm. Die großen Glasfenster bieten einen Ausblick auf die Burg, inklusive der in Flammen stehenden Turmspitze über ihnen. Das Feuer verschlingt den Raum und leckt über grauen Stein, färben ihn schwarz. Eine geraume Zeit steigen schwarze Qualmwolken vom Dachstuhl in den Himmel. Eine Feuerwehr gibt es in der grauen Feste nicht, und so beobachten Marvin und Luan, wie das unbeaufsichtigte Feuer das Holzdach zersetzt, bis der Schnee als natürliches Löschmittel in den bereits verbrannten Raum fallen kann und die Flammen erstickt.
"Das ... war's trotzdem wert", findet Marv.
Luan ist auch nicht besonders reumütig. "Strafe muss sein."
Ein wenig hypnotisiert beobachten sie die letzten Flammen.
"Bro ...?", beginnt Marvin. "Wären Feuerasseln weniger gruselig, wenn die - rein hypothetisch - Dackelgröße hätten?"
Luan starrt seinen Bro an. Ganz langsam deutet er auf die Schiffskanone, die in einer Ecke des Badezimmers steht, weil der Raum thematisch eingerichtet ist. Es gibt auch Skelettkrieger, Schatzkarten an den Wänden, Piratenflaggen, falsche Goldhaufen ... nun, und eine Kanone. Der Wolf erinnert sich mit Schrecken nicht nur, dass diese voll funktionsfähig ist, sondern auch an das letzte Mal, da Luan eine Kanone bedient hat. Es war zerstörerisch.
"Keine dackelgroßen Kellerasseln", entscheidet der Grauwolf. "Ich brauche meine Burg noch." Und dann fügt er flüsternd hinzu: "Aber die können sich zusammenrollen."
"Brooo ..."
"Kugelassel." Marvin kichert. "Aber ich frage lieber Felix, ob er Platz dafür hätte."