Der Prompt für den zweiten Inktober Tag ist „mindless“, was man frei als unbekümmert, stumpfsinnig oder geistlos übersetzen kann. Daher habe ich eine andere Bedeutung gewählt, als vorgegeben, nur zur Information. :) Heute geht es um Jaqueline und ihre Freundin Miriam.
Mindless – Das unbekümmerte Mädchen
Es klingelte zum Unterrichtsende, und damit Schulschluss. Eilig packten die Schüler der Klasse 10 a ihre Sachen zusammen, um dann endlich nach Hause zu gehen.
„Endlich ist Französisch vorbei, das ausgerechnet zur letzten Stunde… Ätzend.“, beschwerte sich Tessa. Ihre Freundin Jaqueline stimmte ihr zu. „Wollen wir noch ins Café? Ich brauche jetzt dringend eine Stärkung.“
„Du ähm… das geht nicht. Ich habe Miriam vorhin versprochen, dass ich mit zu ihr gehe.“, antwortete Jaqueline zerknirscht. Sie sah ihre Freundin entschuldigend an.
„Ach so schade, na dann… Viel Spaß euch. Wir telefonieren heute Abend?“, sagte Tessa etwas enttäuscht, doch sie lächelte. Sie hatte die letzten Sachen eingepackt, und wandte sich zum gehen.
„Ja klar, gerne. Bis dann.“ Jaqueline war etwas beunruhigt, wollte die Sache aber beim Telefonat am Abend wieder geradebiegen. Sie umarmten sich zum Abschied, bevor Tessa den Unterrichtsraum verließ. Die Klasse leerte sich Stück für Stück, es waren nur noch Jaqueline, Miriam und drei Jungs übrig.
„Hey, Miriam, haste mal eine für mich?“
„Für mich auch. Los gib her!“
Miriam hatte ihre Zigaretten heraus gekramt, was zwei der Jungs nutzten, um bei ihr zu schnorren. Noch dazu nicht gerade auf die freundliche Art. Die beiden gingen auf sie los, schubsten sie, und griffen nach ihrer Zigarettenschachtel. Doch das Mädchen wusste sich zu wehren. Mit ein paar gekonnten Schlägen und Tritten wehrte sie sich erfolgreich. Die Jungs ließen noch einen dummen Spruch an, dann verschwanden sie aus dem Zimmer. Der dritte, etwas schüchterne Junge und Jaqueline hatten erschrocken zugesehen, doch noch bevor sie etwas hatten tun können, hatte Miriam schon ihre Angreifer abgewehrt.
„Das war echt toll! Ich wusste ja gar nicht, dass du Karate kannst.“, sagte Jaqueline staunend zu ihrer Freundin. Gemeinsam machten sie sich nun auch auf den Weg.
„Die sind mir schon öfter blöd gekommen. Wurde mal Zeit, dass ich denen zeige, dass die mit mir nicht so umspringen sollten. Mit keinem macht man das.“, antwortete die Blonde unbekümmert. „Kommst du noch kurz mit hinter die Turnhalle?“ Hinter der Turnhalle trafen sich die Raucher unter den Schülern. Jaqueline nickte, ihrer Freundin zuliebe folgte sie ihr, auch wenn sie selbst nicht rauchte.
„Du hast Katzen, oder?“, fragte Miriam, bevor sie sich eine Zigarette anzündete, und daran zog.
„Ja, drei Stück. Maya, Cupcake, und Fortuna.“, antwortete das Mädchen lächelnd. Sie liebte ihre drei Miezen über alles.
„Cool. Ich habe zwei Kaninchen und ein Pferd. Wenn du magst, können wir dann zusammen hin fahren. Es steht im Nachbarort Grünwalde auf dem Pferdehof.“
„Sehr gerne! Ich mag Pferde, aber wir haben leider weder Platz, noch genug Geld, um eines zu halten.“, bedauerte Jaqueline.
„Dann ist es auch besser, wenn ihr keins habt. Man muss es auch gut unterbringen, und versorgen können.“ Miriam zuckte mit den Schultern. „Aber cool, dass du mitkommst, Jacky.“
„Danke für die Einladung.“ Jaqueline lächelte. Diesen Spitznamen hatte sie von Anfang an von Miriam bekommen, seit sie in ihre Klasse gekommen war. Die beiden waren sich schon nach kurzer Zeit sympathisch gewesen. Jaqueline mochte zwar nicht, dass sie rauchte, aber es war ja ihre Gesundheit, dachte sie sich. Das hatte sie Miriam auch gesagt. Diese winkte nur ab und antwortete: „Irgendein Laster hat jeder.“
„Jacky? Träumst du wieder?“, fragte das Mädchen grinsend.
„Ertappt.“ Jaqueline seufzte. Dass ich aber auch immer in Gedanken versunken bin…
„Macht nichts. Komm, wir können los.“ Miriam drückte ihre Zigarette mit dem Schuh aus, was Jaqueline missbilligte. Sie schnappten sich ihre Rucksäcke, und liefen zur Bushaltestelle, in der Nähe der Schule.
„Wo wohnst du nochmal?“, fragte die Brünette neugierig.
„Feldwiesenweg 12. Ist etwas außerhalb, wie der Name schon sagt.“
„Oh, okay.“
„Nicht gut? Ich kann dich dann auch noch heim bringen, wenn du willst.“ Miriam zuckte mit den Schultern. „Ist kein Problem für mich.“
„Ich werde mich schon finden. Wenn du mir sagst, wo ich hin muss.“ Miriam lachte. „Klar, ist ja auch klein, das Nest hier.“
Dann kam der Bus, in welchen die beiden Mädchen einstiegen, und bis in an den Stadtrand mitfuhren. Von dort war es nicht mehr weit, bis zu Miriams Zuhause. „Schön ruhig ist es hier.“, bemerkte Jaqueline, die die Stille zwischen ihnen unterbrechen wollte.
„Es ist überall ruhig. Oder war hier schon einmal etwas los?“ Ungläubig sah Miriam ihre Freundin an. „Früher, in Stuttgart, da war mehr los.“
„Du hast in Stuttgart gewohnt? Dort ist Tessa geboren worden.“
„Ach ja, hm. Ich glaube die mag mich nicht besonders.“
„Sie verabscheut rauchen. Aber das heißt nicht gleich, dass sie dich nicht mag.“
„Doch. Sie mag mich nicht, weil ich oft mit dir herum hänge. Denk mal drüber nach.“, sagte Miriam nur. Jaqueline sah sie ratlos an. „Wieso…?“ Doch ihre Freundin deutete nur auf ein Haus in der Nähe. „Dort wohne ich. Komm.“
Das Haus von Miriams Eltern war hellgelb gestrichen, das Dach war mit orangeroten Dachziegeln bedeckt. Im Vorgarten blühten verschiedene Sträucher, und ein Weg aus Steinplatten führte zum Haus. Jaqueline war ein bisschen neidisch. Wenn sie hier wohnen würde, dann hätten sie und ihre Katzen mehr Platz. Die beiden betraten das Haus, und Miriam führte ihre Freundin die Holztreppe hinauf, in ihr Zimmer.
Miriams Zimmer erinnerte sie an ihr eigenes, es war etwas chaotisch, und unordentlich. Sie schien es aber nicht zu kümmern. Jaqueline entdeckte den Kaninchenkäfig in einer Zimmerecke. Im Gegensatz zum Raum war dieser vor kurzem erst gereinigt worden. Er duftete nach frischem Heu, welches Miriam gerade hereingab. „Ich weiß, was du denkst. Den Hasenbau hab ich heute morgen vor der Schule noch sauber gemacht. Meine Tiere sollen es gut haben.“
„Wieder erwischt.“, antwortete Jaqueline, und lachte. „Darf ich sie streicheln?“
„Du kannst die beiden meinetwegen auch raus lassen.“
So beobachtete Jaqueline die beiden grauen und weißen Kaninchen, die das Zimmer erkundeten. Währenddessen hörten die Mädchen Musik, und quatschten über die Schule, und ihre Klassenkameraden.
„So, wenn du magst, können wir dann zu meinem Pferd fahren. Du nimmst einfach das Fahrrad meiner Mutter.“, beschloss Miriam, und schloss die Käfigtür, nachdem sie die Kaninchen herein gesetzt hatte.
„Darf ich das denn?“
„Klar, sie hat schon nichts dagegen. Wir bringen es ja heil zurück, nehme ich an.“ Unbekümmert zuckte Miriam mit den Schultern. Jaqueline zweifelte noch etwas, doch sie sah ein, dass es besser war, zu fahren. Denn bis Grünwalde waren es immerhin 10 Kilometer.
„Nächster Halt, Grünwalde, Pferdehof.“, rief Miriam über die Schulter zu Jaqueline, und fuhr voraus. Sie fuhr schnell, sodass Jaqueline sich ran halten musste, um nicht den Anschluss zu verlieren. Nach fünfundzwanzig Minuten hatten sie ihr Ziel erreicht, und stellten ihre Räder am Stall ab.
„So, jetzt zeig ich dir, wie man ein Pferd versorgt.“, beschloss Miriam, und führte ihre Freundin zur Box ihres Pferdes. Sie öffnete den Stall und führte es hinaus, in eine der Hallen. Dort begann sie fachmännisch Mähne und Schweif des Pferdes zu striegeln, dann bürstete sie das kurze Fell.
„Sie ist übrigens ein Haflinger.“, erklärte Miriam, und beantwortete damit die Frage, die Jaqueline auf der Zunge hatte. „Durch das Bürsten wird sie gleichzeitig massiert. Hier, probier du mal.“, sagte sie, und reichte ihrer Freundin Striegel und Bürste. Etwas zaghaft probierte es Jaqueline, wurde dann sicherer, da das Pferd ruhig blieb.
„Okay, und wie heißt sie?“
„Freya.“
„Wie schön. Hast du dir den Namen ausgesucht?“
„Ja, hab ich.“ Miriam konzentrierte sich nun auf die Hufe, die sie vorsichtig auskratzte. „Das macht man, um den Dreck und festgetretene Steine raus zu bekommen. So was kann ganz schön weh tun.“ Jaqueline nickte, und beobachtete es genau.
Als sie fertig waren, führten die beiden Freya auf die Weide, wo sie von den Mädchen mit Möhren und Äpfeln gefüttert wurde. „Jetzt kommt das Schönste.“, sagte Miriam, und grinste. „Das Ausmisten.“ Jaqueline lachte. „Juhuu. Aber auch das gehört eben dazu.“
„Richtig. Hilfst du mir?“
„Klar helfe ich dir. Wenn du mir zeigst, wo alles ist?“
„Cool. Dann komm mal mit.“
Nach der unangenehmen, aber notwendigen Tätigkeit widmeten sich die beiden Mädchen wieder dem Pferd. Jaqueline war fasziniert, von der sanftmütigen Freya. Nur sie zu reiten traute sie sich noch nicht. Aber was noch nicht war, konnte ja noch werden. Die beiden Mädchen kehrten erst als es bereits dämmerte nach Adlerstal zurück. Miriam erklärte ihrer Freundin noch, wie sie nach Hause kommen würde.
Dann geschah etwas, was Jaqueline nicht erwartet hatte.
„Ich mach mich dann mal auf die Socken. Bis morgen in der Schule dann.“
„Ja. War schön heute mit dir. Du kannst gern mal wieder vorbei kommen.“, sagte Miriam, und küsste ihre Freundin auf die Wange. Dann drehte sie sich um, und verschwand im Haus.
Sie hinterließ eine überraschte, und verwirrte Jaqueline.