Als Dallas zum dritten Mal unruhig erwachte, zeigte sich endlich das erste zaghafte Morgengrauen am Fenster. Der Sternenhimmel war beinahe vollständig verblasst und der klirrende Frost hatte Eisblumen an die Scheiben gezaubert. In einer Wolfsnacht schlief er nie gut. Es hatte wenig damit zu tun, dass er sich um seinen Liebsten sorgte: Dugan war absolut in der Lage auf sich selbst achtzugeben, und seit sie ein Paar waren, auch darauf bedacht, keine unnötigen Risiken einzugehen. Vielmehr war Dallas an seine Nähe inzwischen so gewöhnt, dass er die Abwesenheit seines Geliebten, den leeren Platz neben sich im Bett mit jeder Faser seines Körpers spürte. So auch dieses Mal.
Mit einem Seufzer stand er auf, wuschelte sich durchs Haar und zog einen Morgenmantel an, bevor er zum Fenster ging, um hinauszuspähen. Der riesige Park, der das Anwesen umgab, lag friedlich da und ruhte unter einer hohen Schneedecke. Direkt unter ihm führten Dugans Spuren in die Richtung der Hügel, die er seit Vollendung des Mondaufgangs in seiner Wolfsgestalt durchstreifte. Von seiner Rückkehr war noch nichts zu erahnen. Kein Ruf eines erschreckten Fasans oder das Geheul der Wölfe im Park durchdrang die eisklare Luft.
„Komm du mir mal nach Hause“, murmelte Dallas zu sich selbst, ohne genau zu wissen, was er eigentlich meinte. Unwillkürlich fuhr er dabei mit einer Hand im Nacken über das Tattoo, dort, an der Stelle, die Dugan so gern küsste. Sollte er vielleicht ein Bad einlassen? Die Rückverwandlung des riesigen schwarzen Wolfs in den Laird von Lanark hinterließ stets ein Ziehen und Spannen in seinen Knochen und Muskeln, die sich im warmen Wasser oder mit einem Joint besser lösten. Jetzt, wo er schon auf war, konnte sich Dallas ebenso gut darum kümmern.
So ging er ins Bad, drehte einen Joint und legte ihn mit frischen Handtüchern bereit. Gerade als er auch den Wasserhahn aufdrehen wollte, bemerkte er die Veränderung der Stille im Park. Dugan kam jetzt also. Ein fernes Heulen verkündete seine Ankunft. Dallas kehrte ins Schlafzimmer zurück, um das bodentiefe Fenster für den Sprung des Wolfs weit zu öffnen und gleich darauf sah er ihn kommen. Aber etwas war anders. Dugan war nicht so schnell wie sonst. Sein Lauf erschien nicht so mühelos wie sonst und das lag nicht am Schnee. Er trug etwas in seinem Maul, das im Grau des Morgens nur wie ein Bündel aussah. Dallas ahnte sofort, was es war. Er trat zur Seite, worauf sein Geliebter im nächsten Augenblick auch schon mit einem mächtigen Satz auf dem Teppich landete. Der Wolf legte behutsam ab, was er trug, dann begann er, sich zu schütteln und zu krümmen.
Dallas eilte sofort herbei und nahm das Bündel auf in seine Arme, während die Verwandlung einsetzte. Es war ein Wolfsjunges. Zu klein und schwach und offenbar verwundet. Er drückte es an sich, um es zu wärmen. Dugan wälzte sich inzwischen auf dem Teppich hin und her. Das Bersten seiner Knochen und sein unterdrücktes Stöhnen erfüllten den Raum, als sich in Wirbeln und Zerren wieder menschliche Gestalt und Züge formten. Aus Pfoten wurden Füße und Hände, aus Fell wurde Haut, bis endlich ein junger Mann nackt und erschöpft dalag.
Der Welpe begann zu winseln, gerade so, als sei er von der Verwandlung seines Retters überrascht und Dallas tat sein Bestes, um ihn zu beruhigen. Er hielt ihn fest an seiner Brust und schloss das Fenster. Dann kniete er sich zu Dugan hinunter. Dieser kam langsam zu sich und schaute seinen Liebsten an.
„Was hast du uns denn da wieder mitgebracht?“, fragte dieser und kannte die Antwort.
Dugan streckte seine Arme nach dem Kleinen aus und kraulte ihn an den Ohren.
„Hier, halte du ihn, ich lasse dir ein Bad ein und sage Fitzgibbons Bescheid, dass wir eine neue Waise haben.“
„Du bist … großartig“, brachte Dugan knarzend hervor, während der kleine Wolf sich an ihn schmiegte.
„Ich weiß. Du auch.“
Falls ihr neugierig geworden seid, die zwei gehören zur Highland Saga.
https://belletristica.com/de/books/13246-highland-saga/chapter/32512-highland-saga. Der Link führt in die Unterwelt. Keine Bange, Dugan ist kein wilder Werwolf, er braucht nur seeeehr viel Liebe :)