Am Abend des selben Tages hatten sich Jaqueline und Miriam verabredet. Die Blonde hatte nach ihren Worten eine Überraschung für ihre Freundin, und wollte sie ihr nun präsentieren. Jaqueline hatte eine einzige Nachricht erhalten, in welcher
>>Wir treffen uns heute Abend 20 Uhr am Bahnhof, wenn du Bock hast. Und mach dich chic!<<
stand. Es war zwar ein Samstag, dennoch ahnte das Mädchen, dass es spät werden würde. Jaqueline hatte Gewissensbisse, denn sie hatte ihren Eltern nur gesagt, dass sie zu Miriam gehen würde. Ich weiß nicht was sie vorhat, aber wenn wir uns bei ihr treffen würden, dann hätte Miriam mich sicher nicht zum Bahnhof bestellt, dachte Jaqueline. Notfalls muss ich Mama wohl schreiben, dass ich bei ihr übernachte…, doch wohl war ihr bei der ganzen Sache nicht. Und dann noch der Satz „Und mach dich chic...“, murmelte das Mädchen leicht gekränkt. „Bin ich sonst nicht gut angezogen?“ Sie sah sich kritisch im Spiegel an. Ich bevorzuge nun mal legere Klamotten, na und?, dachte sie trotzig.
Dennoch entschied sie sich dazu, ihren Kleiderschrank zu durchwühlen, bis sie einen schwarzen Pullover fand, der ihr bis jetzt „zu sexy“ gewesen war. Er war schmal geschnitten, die Ärmel waren aus netzartigem Stoff, dazu kam ein tiefer Ausschnitt. Zu dem Pullover wählte sie eine dunkelgraue Jeans. Hoffentlich friere ich nicht in diesem Teil…
Bevor sie sich auf den Weg machte, fütterte Jaqueline noch ihre Katzen, die sich auf das Futter stürzten, aber dann gemächlich zu fressen begannen.
„Ich bin bei Miriam, Mama und Papa! Könnte etwas später werden!“, rief sie, während sie sich Jacke und Schuhe anzog.
„Was heißt das? Wie spät wird es denn?“ Kritisch wurde sie von ihrer Mutter begutachtet. „Das weiß ich noch nicht, vielleicht übernachte ich auch bei ihr.“ Es war keine direkte Lüge, denn Jaqueline wusste ja noch nicht was ihre Freundin vorhatte. „Melde dich bitte, wenn du es weißt, ja?“
„Mach ich, Mama. Bis dann!“ Jaqueline schnappte sich ihren Schlüssel und zog die Tür zu, um sich auf den Weg zu machen.
Am Bahnhof angekommen, musste sie nicht lange auf ihre Freundin warten. Ihr fiel sofort auf, dass Miriam stark geschminkt, und größer war als sonst. Sie trug Schuhe mit kleinen Absätzen. Dazu eine Röhrenjeans und einen schwarzen Mantel. Sie küssten sich kurz zur Begrüßung, dann hielt Jaqueline es nicht mehr aus. „Was hast du mit mir vor? Wo wollen wir hin? Und warum bist du geschminkt?“, fragte sie aufgeregt. Miriam lachte, und umarmte das Mädchen. „Wir gehen in einen abgesagten Club in Mannheim. Ist alles schon abgesprochen, ich kenne dort jemanden. Mit mir kommst du da rein.“, sagte sie grinsend.
Jaqueline schluckte. Mannheim, dies bedeutete knapp zwei Stunden mit Bus und Bahn zu fahren. Und sie würden wohl die ganze Nacht über weg bleiben… „Oder willst du nicht mit?“
„Doch, doch. Ich überlege nur etwas. Gut, dass ich meinen Eltern gesagt hab, dass ich bei dir schlafe.“ Jaqueline lachte nervös. „Die merken schon nichts. So, da kommt unser Bus. Auf gehts.“ Beide eilten zur Haltestelle, und die Fahrt begann. Sie verlief recht ereignislos, außer dass sie umsteigen mussten, um mit dem Zug weiter zu fahren.
„Warum sind wir eigentlich nicht schon eher los gefahren, Miriam?“, fragte Jaqueline unterwegs neugierig.
„Weil der Club erst 22 Uhr aufmacht. Vorher lassen sie uns auch nicht rein.“, antwortete die Blonde. „Okay und wen kennst du, dass wir dort rein dürfen? Der ist doch sicher ab 18 oder...? Die Dunkelhaarige runzelte leicht die Stirn.
„Ja, ist ab 18. Ich kenne aber den Türsteher ganz gut. Wir haben uns über das Internet kennen gelernt. Da ist aber nichts zwischen uns, keine Sorge. Geschminkt bin ich nur, damit die da drin mich auch für 18 halten.“
„Dann sind wir also beide schon volljährig...“, überlegte Jaqueline.
„Richtig.“ Miriam nickte.
„Und wenn was schief geht? Du weißt, ich kann schlecht lügen...“, jammerte das Mädchen leise. „Das wird schon, überlass einfach mir das reden. Und wenn du rot wirst, sieht man das im halbdunklen dort eh nicht.“, beruhigte die Blonde sie.
In Mannheim angekommen, liefen sie zu Fuß zu dem Club, welcher in der Innenstadt lag. Die Mädchen hielten sich an den Händen. Jaqueline wurde von Minute zu Minute aufgeregter. Es war lange her, dass sie das letzte Mal in einer größeren Stadt gewesen war. Miriam nutzte ihr Navi, um sie zur richtigen Adresse zu bringen. Sie begrüßte den Türsteher, einen großen und kräftigen jungen Mann mit Handschlag, und die beiden wurden tatsächlich von ihm herein gewunken.
Sie gingen die Treppen hinunter, in einen großen Raum, der bunt beleuchtet war, jedoch gedimmt, sodass es wirklich halbdunkel war, wie Miriam gesagt hatte. Es gab eine Bar, mit großen hölzernen Barhockern, auf die sie sich setzten.
Miriam bestellte ohne mit der Wimper zu zucken zwei Cocktails, was Jaqueline erstaunt mit ansah. Sie besann sich jedoch darauf dass sie ja am heutigen Abend volljährig waren, und versuchte unbeeindruckt zu wirken. Die Blonde schob ihr lächelnd einen der Drinks rüber, als sie gebracht wurden. „Du siehst übrigens gut aus. Auf uns!“, sagte sie grinsend, und sie prosteten sich zu.
„Diese Nacht wird legendär…!“, sagte Miriam vielversprechend, nachdem sie einen Schluck getrunken hatte.
Der ungewohnte Alkohol entfaltete schnell seine Wirkung bei den beiden Mädchen, und hatte die von Miriam gewünschte Wirkung. Ihre Freundin wurde lockerer und begann bald über alles was sie sagte zu kichern. Die Blonde nahm die Hand ihrer Freundin, und zog sie in Richtung der Tanzfläche, als sie ihre Gläser leergetrunken hatten.
„Ich wweiß doch gar nich, wie man tannst...“, lallte Jaqueline. „Mach einfach, was ich mach.“, beschloss die Blonde selbstsicher, und legte die Arme um das Mädchen. Jaqueline tat es ihr nach, und umarmte Miriam. Sie begannen sich leicht im Takt zur Musik zu wiegen, gerade wurde etwas Ruhiges gespielt.
Der Alkohol hatte Jaquelines schlechtes Gewissen vorübergehend vertrieben. Sie fühlte sich beschwingt und genoss es, sich zur folgenden, schnelleren Musik zu bewegen. Den leichten Schwindel glich sie aus, in dem sie sich immer wieder an Miriam festhielt.
Je später es wurde, desto mutiger wurde das Mädchen. Jaqueline ahmte die Bewegungen Miriams nach. Sie traute sich nun sogar, ihre Freundin länger zu küssen, obwohl viele Leute um sie herum waren, die ebenfalls tanzten. Zwei junge Männer neben ihr riefen ihr anerkennende Worte zu, welche die beiden Mädchen mit einem Grinsen quittierten. Dann wandten sie sich wieder einander zu.
Die Nacht verging, ohne das Jaqueline sich müde fühlte. Sie hatte vergessen, dass sie sich bei ihren Eltern melden sollte. Ihr Handy hörte sie nicht, bei der Lautstärke. Sie fühlte sich eins mit der Musik, die Bewegungen fielen ihr immer leichter.
Es war bereits früher Morgen, als Jaqueline und Miriam schließlich durch Mannheims Innenstadt zurück zum Bahnhof wankten. Sie waren noch leicht angetrunken, und nun merkten sie die durch getanzte Nacht.
„Mist, ich hab vergessen, meinen Eltern Bescheid zu sagen!“, stellte Jaqueline bestürzt im fast leeren Zug fest. Sie hatte 3 verpasste Anrufe, und mehrere Nachrichten. Miriam zuckte müde mit den Schultern. „Dann hast du eben tief und fest bei mir geschlafen. Komm erst mal mit zu mir, und ruf sie später an.“
„Hmm okay.. Ich hoffe, sie glauben mir das auch...“, murmelte Jaqueline, bevor sie sich an Miriam lehnte, und vor sich hin döste.
Es wurde bereits hell, als die beiden Freundinnen in Adlerstal ankamen, und sich auf den Weg zu Miriams Haus machten.