Inspiriert von den Konfettiprompts "Rosenkonfetti", "Steampunk Konfetti" und "Winterkonfetti". Besonderen Dank an Aizuelpa, Lyzian, Arkadij, Sophie Grey, Lumina Mare, Arcturus, Maxi/Gänseblümchen, Dororose und Aniella Benu.
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Puh, ich fühle mich alt. Level 99 hatte ja noch so etwas Unendliches, wie in vielen Videospielen, wo sich keine dreistelligen Zahlen abbilden ließen und stattdessen der Stat mit 99 auf dem maximalen Level war. In manchen Systemen kann sich dahinter alles zwischen tatsächlich 99 und "over 3000" verstecken!
Die 100 dagegen wirkt so bestimmend, so ... dramatisch. Wie ein runder Geburtstag. Brrr!
Auf dem Rückweg von der Taverne, wo ich das Achievement mit ein wenig spontaner Unterstützung erhalten hatte, habe ich auf ein Luftschiff oder einen Portpotion verzichtet. Na gut, streng genommen habe ich einen Potion benutzt, um in die Wildnis vor meinem Berg zu gelangen, aber ich habe bewusst ein Stück daneben gezielt, um jetzt durch das eher abgelegene Tal zu streifen. Ganz alleine, fernab der Belletristicans und meiner Pseudonyme. Ich brauchte etwas Ruhe, wie das eben so ist. Warum andere Leute ihre Jubiläen groß feiern müssen, werde ich nie verstehen. Ich habe ja nicht mal meinen fünften "Bellesday" gefeiert. Sowieso nichts außer dem Meilenstein, schon ein Jahr auf Belle gewesen zu sein. Und, mal ehrlich, das Jubiläum hatte ich auch um ein paar Tage verpasst.
Das ist einfach nicht mein Stil. Menschen sind das, die so vernarrt in Tageszahlen sind!
Ich lausche auf die ersten Vögel. Auf den Bergen ringsum liegt noch Schnee, der sich auch zu schmelzen weigert. Auf der anderen Seite des Gebirges, dort, wo das Krea-Tief-Tal glüht, sieht das freilich anders aus. Doch das werde ich frühestens von meiner Burg aus seh...
Ich habe den Blick zum Grauen Berg gehoben und erstarre. Was, bei der Finsternis zwischen den Sternen, ist da los? Funken tanzen um die Türme, irgendwas Großes dreht sich.
"Lyssaaa!" Ich schmeiße nun doch meinen Portpotion.
Im nächsten Moment stolpere ich, mit dem üblichen Druck im Magen, auf meinen Burghof. Ein bestialisches, metallenes Kreischen zersägt meine Trommelfelle. Buchfiguren schleppen Balken, aufgerollte Seile und Kisten umher.
"Lyssa!", rufe ich erneut. Obwohl meine Stimme unmöglich über den Baulärm von Hämmern, Sägen und zischender Hydraulik dringen kann, taucht mein Kreaich an meiner Seite auf.
Die blaue Leuchtkugel flackert unschuldig. "Ja?"
"Was ist hier los?"
"Och, also ... eines der Pseudonyme wollte etwas umdekorieren. Zur Feier des neuen Levels, das wir jetzt haben."
"Wir?", frage ich pikiert nach. "Soweit ich mich erinnere, hat keiner von euch Level 100 erreicht! Das ist mein Achievement, meines ganz alleine!"
"Mein, dein ... das sind doch bürgerliche Kategorien."
"Zitier' mir hier nicht das Känguru!" Ich sehe mich zornig um. Wie können meine Chaoten es wagen, mir mein Achievement streitig zu machen? "Wer war es?"
"Keine Ahnung", behauptet Lyssa. Das ist eine glatte Lüge. Sie weiß immer, was alle Pseudonyme und Figuren machen!
Allerdings schweigt die Verräterin wie ein Grab. Ein fest verschlossenes Grab, keines von der Sorte, aus der hin und wieder Zombies herauskrabbeln. Nicht ein untotes Wörtchen kommt über Lyssas metaphorische Grablippen.
"Meinst du nicht, dass du da zu viele Metaphern zusammenschmeißt?", kritisiert Lyssa.
"Metapherception. Sollte dich doch freuen." Ich versuche, sie mit einem Schlag der Rute aus dem Weg zu schaffen und trotte weiter. Natürlich fliegt mir das Kreaich hinterher.
"Hm, das könnte man noch ausbauen. So was wie ... selbstgebaute Brücken abbauen. Den frühen Vogel mit falschen Würmern ködern."
Ich ignoriere sie, was zwar nicht einfach, momentan aber nötig ist. Stattdessen stürme ich in meine Burg und folge den fleißig arbeitenden Buchfiguren nach oben. Wie sich herausstellt, arbeiten sie daran, eine Windmühle zu installieren. Und zwar im zweithöchsten Turm meiner Burg! Das Große, was ich von unten gesehen habe, ist das Segel des Windrads. Das Turmzimmer wird gerade umgebaut. Die Wände wurden herausgeschlagen und jetzt bauen verschiedene Figuren einen hölzerne Rundgang außen an das oberste Zimmer, dessen Dach nur noch von einigen Pfählen getragen wird. Kevin, die Weltenreisende, klopft die Säulen gerade ab.
"Bist du dafür verantwortlich?", frage ich sie direkt.
Kevin war in letzter Zeit das aufmüpfigste Pseudonym. Erst wollte sie von ihrem Bruder, dem Weltenwanderer, getrennt werden, dann hat sie sich von Nick ins Chaosversum entführen lassen und kam als Frau zurück! Ursprünglich war sie, wie Alex, männlich. Oder trans - mir ist das prinzipiell ja schnuppe, aber ich mag es nicht, wenn Pseudonyme sich selbstständig machen und meine hübsche Burg umbauen.
"Nein!", antwortet Kevin hastig. Sie wirbelt herum. "Du musst mir glauben, Marv! Ich wollte nur sicherstellen, dass das Dach nicht einbricht. Mit meiner Erfahrung aus Minecraft, dachte ich, ich könnte die Tragfähigkeit der Säulen sicherstellen ..."
"Minecraft ist nicht gerade physikalisch korrekt", murre ich.
"Ich wollte nur verhindern, dass es zu Unfällen kommt", murmelt Kevin.
Ich glaube ihr da. Jedenfalls vorerst.
"Wer war das dann?"
"Ich weiß es leider nicht. Als ich hier ankam, waren alle schon mittendrin!"
Ich sehe mich um. Gut, dann brauche ich weitere Hinweise. Aufmerksam betrachte ich die metallenen Wellen, die mechanischen Wasauchimmers, die von der Windkraft angetrieben werden. Wasserdampf zischt, Petroleum stinkt herum. Irgendwo sprühen Funken aus dem Gebälk.
"Hey! Das sind Holzbalken!" Ich springe ein paar Mal hoch. "Wer schweißt da?"
Die Funken ersterben. Dann kommt ein braunes Wieseltier auf dem Balken in Sicht und schiebt sich eine Schutzmaske hoch.
"Hallo Wolf!"
"Xenon." Das hätte ich mir ja denken können! Wenn jemand irgendwas zusammenbastelt, dann der Otter. "Reicht dir das höchste Turmzimmer mit deinem Parkour nicht mehr? Was soll das?"
"Heh?" Der Otter wieselt kopfüber nach unten. Ich mache lieber die Augen zu, bis er wie durch ein Wunder wohlbehalten auf der Erde vor mir hockt. "Kriege ich ein zweites Zimmer?"
Ich sehe verwundert in die glänzenden Otteraugen. "Warte, soll das heißen, das hier ist nicht deines?"
"Nein." Xenon zieht einen Flunsch. "Und die tolle Parkourhöhle gehört ja auch dem ollen Assassinen. Ich habe nur dieses winzige, karge, kalte Turmzimmer."
"Das du dir ausgesucht hast", erinnere ich ihn. "Außerdem hast du ganz Otterland! Ihr alle habt eure Siedlungen, ihr müsst mir hier nicht auf die Pelle rücken!" Diese Pseudonyme sind wie die Dreißigjährigen, die immer noch im Keller der Eltern hocken, statt auszuziehen!
Xenon grinst plötzlich. Was hatte ich vergessen? Ach ja. "Und sprich nicht so über meinen Bro! Das heißt Luan, nicht 'oller Assassine'."
"Olle Kaputze?"
"Auch nicht!" Ich trete mit der Pfote auf, aber wie immer prallt jede Demonstration von Autorität an Xenon ab. Der Otter testet seelenruhig sein Schweißgerät.
"Xenon! Also gut, wenn du hieran nicht schuld bist, wer dann?"
"Was weiß ich?" Er zuckt mit den Schultern. "Ich muss jetzt den Zulauf verschweißen, bevor hier alles unter Wasser steht."
"Wasser?", quieke ich. Was, bei der Finsternis, treiben die alle hier? Wasser auf dem zweithöchsten Turm meiner Burg? Auf einem Berg? Das friert doch alles ein!
Während ich mir Katastrophenszenarien ausmale, trotte ich die Wendeltreppe wieder nach unten. Erschöpft von zwei Treppensprints schleppe ich mich in den Thronsaal, um dort eines der Bilder anzubrüllen, die als Kommunikationswege zu den Pseudonymsiedlungen fungieren.
"Mobu! Mobu, komm sofort her!"
Der blinde Elb erscheint in einem Bild, das wie ein Ölgemälde einer unterirdischen Bibliothek erscheint. Regalreihen türmen sich zwischen Felswänden nach oben, gesäumt von metallenen Wegen, über die in Roben gekleidete Forscher gehen. Unter dem Knirschen von Hydraulik bewegen sich Greifarme durch die Räume und sortieren Bücher, Schriftrollen und andere Unterlagen ein. Steintafeln zum Beispiel. Die Greifarme sehen genauso aus wie das Maschinengedöns oben in meiner Burg! Dass ich das nicht sofort erkannt habe. Beides ist Steampunk, auch wenn Mobus Heimat noch eine Prise Cyberpunk enthält.
Auf dem bewegten Gemälde sieht Mobu aus einem großen, violetten Wälzer mit schwarzen Ketten auf. "Ja? Hallo Marvin."
"Ich bins, Marv."
"Habe ich doch gesagt."
"Egal. Jedenfalls, was treibst du da mit meinem zweithöchsten Turm?"
Der Elb zögert. "Könntest du das noch etwas weiter ausführen, bitte? Ich fürchte, ich kann dir nicht ganz folgen."
"Diese ganzen Arbeiter hier! Die spontane Baustelle! Du steckst dahinter, stell dich nicht doof! Was soll das?"
"Es tut mir leid, Marvin, aber ich weiß nicht, wovon du sprichst. Du bist offenbar sehr sauer, aber ich fürchte, ich bin nicht der Schuldige, den du suchst. Ich war die letzten Wochen hier unten und habe mit dem Hyphurion eine neue Geschichte der Eisenwelt recherchiert. Ich kann dir meine Unterlagen geben, wenn du sie sehen willst."
Er zeigt die Seiten des Buches vor. Ich erhasche einen Blick auf eine Zeichnung von einem Schiff neben einem viel zu großen, unheimlichem Riesen-Anglerfisch. Nein, danke! Darüber will ich lieber nichts wissen!
"Also lässt du gerade keine Windmühle in meiner Burg einrichten?"
"Nein." Mobu runzelt die Stirn. "Eine Windmühle?"
"Und noch irgendwelche Maschinen. Aber ... wer ist es dann?"
"Bei Maschinen hätte ich ja jemanden im Verdacht."
"Xenon, ja, aber der war es nicht."
"Nicht Xenon Aridae", erwidert Mobu schmunzelnd. "Der Otter ist nicht an allem Unfug schuld."
"Nicht ..." Ich stutze. Maschinen, Maschinen ... Oh, natürlich! Vor lauter Pseudonymen habe ich den eindeutigsten Kandidaten übersehen. Mobu ist ja auch mehr für Fantasy zuständig, ganz im Gegensatz zu meinem Sci-Fi-Pseudonym, dem man Steampunk viel eher zutrauen könnte!
Wenige Minuten später habe ich cyber_doggo aufgespürt. Der Roboterwolf piepst auf meine Erklärung hin erst einmal eine lange Zeit.
"Das heißt, du bekennst dich schuldig?", fasse ich am Ende zusammen. Ich habe kein Wort verstanden. Oder keine Null und Eins ... Wie auch immer.
Der robotische Wolf nickt. Dann bedeutet er mir, ihm zu folgen.
Zum Leidwesen meiner Pfoten geht es erneut den zweithöchsten Turm hinauf. Wozu habe ich hier überhaupt Türme? Als Ausguck ja nun nicht - dafür nutze ich das deutlich niedrigere Leuchtfeuer! Das sind nur leerstehende Räume, die meine Pseudonyme zu Unsinn inspirieren.
Je höher wir kommen, desto deutlicher rieche ich allerdings heißen Kakao und Tee. Und ... sind das Kekse? Und Brotchips? Ich werde noch einmal schneller und überhole Cyb, um im Türrahmen hinter der Treppe erst einmal zu blinzeln.
Die Baustelle ist fort! Große Glasscheiben sperren den Wind aus, in dem so weit oben schon wieder Schneeflocken treiben. An einer Seite kann man die Windmühle sehen, die sich gemächlich dreht, doch mein Blick wird der malerischen Aussicht auf meine Burg zum Trotz auf das Innere des Raumes gelenkt.
"Ein Bad?!" Heißes Wasser sprudelt aus einem Hahn. (Dem Metallding der Menschen, nicht dem Tier!) Blubberblasen treiben durch die Luft, erheben sich von der dampfenden Wasseroberfläche, auf der Rosenblätter treiben. Tee, Kakao und Kekse finden ihren Platz auf einem Holztischchen neben der riesigen Wanne, außerdem gibt es eine Saunabank, einen Kamin, in dem Urdoggo gerade noch einen Scheit nachlegt, und eine kleinere Wanne mit Qualitätsschlamm, den der Knochenknurpsler durchtrampelt.
Die beiden anderen Wölfe, Cybs Brüder, sind alle, die noch im großen Turmzimmer herumwuseln. Die Arbeiter sind abgezogen. Besonders Xenons Abwesenheit sorgt für eine ganz besondere Qualität der Stille. Irgendwo dudelt beruhigende Musik. Es riecht nach verschiedenen Ölen.
"Da bist du ja schon!" Knochi springt aus dem Schlammbad, säubert sich an einem viel zu flauschigen, weißen Handtuch und kommt zu mir. "Gefällt es dir?"
"Was ... ist das? Habt ihr die Windmühle nur gebaut, um das Wasser hochzupumpen?"
Cyb piepst bestätigend.
"Das ist natürlich eine Wellnessoase!", erklärt Knochi. "Du kannst mir glauben, dass das nicht meine Idee war. Ich habe aber das Massagegerät beigesteuert. Massage ist in vielerlei Hinsicht wie Folter."
Ich bin nicht bereit, darüber zu diskutieren. Vorsichtig nähere ich mich dem Wasserbecken. Es ist ein Bad, ja, aber ... es steht auch gleich frischer Schlamm bereit. Und eine Auswahl an Matsch, Dreck und Erde, die ich nun hinter der Wanne sehen. Die besagte Massagemaschine steht an der Seite, halb im Vorhang, der sich wohl vor die Fenster ziehen ließe, und droht mit verschiedenen Hebeln, Gelenken und Werkzeugen.
"Das ist ein Geschenk", erklärt Urdoggo. "Du wirkst halt immer so angespannt."
"Und wessen Schuld ist das?", frage ich anklagend.
Die drei ungleichen Wolfsbrüder tauschen ratlose Blicke. "Das Reallife?"
Ich schüttele den Kopf. Pseudonyme!
"Na schön. Ich danke euch. Das ist wirklich ein schönes Geschenk. Besonders die wasserfeste Schreibmaschine da hinten, die wird mir beim Entspannen helfen."
"Die kommt von Lyssa!", sagt Urdoggo prompt.
"Versprecht mir nur", fahre ich rasch fort, "dass ihr nicht mehr ungefragt irgendwas umbaut. Ich möchte nie wieder plötzlich in einer Baustelle stehen."
"Das machen wir nicht, Ehrenwort!", sagt Urdoggo ernst.
Cyb piepst ein paar Mal.
"Ganz sicher nicht." Der Knochenknurpsler kichert auf eine Weise, die mich an seinem Versprechen zweifeln lässt.
"Jedenfalls nicht bis zum nächsten Jubiläum", erwähnt Lyssa, die natürlich immer noch über meiner linken Schulter schwebt. Ich hatte sie fast vergessen!
"Na gut, das ist besser als ni..." Mein Nackenfell sträubt sich plötzlich. "Moment, wann ist das nächste Jubiläum?"
Lyssa kichert. "In zwei Wochen. Zehnjähriges Schreibjubiläum. Das muss was richtig Besonderes werden, am besten mache ich dir schon mal einen Plan ..."
Ich tauche lieber schnell unter.