Tessa lag indessen auf ihrem Bett und las in einem Buch. Sie versuchte es wenigstens. Es dämmerte bereits, und ihre Freundin Jaqueline hatte noch nicht - wie es abgesprochen war - angerufen. Das Mädchen musste die selbe Seite noch einmal lesen, da sie mit ihren Gedanken komplett woanders gewesen war. Sie seufzte. Soll ich Jaqueline anrufen…? Aber was ist, wenn ich sie gerade störe? Ach Quatsch, ich rufe jetzt an, überlegte sie sich.
Tessa schnappte sich ihr Handy vom Tisch und drückte darauf herum, bis sie ihre beste Freundin, welche sie in den Favoriten gespeichert hatte fand, und auf anrufen ging. Es tutete mehrmals, doch Jaqueline ging nicht ran. Tessa machte sich nun richtig Sorgen. Hoffentlich ist ihr nichts passiert… Oder findet sie nur ihr Handy in ihrem Rucksack nicht? Ich probiere es gleich nochmal… Doch auch die nächsten beiden Versuche, die Freundin anzurufen, scheiterten. Es meldete sich nur die Mailbox. Tessa strich sich ratlos eine gelockte Strähne aus dem Gesicht. Ich wollte eigentlich nicht Miriam anrufen. Aber vielleicht weiß sie was los ist?
Schon nach wenigen Sekunden ging Miriam an ihr Handy. „Was gibts?“, fragte sie.
„Hi, ähm… Ist Jaqueline noch bei dir?“, fragte Tessa nervös. Sie hatte eine unbestimmte Abneigung gegen ihre Klassenkameradin, wusste jedoch nicht genau, warum. Sie war sich jedoch sicher, dass es nicht nur damit zu tun hatte, dass Miriam rauchte. Das taten schließlich viele in ihrer Klasse, und mit ein paar Leuten davon war Tessa befreundet.
„Nein, die ist vor zehn Minuten los gegangen.“, kam es von Miriam.
„Ich erreiche sie nicht. Hat sie vielleicht ihr Handy bei dir vergessen?“ Tessa kniff die Lippen zusammen. Wenn ja, würde Miriam auf ihrem Handy spionieren…? Sie vertraute der Blonden nicht.
Miriam zögerte kurz, als würde sie sich umsehen. „Nein, hat sie nicht.“ Das Klicken eines Feuerzeuges war zu hören. „Aber lass mich dir einen Tipp geben. Werde dir darüber klar was du willst, bevor es vielleicht zu spät ist.“
„W-Wie meinst du das?“, fragte Tessa unsicher. Die Worte ihrer Klassenkameradin ließen sie erschauern.
„So wie ich es sage.“
„Na toll, das hilft mir nicht viel weiter...“ Ratlos überlegte Tessa fieberhaft, was Miriam ihr sagen wollte. Was ich will? Ich wünsche mir vieles… Aber sie muss etwas Bestimmtes meinen… Die Mädchen schwiegen einige Sekunden.
„Na ja, dann will ich dich nicht weiter stören… Tschüss.“
„Tschau.“, kam es vom anderen Ende der Leitung, dann legte Miriam auf. Tessa warf ihr Telefon frustriert auf ihr Bett. Das Telefonat hatte ihr nichts gebracht, außer Verwirrung. Sie fühlte sich als hätte Miriam einen Köder ausgeworfen und ihn zurückgezogen, bevor Tessa ihn hatte schnappen können. Plötzlich klingelte ihr Handy. Jaqueline rief an.
„Hallo? Jaqueline gehts dir gut? Was ist los, warum meldest du dich nicht?“ Tessa bestürmte ihre Freundin mit Fragen. Das Mädchen am anderen Ende der Leitung lachte unsicher.
„Tut mir leid, ich war in Gedanken… Und mein Handy lag in meinem Rucksack ganz unten, und auf lautlos gestellt. Bin gerade nach Hause gekommen. Mir geht es gut, warum fragst du?“
„Ach, ich… Ich hab mir nur Sorgen gemacht. Es ist schon spät, und wir wollten doch reden...“ Tessa fiel ein Stein vom Herzen, dennoch hatte sie den veränderten Klang der Stimme ihrer Freundin bemerkt. „Sag mal, irgendwas ist doch. Hat Miriam etwas Komisches gemacht?“
„Warum fragst du?“
Tessa ahnte, dass sie genau ins Schwarze getroffen hatte, mit ihrer Frage.
„Weil ich merke, dass etwas nicht stimmt.“
Jaqueline schwieg ein paar Sekunden. Sie schien nachzudenken, was sie sagen sollte. „Na ja, sie… Sie hat mich auf die Wange geküsst und gesagt, dass sie es schön mit mir fand. Und dass ich mal wieder kommen soll.“
„Ach so, na dann… Hattet ihr Spaß, was?“ Tessa fühlte sich bedrückt, doch wusste noch nicht warum. Bin ich etwa… eifersüchtig…? Aber wieso? Jaqueline kann doch auch andere Freundinnen haben, außer mir… Ich bin doch nicht so besitzergreifend, dass ich sie nur für mich haben will, oder?
„Hallo, Tessa? Hörst du mir zu?“
„Oh, sorry. Ich war abgelenkt, tut mir leid.“
„Ich habe gesagt, dass Miriam zwei Kaninchen, und ein Pferd hat. Wir waren bei Freya, sie ist ein Haflinger. Miri hat mir gezeigt, wie man Pferde versorgt, dann ist sie noch auf ihr geritten. Ich habe mich nicht getraut. Aber Miriam kann echt gut reiten...“, sprudelte es aus Jaqueline heraus.
„Mhm, aha. Okay...“, murmelte Tessa nur. „Und wann gehst du wieder hin?“
„Wir haben noch nichts ausgemacht. Vielleicht am Wochenende oder so. Aber ich muss sie erst fragen. Oder hattest du etwas vor mit mir?“
„Ja, ähm… Mal sehen. Ich wollte eigentlich zu dir kommen.“, antwortete Tessa schnell. Sie wusste, dass sie jetzt reagieren musste. Bevor… Ja, was befürchtete sie eigentlich? Dass Miriam ihr Jaqueline abspenstig machte? Dabei hat sie nicht erzählt, dass Miriam irgendwie schlecht über mich geredet hat, oder so… Wovor habe ich solche Angst?
„Das ist auch gut.“, kam es von Jaqueline. Eine kurze Gesprächspause entstand. Keine der beiden Mädchen wusste so recht, was sie sagen sollte.
„Und was hast du so gemacht?“
„Ach na ja, Schularbeiten, lesen, radeln, das Übliche eben.“ Tessas Mutter hatte einen Hometrainer angeschafft, den das sportliche Mädchen sehr gerne mit nutzte.
„Schularbeiten?! Mist, die habe ich ja total vergessen!“, rief Jaqueline panisch. Tessa musste schmunzeln, so kannte sie ihre Freundin. „Ich helfe dir dabei. Schlag das Französisch Buch auf der Seite 174 auf, die Lösung der ersten Aufgabe ist….“ Tessa war froh, ein Gesprächsthema zu haben, und ihrer Freundin helfen zu können. Gemeinsam gingen sie die Hausaufgaben Stück für Stück durch.
Später am Abend fiel Tessa in einen unruhigen Schlaf. Sie träumte davon, dass Jaqueline und Miriam sich küssten, und sie die beiden erwischte…