Früher blickte ich des Nachts hinauf zum Himmelszelt und die vielen abertausende Millionen von Sternen funkelten auf mich hernieder. Dann konnte ich glauben, dass dort oben eine Macht existierte, welche die Geschicke auf der Erde lenkte. So musste es sein, denn alles um mich herum war so gewaltig und wundersam, dass es einen Lenker geben musste. Zu schön schienen der Wald und die Tiere darin. Zu schön die Blumen auf dem Feld und der Gesang der Vögel in den Wipfeln. Zu schön schien das endlos weite Meer. Und noch viel schöner das Geschenk der Liebe.
Doch all diese Schönheit war nur Blendwerk, um davon abzulenken, dass über uns ein missgünstiges Wesen haust. Eines, das in einem ihm beliebigen Moment zerschlägt, was es zuvor zusammengefügt hat. Anders ist mein Unglück nicht zu begreifen.
Schon viel zu lange war er fort, der nach dem mein Herz sich sehnt. Nach dem sich mein Leib verzehrt, für den meine Seele brennt. Und noch immer kam keine Nachricht zum Guten oder zum Schlechten. Sobald sich ein Schiff dem Hafen näherte, eilte ich dorthin, immer in der Hoffnung, dass es Kunde bringe von der „Sea Nomad“. Doch vergebens waren all meine Fragen. Zwei Jahre war es her, dass zuletzt ein Matrose davon berichtete, wie der stolze Dreimaster mit Sturmschäden im Hafen von Surabaya gelegen hatte. Von da an verging kein Tag und keine Nacht, in der ich nicht zum Himmel flehte, dass mein Liebster zurückfinden möge. Ohne zu ahnen, was ich damit anrichten würde, flehte ich schließlich zur Hölle. Und eben da muss mein Gebet erhört worden sein.
Ich erinnere mich, als sei es gestern gewesen, wie der dunkle Unbekannte durch die Tür schritt, als sei sie nicht verschlossen. Wie er sich zu mir an den Kamin setzte und mir ein Stück Pergament reichte. Auf ihm, so sagte er mit einem geheimnisvollen Grinsen, musste ich nur unterzeichnen und schon bald würde sich mein Wunsch erfüllen. Des Wartens und des Bangens müde las ich den Vertrag, bevor ich ohne Zögern unterschreib. Mein Liebster, so hieß es, käme auf schnellstem Wege zu mir. Wir wären bald vereint, bis uns dereinst der Tod scheiden würde. Als Preis dafür waren unsere Seelen genannt. Was hatte ich also zu verlieren? Meine Seele schien mir trostlos, öd und leer ohne ihn. Gern würde ich sie geben, wenn ich ihn nur wieder halten, küssen, lieben könnte. Und gewiss ging es ihm nicht anders. So dachte ich.
Am nächsten Morgen – ich war allein – erwachte ich aus bleiernem, traumlosen Schlaf. Alles tat mir weh und von dem Unbekannten keine Spur. Nur die blutrote Feder, mit der ich mein Namenszeichen gesetzt hatte, lag noch da. Es war also kein Hirngespinst und schon bald sollte sich bewahrheiten, was mir der Düstere versprochen hatte. Beim nächsten Neumond in schwarzer Nacht, klopfte es plötzlich an mein Fenster und da war er! Mein Liebster. Ich erkannte ihn gleich, auch wenn er so unnatürlich blass aussah, dass es mir einen Schrei erstickte. Sein Haar, einst wellig und sanft, hing ihm in nassen, schwarzen Strähnen wie Seetang herab auf eine bleiche Brust, in der sein Herz nicht schlug. Seine mir einst wohlbekannten, rosigen Lippen waren blau vor Kälte und ebenso kalt war sein Kuss. Doch was kümmert mich all das? Er ist zurück. Oder das, was von ihm geblieben ist.