„Schläfst du schon?“, fragte Tessa in die Dunkelheit. Sie lag auf dem Gästebett in Jaquelines Zimmer.
„Ich bin noch wach.“, antwortete das andere Mädchen. Es lag so viel Redebedarf zwischen ihnen, dass beide keine Ruhe fanden.
„Wie läuft es mit Miriam?“, fragte die Kurzhaarige. Jaquelines Inneres krampfte sich zusammen. Aber ihr war klar gewesen, dass diese Frage kommen würde…
„Geht so. Ich durfte sie während des Hausarrestes nicht sehen, außer in der Schule.“, meinte sie leicht bekümmert.
„Warum hattest du eigentlich Ausgehverbot?“
„Weil Miri und ich über Nacht weg waren. Gab ein ziemliches Donnerwetter, deswegen...“, antwortete Jaqueline.
„Kann ich mir vorstellen. Meine Eltern hätten wahrscheinlich die Polizei geholt, wäre ich nachts weg gewesen.“
„Das haben sie zum Glück nicht, nur...“
Tessa schwieg abwartend.
„Sie haben gesagt, dass Miriam einen schlechten Einfluss auf mich hat.“ Jaqueline seufzte. Doch ihr tat es gut, dass sie mit jemandem über diese Sache reden konnte. Ihrer Freundin hatte sie es noch nicht erzählt…
„Kann ich mir gut vorstellen. Ich meine, sie war es, die uns auseinander gebracht hat.“
Jaqueline schluckte. Tessa hatte das Problem auf den Punkt gebracht.
„Ich hab doch Recht, oder Linchen?“, fragte Tessa mit sanfter Stimme.
Die Angesprochene wischte sich hastig aufkommende Tränen aus den Augenwinkeln. Sie war froh, dass ihre Freundin es im Dunkeln nicht sehen konnte. „Ja, das stimmt wohl...“, sagte sie schließlich kleinlaut. Sie war glücklich, dass Tessa sie bei ihrem Spitznamen genannt hatte. „Und nun?“ Sind wir noch Freundinnen?“
„Ich denke schon, oder?“ Tessa klang unsicher.
„Ich hätte es gern.“
„Komm mal zu mir runter.“, forderte die Kurzhaarige schließlich leise. Jaquelines Herz klopfte schneller. Sie stand auf und setzte sich neben Tessa auf ihr Gästebett. Die Dunkelhaarige fühlte eine Hand auf ihrer Wange, dann trafen zarte, weiche Lippen aufeinander.
Ganz vorsichtig, wie als ob sie um Erlaubnis bitten wollte, küsste Tessa ihre Freundin. Es war ein Kuss, so unschuldig und liebevoll. Und doch veränderte er alles.
Jaqueline erwiderte den Kuss ebenso leicht, umschloss Tessas Hand mit ihren Fingern. Viel zu früh für das Mädchen lösten sie ihre Lippen schließlich voneinander.
Beide sahen sich im Dunkeln an, sahen jedoch nicht mehr als die Silhouette der jeweils Anderen, beleuchtet durch die Straßenlaternen draußen.
„Jaqueline…?“ Tessa durchbrach die Stille.
In der Angesprochenen tobten die Gefühle. Hat mich Tessa einfach so geküsst? Nein, das glaube ich nicht. Aber dann heißt das ja…
„Ja…?“, fragte das Mädchen unsicher.
„Ich weiß, das du Miriam liebst. Aber du solltest wissen, dass ich Gefühle für dich habe. Mir war es erst nicht klar, doch jetzt weiß ich es genau.“
„Seit wann?“, fragte Jaqueline leise.
„Schon seit einigen Wochen. Ich hatte einen Alptraum, dass Miriam dich küssen würde. Und der ist dann wahr geworden…“
„Ich… Oh. Es tut mir so leid Tessa, ich wusste es nicht. Dabei sollte ich dich doch kennen, und...“
„Mach dir keine Vorwürfe. Bitte.“
„Und was machen wir jetzt?“, fragte die Dunkelhaarige mit erstickter Stimme. Ihre Tränen liefen nun ungehindert.
„Du musst dir klar darüber werden, was, beziehungsweise wen du willst.“ Tessas Stimme war sanft, keine Spur von Wut war zu hören. Doch etwas Traurigkeit schwang darin mit.
„Gib mir etwas Zeit, okay?“ Jaqueline schniefte.
„Die hast du. Und so lange sind wir einfach Freundinnen, okay?“
„Okay. Darf ich… Noch etwas bei dir bleiben?“
„Klar darfst du das.“
Jaqueline lehnte sich an ihre Freundin und genoss ihre Nähe. Es war still im Zimmer, jedoch keine unangenehme Stille.