Unter dem Protest der beiden Raben eignete sich Manodriil schließlich den Flügellappen an und drückte sein Gesicht hinein. Mal wieder konnte er seine Tränen nicht zurückhalten. Erst schimpfend, dann voller Mitgefühl hockten sich die beiden Vögel neben ihn und machten Geräusche, die wohl beruhigend sein sollten.
Als der Tränenfluss versiegt war, stellte der Junge erstaunt fest, dass das Stück Drachenhaut wärmer geworden war. Nur von seiner Körperwärme? Oder waren es seine Tränen? Hatten sie womöglich heilende Wirkung auf jeden Teil des Drachen?
Sorgfältig stopfte Manodriil die Haut unter seine Jacke, bevor er sich an die Weitersuche machte. Auch die Raben nahmen ihre Kreise wieder auf.
Schließlich war es der Junge der einen größeren Schneebrocken zur Seite rollte und darunter ein Auge des Gesuchten erblickte. Jubelnd machte er sich daran, mehr Schnee wegzuräumen, bis er den Kopf fast frei gelegt hatte und das Tier tief einatmete - und beim Ausatmen eine Rauchwolke ausstieß, die im Gesicht des Jungen brannte und den Schnee weiträumig schmolz.
"Danke", klang es in Manodriils Kopf. Langsam arbeiteten sie weiter, bis sich der Drache selbst etwas bewegen konnte.
Wie sich herausstellte, lag er in sehr unglücklicher Position, hatte einen Flügel gebrochen und einige Hautfetzen verloren.
Manodriil umarmte ihn und schluchzte. In seiner Jacke spürte er eine Bewegung. Der Hautfetzen bewegte sich! Schnell nahm er ihn heraus. Es war das größte Stück, das seinem Freund fehlte, und ließ sich schnell an die richtige Stelle einpassen. Ungläubig beobachtete der Junge, wie es mit dem Körper zusammenwuchs.
"Krkr, Waaahnsinn!" "Na denn, junger Herr, erlaubt, dass wir uns davon machen. Und auch ihr solltet euch einen besseren Platz für die Nacht suchen."
"Ja, aber wo? Und danke euch!"
"Krkr, folgt uns, folgt uns."
Langsam setzten sich die beiden Freunde in Bewegung. Als sie einen kleinen See in einem Wäldchen erreichten, schwanden die Vögel aus ihrer Sichtweite. Ihre Rufe hallten durch die Dämmerung und wurden von anderen beantwortet. Offenbar lebten sie nicht weit entfernt eine Kolonie.
Gierig tranken Manodriil und der Drache, bevor sie sich zusammenkuschelten und einschliefen.
Blonde Zöpfe. Eine singende Stimme lud Manodriil ein, sich zu der Unbekannten zu gesellen. Langsam erklomm er Stufe für Stufe. Auf halbem Weg blieb er stehen und schaute empor. Ihr Gesicht konnte er nicht erkennen, aber ihre schlanke Silhouette nahm ihm den Atem. Weich fiel ihr Silber-durchwirktes Gewand bis zum Boden. Es glitzerte, als sei der Sternenhimmel in es hinein gewoben worden. Die lockende Melodie wurde lauter, eine Sprache, die er nicht kannte, aber irgendwie doch vertraut wirkte, erzählte von den Beschwernissen einer Reise, deren Ziel nicht erreicht werden konnte, unendlich nah, und doch nicht greifbar.