Es war Montagmorgen im ruhigen Örtchen Adlerstal, und somit ein Schultag. Wie immer wartete Jaqueline an der ausgemachten Kreuzung auf ihre langjährige, beste Freundin Tessa. Jaqueline hatte sich beim Bäcker ein Schokocroissant geholt. Sie lehnte an einer Hauswand und ließ es sich schmecken, während sie wartete.
Wenig später sah sie ihre Freundin auf sie zu eilen, und winkte ihr zu. Die beiden Mädchen umarmten sich zur Begrüßung. Jaqueline öffnete ihren Rucksack und Tessa entdeckte in dem üblichen Chaos aus Büchern, Heftern, Blättern und Stiftemäppchen eine kleine Tüte. Jaqueline reichte sie ihr.
„Hier, dein Milchzopf, ganz frisch gebacken. Lass ihn dir schmecken.“, sagte sie, und grinste dabei.
Tessa lachte. „Du solltest Verkäuferin werden.“ Als sie das Gebäck an sich nahm, entdeckte Jaqueline jedoch etwas ungewöhnliches. Tessa trug einen Ring an ihrem linken Ringfinger. Stirnrunzelnd überlegte sie, woher ihre Freundin ihn hatte. Es war das erste Mal, dass sie einen Ring trug… Er schien ihr also etwas zu bedeuten. Hatte am Ende ein Junge ihn ihr geschenkt…?
Etwas verstimmt entschloss Jaqueline sich jedoch, erst einmal nichts dazu zu sagen.
„Hey, was ist los mit dir? Du sagst ja gar nichts mehr.“, kam es von der verwunderten Tessa.
„Ach nichts… Ich hab nur… schlecht geschlafen.“, log Jaqueline, und scheiterte dabei wie immer, wenn sie mal log, kläglich.
„Ja schon klar… Du weißt, dass du nicht lügen kannst, also lass es, bitte.“
„Tut mir leid. Es ist nichts Wichtiges, okay? Jaqueline versuchte sich an einem Grinsen. Ihre Freundin sah sie misstrauisch an, entschied sich dann aber mit einem Seufzen, ihr zu glauben.
Gemeinsam setzten sie ihren Weg fort. Jaquelines Gedanken rasten. Was ist, wenn sie am Wochenende einen Freund gefunden hat? Schließlich war sie mit ihren Eltern auf so einer komischen Veranstaltung… Aber dann hätte sie mir doch sicher etwas gesagt? Oder etwa nicht? Ich mag sie so gern, aber das kann ich ihr nicht sagen…
Alle Versuche von Tessa ihre Freundin zum reden zu bewegen, scheiterten. Schließlich gab sie es auf, und die beiden schwiegen für den Rest des Weges. Tessa verstand ihre Freundin nicht, was war nur los mit ihr?
In ihrem Klassenzimmer angekommen, setzten sich beide auf ihren Platz. Jaqueline knabberte am Rest ihres Croissants, doch schmecken wollte es ihr nicht mehr. Ihre Freundin Miriam fand sich wie immer kurz vor dem Unterrichtsbeginn auf ihrem Platz neben Jaqueline ein. „Guten Morgen Jacky, grüßte sie.
„Morgen Miri.“
„Was ist denn mit dir los? Sonst bist du nicht so wortkarg.“, fragte Miriam verwirrt. Doch bevor Jaqueline etwas antworten konnte, kam auch schon ihre Deutschlehrerin herein, und ermahnte die Klasse zur Ruhe. Dann begann der Unterricht.
Dass auch Tessa verstimmt war, und überlegte, was sie falsch gemacht hatte, wusste Jaqueline nicht. Die Klasse sollte die angefangene Geschichte weiterlesen. Jaqueline war keine typische Streberin, aber lesen machte ihr einfach Spaß, und da sie die Geschichte spannend fand, hatte sie sie zuhause schon fertig gelesen. Nun drehte sie gelangweilt eine ihrer Haarsträhnen um den Finger und sah immer wieder zu Tessa herüber, die schräg vor ihr saß.
Wie als hätte sie die Blicke ihrer Freundin gespürt, drehte sich das Mädchen mit den lockigen Haaren plötzlich um. „Was ist?“, flüsterte sie leise. Doch in der Stille hatte die Lehrerin sie gehört, und ermahnte Tessa, ruhig zu bleiben. Genervt widmete sich das Mädchen wieder der Lektüre.
So verging ein ganzer Schultag in dem etwas Unausgesprochenes zwischen den Mädchen lag, was sich durch schlechte Laune bei beiden bemerkbar machte. Nach der Schule verließen Tessa und Jaqueline das Schulgebäude, und machten sich auf den Heimweg. Miriam lief winkend an den beiden vorbei, und lächelte Jaqueline zu. Sie lächelte ihr zu, und winkte zurück.
„Ach, zu ihr bist du ganz normal, und mir zeigst du die kalte Schulter. Ganz toll.“, murrte Tessa schließlich. Sie wollte nun Klartext reden.
„Wie soll ich denn ganz normal sein, wenn du mir so etwas Wichtiges verschweigst?“, maulte Jaqueline zurück.
„Was denn Wichtiges?“, antwortete Tessa, und verstand nur Bahnhof.
„Na dein Ring! Den hat dir doch bestimmt ein Junge geschenkt, als Zeichen seiner Liebe.“ Jaqueline betonte das letzte Wort, und zog es ins Lächerliche. Sie war den Tränen nahe.
„Ähm… Was redest du da für einen Quatsch? Das ist ein Erbstück, von meiner Oma. Ich hab ihn im Schmuckkästchen von meiner Mutter gefunden, und fand ihn toll. Als sie mir gesagt hat von wem er ist, wollte ich ihn haben, und sie hat ihn mir geschenkt. Wie kommst du auf so was??“ Aufgebracht sah Tessa ihre Freundin an, und bemerkte, dass sie mit den Tränen kämpfte.
„Hat mein Linchen wieder geträumt, und sich Sachen ausgedacht?“, fuhr sie milde gestimmt fort.
Jaqueline rieb sich hastig die ersten Tränen weg, und versuchte, ihre Gedanken zu ordnen. Tessa hatte also keinen Freund. Sie hatte nur ein Erbstück von ihrer verstorbenen Oma bekommen. Und sie hat mich mein Linchen genannt!
Dem Mädchen fiel ein riesiger Stein vom Herzen, gleichzeitig schämte sie sich, dass ihre Gedanken wieder mit ihr durchgegangen waren.
„Tut mir leid… Ich habe den Ring gesehen, und da sind meine Gedanken mit mir durchgegangen.“, sagte sie, und mied den Blick ihrer Freundin.
Tessa lachte erleichtert auf und umarmte Jaqueline. „Was du dir immer denkst. Aber er ist doch schön, oder? Hier schau ihn dir an!“ Die beiden lösten sich voneinander, und Tessa hielt ihre linke Hand vor Jaquelines Nase.
„Ja, der ist echt schön.“, sagte sie aufrichtig, und lächelte.
Gemeinsam setzten sie ihren Weg nach Hause fort. Jaquelines Problem war zwar noch nicht gelöst, doch sie war erleichtert, dass sich das Missverständnis geklärt hatte.
Fortsetzung folgt...