Ein bisschen nervös schaute sie hin und her, als sie den Laden vor sich betrachtete. Die kleinen Augen, die seitlich ein wenig zu sehr abstanden, und ihre schwarzen, mit einer Spange am Hinterkopf befestigten Haare, welche bei dem leichten Wind trotzdem in ihrem Gesicht landeten, nahmen gefühlt die eisige Kälte zusätzlich noch auf, auch wenn sie nicht wusste, wie das gehen sollte. Sie zitterte doch schon am ganzen Körper. Also zog sie die Jacke enger um den schlanken Leib und betrat das Café. Die schweren Türen hinderten den Regen daran, hineinzugelangen und sogleich hüllte sie die warme Kaminfeuerwärme ein und ihr Gesicht prickelte ein wenig.. Die wohltuende Wärme erreichte jede Stelle ihres Körpers und beruhigte sie ein wenig, nachdem mit einem Quietschen die Flügeltür hinter ihr wieder ins Schloss einrastete.
Wie bereits vermutet, waren bei diesem verregneten und trüben Wetter mehr Leute anwesend. Schließlich wollten sich viele durch einen Kaffee oder Tee aufwärmen und bei einem Stückchen Kuchen oder anderen Leckereien anderen ihre Leiden, Sorgen oder Nöte mitteilen. Fast alle Tische waren belegt, dennoch sah sie hinten in einer Ecke einen freien Platz. Gezielt steuerte sie diesen an, setzte sich und blickte vorerst starr durch das entfernte Fenster in das Regenwetter hinaus. Mit hektischen, ungleichmäßigen Atemzügen wirkte sie mehr und mehr wie eine Frau, die sich überhaupt nicht wohl fühle und eigentlich nur nach Hause ins Bett wollte. Leicht schüttelte sie den Kopf und rief sich zur Besinnung. Zögerlich hob sie eine Hand. Die Bedienung kam sogleich.
„Guten Tag im Café Kaffee und Kanne. Was darf ich Ihnen bringen?“, trällerte die Blonde geübt vor ihr. Die Schwarzhaarige zwang sich zu einem Lächeln und wusste, dass diese gespielte Freude ihre Augen niemals erreichen würden.
„Ein Wasser bitte“, antwortete sie mit leiser Stimme. Ihre Kehle war rau . Ob es Halsschmerzen waren, oder sie bloß zu viel vor sich hingesummt hatte, um sich abzulenken, wusste die junge Frau nicht. Ob es die Halsschmerzen waren oder ob sie bloß zu viel vor sich herumgesummt hatte, um sich abzulenken, während sie sich stundenlang draußen aufgehalten hatte, wusste sie nicht.
„Classic oder still?“, kam sogleich die Frage. Langsam schüttelte die Bedienung den Kopf und wusste, welche Art von Kunde sie vor sich hatte. Sie würde wenig Geld in diesem Café liegen lassen und das war der blonden Dame durchaus bewusst. Diese Tatsache sorgte dafür, dass das Gesicht der Bedienung ein wenig von ihrer aufgesetzten Fröhlichkeit verlor.
„Medium, wenn Sie das haben.“
Ein kurzes Nicken und sogleich verschwand sie. Die Schwarzhaarige lehnte sich erleichtert gegen das Leder und atmete ein paar Mal tief ein. Keine zwei Minuten später wurde ein wenig grob ein Glas mit durchsichtiger Flüssigkeit vor ihr abgestellt. Es kam weder ein Bitte, noch folgte ein Danke.
Schnell trank sie zwei kleine Schlucke und setzte das Glas wieder auf den Tisch ab. Ihre Finger verkrampften sich, als sie sich ihrer unruhigen Gedanken bewusst wurde und sich zur Ruhe zwang.
Nervös konnte man es eigentlich nicht nennen. Immerhin war sie nicht freiwillig hier. Sie wurde zu diesem Treffen gezwungen, so wie alles in ihrem Leben nicht von ihrer Hand gesteuert wurde. Ihre Atmung ging schneller, als die das Gesicht am Eingang erkannte. Ein Mann mittleren Alters, dessen graue Strähnen im Haar sich in dem Blond hevorhoben. Ein konzentriert aussehendes Gesicht erblickte ihres, das dafür sorgte, dass sie zusammenzuckte. Sie versuchte, sich auf dem Ledersofa ein wenig mehr zusammenzukauern. Erfolglos. Er hatte sie bereits gesehen und erkannt.
Der Mann kam auf sie zu, Sekunden später folgten zwei weitere Männer im schwarzen Anzug. Seine Bodyguards. Diese hielten sich unauffällig in seiner Nähe auf.
Er lächelte freundlich, doch auch wie ihr Lächeln zuvor, wirkte es aufgesetzt. Nein, es wirkte nicht so. Sie wusste, was sich hinter dieser Maske verbarg. Ohne zu fragen setzte er sich ihr gegenüber hin, nickte der Bedienung zu und bestellte einen Erdbeerkuchen. Das Essen kam sogleich, als er sich kurz mit seinen kühlen blauen Augen wieder ihr zuwandte, und dann sich über den Kuchen hermachte.
In der Zeit sagte sie keinen Ton, wagte nicht mit der kleinsten Bewegung seine Aufmerksamkeit zu erregen. Selbst ihr Atmen war zu laut. Doch irgendwann war diese Stille zwischen ihnen unerträglich. Flache Atemzüge sorgten für Kopfschmerzen, die schweißnassen Hände hatte sie zusammengeballt.
Nein, nicht jetzt. Bitte nicht. Nein!!, dachte sie.
„Es ist ziemlich unhöflich, deinen alten Herren nicht zu begrüßen, Hina.“ Diese tiefe Stimme, die sie nie wieder hören wollte, drang in ihren Ohren. Sogleich zuckte sie erneut zusammen. Sie schüttelte geistig mit dem Kopf und wollte eigentlich aufstehen, doch das konnte sie nicht. Sie konnte nicht fliehen. Nicht dieses Mal.
„Außerdem“ brachte er zwischen zwei Bissen und mit einem vollen Mund hervor. Seine Augen fixierten ihre und sondierten nicht nur die Lage, sondern auch ihre Reaktionen. Er beobachtete sie genau. Würde man nicht wissen, dass sich vor ihr der leitende Professor und Forscher einer geheimen Einrichtung befand, so würde man wenigstens auf einen Polizisten oder wenigstens einen Ermittler kommen. Seine Ausstrahlung zeugte exakt von diesen in Fernsehsendungen auftauchenden amerikanischen Inspektoren, die für die Aufklärung ungeklärter Mordfälle ihr Leben riskieren. Er stank jedes Mal genauso nach Rauch, diese Augen konnten ebenfalls alles und jeden in seinem Blickfeld erfassen. Selbst seine Kleidung, dieser abgetragene Anzug, einem langen schwarzen Mantel und dieser Hut, den er wirklich ständig trug, machten das Bild nahezu perfekt. Nicht zu vergessen diese gentlemenhafte Art, die er nach außen hin gerne präsentierte. Doch sie kannte ihn besser.
Er war ein Bastard, ein Ignorant. Ein Heuchler. Ein Mörder.
„Außerdem“ wiederholte er und schob sich die Gabel aus dem Mund. „Habe ich einen kleinen Auftrag für dich.“
Hina schüttelte sofort den Kopf. Deutlich zeigte sie ihren Widerwillen, ihren Ekel, ihre Abscheu. Und dann kam der Schmerz.