Hufe klappern auf dem Gang vor meinem Zimmer.
"Marv? Marv!"
"Ja, bitte?", erwidert eine Wolfsstimme.
"Da bist du ja! Du musst schnell kommen", erklärt Macchiato.
Ich strecke den Kopf aus meinem Zimmer. "Ey! Nivram."
"Tschuldigung. Macht der Gewohnheit." Mein Doppelgängerwolf zieht den Kopf ein, während Mac verwirrt zwischen den identischen Wölfen hin und her sieht.
"Wer von euch ist der echte Marv?"
"Ich", sage ich, während Nivram sich auf den Bauch legt.
"Jedenfalls, du musst mitkommen."
"Was ist denn los?"
"Es geht um Xenon."
Oh nein! Ich halte unwillkürlich den Atem an. Mir wurde geraten, den kleinen Otter nicht so unter die Fuchtel zu stellen und ihn unbeobachtet tun zu lassen, was er tun möchte. Rächt sich mein mühsames Vertrauen jetzt?
Mac will zum Luftschiffhafen traben, doch ich biege in den Thronsaal ein.
"Höh?" Der Hengst stoppt.
"Ich arbeite an neuen Portalen. Das hier ist schneller", erkläre ich. "Und es ist doch dringend, oder?"
"Ja ... halbwegs", gibt Mac zu. Er und Vram folgen mir in den Thronsaal.
Die Wände des Saals sind jetzt mit großen Bildern behangen, die bis dicht über den Boden gehen. Rahmen, Form und Größe variiert, und auch der Farbton der noch leeren Leinwand. Es gibt nur ein paar Bilder, zum Beispiel Lyssa, Cyb oder Mobu und das Hyphurion. Neben den Rahmen hängen leere Schiefertafeln, nur auf manchen stehen schon mal ein paar Buchtitel oder To-Do-Listen.
Jetzt wohne ich schon so lange hier, und der Berg ist immer noch eine Baustelle! Allerdings - kein Vergleich zu den doppelten Welten ganz zu Anfang.
Ratlos sehe ich die leeren Rahmen an. "Einer davon führt zu Xenon. Welcher war es noch gleich?"
Als ich auf die Bilder zutrete, verschwimmt die Leinwand und macht einer Art gekräuselter Wasserfläche Platz, in die man hineintauchen kann. Ich zögere, dann springe ich durch ein Portal.
"Marv?", fragt Mobu überrascht. "Mac? Und ... nochmal Marv?"
"Nivram", sagt Nivram.
Ich sehe den grauhaarigen Elben an. "Du bist nicht Xenon."
"Sollte ich Xenon sein?" Mobu sieht an sich herunter.
"Wir wollen zu ihm", erkläre ich. "Na gut, probieren wir die anderen Portale."
"Warte!", ruft Mobu, bevor ich mich auf die Suche nach seinem Bild zum grauen Berg begeben kann. Das hängt nämlich nicht genau da, wo wir in seine von Büchern gefüllten Katakomben gestolpert sind.
Jetzt holt der Elb einen alten Spiegel hervor. "Ich habe ein Schnellportal zu Felix' Crickey!-Challenge. Darüber kommen wir am schnellten zu Xenon. Ich muss eh noch einen Prompt abholen, das liegt also auf dem Weg."
"Oh ... danke!"
Und schwupps!, stehe ich im Hauptquartier der Gruppe, das mit Fotos der verschiedensten Tierarten geschmückt ist. Puh, sind das viele!
Mobu nimmt sich das Foto einer Blaumeise, steckt es ein und führt Nivram, Mac und mich weiter bis zu einer der vielen Türen. Wir treten hindurch und stehen auf dem Steg eines hölzernen Pfahlbaus, mitten auf einem See in einem großen, flachen und verregneten Tal.
Wir haben es nach Otterland geschafft.
"Xenon?", ruft Mobu. "Hier ist Besuch für dich."
Der Pfahlbau, auf dem wir stehen, ist über von weiteren Pfählen getragene Stege mit mehreren anderen Hütten verbunden. Bei einer von diesen öffnet sich nun die Tür und ein kleiner Otter hopst uns besorgt entgegen. "Endlich! Marv, komm her!"
Ich eile zur Hütte. Immerhin brennt nichts. Ich sehe auch kein Portal zu Cthulhu. Eigentlich sieht es hier ganz ordentlich aus.
Xenon führt die Truppe in die Hütte. Ich sehe mich misstrauisch um und entdecke ...
"Xenon, was ist das?"
"Das ist Jiskan", stellt Xenon den Schwan vor, der mitten auf dem Tisch hockt und uns anfaucht. "Darf ich ihn behalten? Biiitte!"
"Wie kommst du denn an einen SCHWAN?", entfährt es mir.
"Er ist verletzt und musste in den Flüssen notlanden." Xenon umkreist den Schwan. Ich rechne halb damit, dass mein Otter jetzt gefressen wird, aber Jiskan lässt zu, dass Xenon seinen Flügel ausbreitet. "Ich muss mich um ihn kümmern."
Das Problem ist: Schwäne sind noch schlimmer als Gänse! Die Viecher sind riesig und angriffslustig. Man sieht in ihre Augen und erblickt den Zorn eines T-Rex' und das Erbe eines Raptors. Brrr!
"Und Jiskan ist die große Katastrophe, wegen der ich hermusste?", frage ich, um mir etwas Zeit zum Nachdenken zu verschaffen.
"Katastrophe?" Xenon sieht Mac an. "Nein, ich habe MacD hier nur gesagt, dass ich dich schnell frage, bevor ich irgendwas mache."
"Ach so! Ich hatte verstanden, du müsstest ganz schnell mit Marv reden. Und nenn mich nicht MacD!"
"Ich nenne euch so, wie es mir gefällt!", hält Xenon dagegen, dann besinnt er sich und setzt wieder ein freundliches Gesicht auf. "Und, Marv? Darf Jiskan bleiben?"
Ich sehe den zornig fauchenden Schwan an. Sind das kleine Flammen in seinen Augen?
"Na gut. Mobu! Kannst du Xenon vielleicht unterstützen? Verbände binden und all diesen Kram, für den man Daumen braucht?"
"Selbstverständlich." Der Elb verneigt sich förmlich. Der Schwan guckt ihn verdutzt an und vergisst sogar, zu fauchen.
Xenon umarmt meine Pfote. "Daaanke!"
"Sehr schön. Ich muss dann aber auch zurück. Es gilt, eine Invasion zu bekämpfen."
"Du bist der Beste, Marv!", ruft Xenon mir nach.
Ich werfe einen letzten Blick auf Schwan, Elb und Otter, bevor ich mit Nivram und Mac zurückkehre.
Hoffentlich werde ich das nicht bereuen!
"Du, Marv?" Nivram hüpft an meine Seite. "Du hast doch da dieses Projekt laufen ..."
"Das mit dem Chaos?"
"Genau! Dürfen wir dazu schon was sagen?"
Ich werfe einen Blick zurück zum Leser. "Noch nicht, Vrammy. Geduld."
"Bis Dezember ist noch sooo lang!", winselt mein Doppelgänger.
"Geduld", wiederhole ich.