Triggerwarnung: Tierquälerei
Um es gleich vorwegzunehmen, hier geht es weniger um einen alten oder neuen Traum, vielmehr um den einen Traum, der sich immer wiederholt, seit ich mich erinnern kann. Er war immer da und er hat sich im Laufe der Jahre, mit dem Erwachsenwerden und auch später kaum verändert. Eher sind es unterschiedliche Details, die mir am nächsten Morgen im Gedächtnis bleiben. Gerüche, ob es geregnet hat, ob irgendwo eine Straßenlaterne brannte …
Immer ist es dunkel, sodass man die hohen Gebäude ringsum mehr erahnen als wirklich sehen kann. Trotzdem weiß ich, dass ich mich in einer langen Straßenflucht befinde. Sie führt schnurstracks geradeaus. Seltsamerweise gibt es in diesem Traum keine Kurven oder Einmündungen anderer, ebenso düsterer Straßen. Und ich habe keine Ahnung wieso, aber aus irgendeinem Grund sind da überall an den Hauswänden diese Feuerleitern, die ich sonst nur aus amerikanischen Filmen kenne. Warum sie in meinen Träumen vorkommen, obwohl ich weder aus der Stadt noch aus den USA bin, weiß ich nicht. Alles, was ich in diesem Traum weiß ist, dass ich renne. Schnell, so als wäre jemand hinter mir. Doch es ist nicht Angst vor etwas, die mich treibt. Eher ist es das Gefühl, zu spät zu kommen. Ich muss ganz dringend weiter, dabei schneller und schneller laufen, denn sonst komme ich womöglich zu spät. Irgendwann, da bin ich mir im Traum sicher, auch wenn ich ihn nicht sehen kann, sondern nur seine Schritte und seinen keuchenden Atem hinter mir höre, läuft mein Vater mit mir. Manchmal ist er so dicht hinter mir, dass ich meine, seinen Atemhauch zu spüren, doch dann laufe ich wieder schneller. Oder fällt er zurück?
Beide laufen wir und dann irgendwann werden andere Geräusche lauter. Sie waren schon von Anfang an da, doch wurden sie von dem Hall unserer Schritte in der Häuserschlucht übertönt. Sie klingen wie das Geschrei von Kindern, doch ich weiß, dass es Katzen sind. Irgendwo weit vor mir und meinem Vater, irgendwo in diesen dunklen Häusern, vielleicht auf ihren Dächern oder in ihren Kellern werden Katzen gequält. Und wir suchen nach ihnen, nach der Quelle ihrer lauten, jammervollen Stimmen. Wir versuchen, sie zu finden. So schnell wie möglich, bevor ihnen Schlimmeres geschieht. Dabei habe ich keine Ahnung, was jemand diesen Tierchen antun könnte. Vielleicht haben sie nur Hunger und Durst? Sind sie eingesperrt? Werden sie womöglich brutal geschlagen oder getreten? Und dann kommen mir immer diese dummen Redewendungen in den Sinn: jemandem das Fell über die Ohren ziehen, jemandem die Hammelbeine langziehen, Mädchen die pfeifen und Hähnen, die krähen, soll man beizeiten den Hals umdrehen … Was wenn irgendeine Bestie von Mensch die jaulenden Katzen auf diese Art quält?
Ich wünschte, es käme irgendwann der Morgen, an dem ich mich daran erinnere, ob es uns gelingt, die Katzen zu finden und zu retten. Ich weiß, das ist unsere Aufgabe. Darum rennen wir durch diese furchteinflößende Stadt. Es wäre schön, zu wissen, dass die Miezen endlich alle in Sicherheit sind.