Jaqueline konnte nicht einschlafen.
Es war Sonntagnacht, und der Wecker würde in wenigen Stunden klingeln. Voller Kummer rollte sie sich auf die andere Seite. Es war Miriam, die sie nicht schlafen ließ. Beziehungsweise das Verbot, sie nach der Schule zu sehen.
Es hatte einen Riesenkrach gegeben am Sonntagmorgen.
Ihre Eltern hatten sich aufgeregt, wie sie die ganze Nacht hatte wegbleiben können, noch dazu ohne Bescheid zu sagen. Jaqueline hatte natürlich nicht vor, ihnen von dem Clubbesuch zu erzählen, doch sie hatten sie so lange ausgequetscht, bis es ihr herausgerutscht war. Dass Miriam einen schlechten Einfluss auf sie hatte, hörte sie nicht zum ersten Mal von den Eltern.
Hausarrest hatte es gegeben. Zwei Wochen lang. Miriam durfte sie auch nicht besuchen. Zwei ganze Wochen lang…
Jaqueline seufzte leise, und wischte sich eine Träne aus dem Augenwinkel. Aber ich habe es mir ja eigentlich selbst eingebrockt… Ich hätte wissen müssen dass meine Eltern es nicht gutheißen, wenn ich die ganze Nacht weg bin. Aber ich wusste ja nichts davon. Und ich wollte keinen Rückzieher bei Miri machen…
Irgendwann fielen ihr die Augen zu, und der Traum begann.
Jaqueline rannte durch verschiedene, spärlich beleuchtete Räume. Sie glaubte, ihre Freundin Miriam gesehen zu haben. Doch sie fand sie nicht. Ratlos sah das Mädchen sich um, bis sie einen Hilfeschrei hörte. „Was war das?! Das muss in der Nähe gewesen sein, sie scheint Hilfe zu brauchen!“, sagte sie sich, bevor Jaqueline los rannte, in die Richtung aus der sie den Schrei gehört hatte.
Das Mädchen durchquerte einen muffig riechenden Gang, und sah sich gehetzt um. „Woher kam der Schrei nur?“ Sie rannte weiter, und stolperte beinahe über einen am Boden liegenden Gegenstand. Es war ein Schwert, erkannte sie, als sie es aufhob und ehrfürchtig über den Edelsteinbesetzten Griff fuhr. Erneut schrie jemand, diesmal von ganz nah.
„Da muss es sein! Miri, ich komme!“ Jaqueline öffnete schnurstracks die Tür, die sich nicht weit weg von ihr befand, und trat in den Raum.
Doch nicht Miriam war es, die Hilfe brauchte. Tessa war in einem riesigen Spinnennetz gefangen, und eine riesige Spinne kam langsam immer näher auf sie zu.
„Jaqueline hilf mir! Das Vieh will mich fressen!“, schrie das andere Mädchen hilflos. Sie zappelte, doch konnte sich nicht aus dem Netz befreien. Die Dunkelhaarige überlegte nicht lange, sie rannte mit nach vorne gerichtetem Schwert auf die Spinne zu, versuchte dabei nicht über die dicken, schleimigen Fäden des Netzes zu stolpern.
Sie rammte die Klinge tief in den Körper der Spinne.
Jaqueline setzte sich ruckartig im Bett auf. Panisch sah sie sich um, und stellte fest, dass sie sich in ihrem Zimmer befand. Weit und breit keine Spinne… Es war nur ein Traum!, versuchte sie sich zu beruhigen. Sie zitterte dennoch vor Angst. Der Traum war sehr real gewesen…
„Moment mal, so etwas Ähnliches haben wir doch wirklich erlebt!“ Letztes Jahr an Halloween!“ Jaqueline erinnerte sich an ihre Erlebnisse im Horrorhaus, welche sie gemeinsam mit Tessa durchgestanden hatte… Tessa! Hoffentlich geht es ihr gut… Ich sollte mich vielleicht mal bei ihr melden… Sie hatte mich mehrmals angesprochen, aber ich habe sie immer abgeblockt. Ob das falsch von mir war...?“
Jaqueline geriet ins Grübeln. Ja, sie hatte einiges mit ihrer langjährigen Freundin durchgestanden. Und dann war ihr Miriam immer wichtiger geworden. Sie hatte Tessa erfolgreich aus Jaquelines Leben verdrängt. Ob das ihre Absicht war…?