„Seid gewiss, dass ich Euch töten werde, wenn Ihr mich täuschen wollt!“, sagte er mit fester Stimme, als er dem unsichtbaren Geist durch die Dunkelheit folgte. Schon seit geraumer Zeit hörte er nicht mehr diesen verschmitzten Ton in seinen Ohren, sondern andere Geräusche erklangen im Hintergrund. Dieses Metall, das überall zu sein schien, unterdrückte keinen seiner leisen Bewegungen. Selbst die Schritte, und selbst diese auf Zehenspitzen, schien der Gang weit genug zu tragen.
„Wenn, dann würde ich Euch ins offene Messer laufen lassen und Ihr wärt dort, wo Ihr Euch satt gefressen habt!“, kam der spöttische Kommentar. Doch so sehr auch der Hohn und die Belustigung in den Worten enthalten war, so konnte er auch deutlich Nervosität erkennen.
„Vor was oder wem fürchtet Ihr Euch?“, fragte er deshalb, um sich auch selbst ein Bild zu machen. Entweder von der vor ihm existenten Gestalt, die immer noch unsichtbar war, oder auch vor der Gefahr, die wohl am Ziel lauern würde. Er konnte einiges erdenken und erkennen durch seine Erfahrung als stolzer Krieger. Wiederum diese unbekannte Welt schien ihm dennoch derart fremd, dass er schleunigst zurück, zu sich nach Hause, wollte. Wenn es denn noch möglich war.
„Den Gang entlang, hinter der Tür, dann erkennt Ihr es“, kam es nur zurück. Die immer leiser werdende Stimme verklang, als er irgendwann allein den Tunnel voller Schwarz und Angst entlang schritt. Je weniger er seinen Vordermann hörte, desto mehr drang ein Gestank in seine Nase, den er sich nur allzu bewusstwurde. Metallisch und stechend, süßlich und unverkennbar. Modrig und scheußlich. Der Tod.
Er zückte seine Klinge, da er sich nicht bewusst war, wie sehr der noch unbekannte Gegner ihn schaden könnte. Doch die vermuteten Geräusche wie das Lachen der Krieger, wenn er in einer Falle befinden würde oder derartige Töne von Kampf und Krieg, blieben aus. Dennoch labte er sich nicht in der Sicherheit, sondern tappte weiter auf leisen Sohlen, halb gekrümmt mit wachsamen Augen, durch den Gang. Er endete, wie der Unsichtbare bereits gesagt hatte, an einer eisernen Tür. Doch die war nicht bei weitem so stabil wie die erste, an welcher sich der Unsichtbare über ihn lustig gemacht hatte. Er stemmte sich gegen diese, nachdem er sich sicher war, dass die sirrenden Adleraugen und sonstigen dämonischen Geschöpfe und Gebilde dieser Menschen ihm nicht folgen würden. Er wusste nicht ab wann, aber er hatte diese seit längerem nicht mehr gesehen und auch seine Verfolger, die Wachen, hörte er nicht mehr. Unsicher, aber dennoch konzentriert, öffnete er die Tür und erstarrte sogleich. Der Gestank wurde derart stechend, dass er sich die Nase zuhalten wollte. Doch etwaige Gerüche würde er dann nicht mehr vernehmen, wodurch er sich durch kurze Atemzüge an sein Ziel wand. Zellenstäbe zierten links und rechts vom Gang, auf welchem er schritt, die einzelnen Räumlichkeiten. Leuchtende Punkte bewegten sich teilweise träge zwischen den Schatten hinweg, doch keiner schien sich für ihn zu interessieren. Er trat näher an eine zufällig ausgewählte Zelle, testete die Stabilität der Stäbe und war erstaunt. Er wäre nur mit Mühe in der Lage, diese aufzustemmen. Vor ihm erstreckten sich Teile eines einst lebenden Wesens, die bis zu den Knochen abgenagt waren. Manche Fleischbrocken hingen noch daran, aber mehr vermodert als frisch. Daher also der Gestank. Die Punkte bewegten sich auf ihn zu, schneller als er reagieren konnte verbiss sich etwas in seine Hand. Fluchend fiel er zurück, schwang die Klinge jedoch und durchschnitt gekonnt durch das lebendige Monster. Leblos fiel der Leib hinter den Gitterstäben zu Boden, der Kopf mit messerscharfen Zähnen und einem starken Gebiss hing noch an seiner Hand. Er schüttelte ein paar Mal diese aus, dann fiel auch dieser zu Boden. Er sah dem Wolf in die Augen, dessen modifizierter Körper weder natürlich noch real sein konnte. Er selbst kannte zwar Fenris-Wölfe, die in Wäldern herumstrichen, aber weder gezähmt werden konnten noch als Haustiere gehalten wurden. Selbst das Fell war teils ausgefallen, wodurch die nackten Punkte der vergilbten Haut zu sehen waren.
„Welch scheußlich´ Werk!“, gab er zu verstehen, als er ein Zischen, fast ein Lachen hinter sich hörte. Der Ton und diese feixenden Geräusche konnte er zuordnen und lief auf die Zelle zu, in welchem er die zuvor unsichtbare Gestalt vermutete.
„Wenn Ihr das als scheußlich bezeichnet, dann wisst Ihr bei weitem nicht, was hier gespielt wird!“, wie zuvor sah er zwei Punkte in der Dunkelheit, die stechend in der Schwärze zu sehen waren. Sie kamen langsam und kontrolliert ebenfalls auf Ihn zu, doch diesmal schrak er nicht zurück. Ihm wurde klar, weshalb er herkommen musste.
„Ihr habt mit mir gespielt!“, knurrte er mit tiefer Bassstimme und zückte die Schwertspitze. Diese hielt kurz vor der Kehle des bisher Unbekannten an. Nun erkannte er ihn. Ein schlanker, fast magerer Körper robbte auf ihn zu, dessen blasse Haut sich wie Leder über die Knochen und Sehen spannte. Deutlich zu sehen unter dem lapidaren Hemd, das mehr wie ein Kartoffelsack aussah, waren blaue Flecken oder andere Narben. Die Beine oder besondere Verletzungen sah er keine. Doch dieser Körper wirkte müde und ausgemergelt. Als er zu dem Gesicht blickte, erkannte er stechend rote Augen, die ihn sowohl feixend als auch neugierig beobachteten. Die braunen fettigen Locken hingen dem Mann, der wohl in seinem Alter sein musste, viel zu wild über dem Leib. Beide blickten voller Argwohn und Interesse in das Gesicht des jeweils anderen.
„Ich sorgte nur dafür, dass ich hier rauskomme!“, gab der Unbekannte zu verstehen und grinste frech. Dass das in seiner Situation als äußerst anmaßend galt, schien der Unbekannte nicht zu wissen. Oder es war ihm schlichtweg egal. „Und seid versichert, mir könnt Ihr eher vertrauen als die Gestalt, die sich hier bald blicken lassen wird!“
„Wie meint Ihr das?“, zischte der Krieger. Er schaute sich mit seinen Sinnen um, doch erkannte keine Gestalten, keine lebendigen Wesen. Sie waren allein hier.
„Entscheidet Euch: Entweder Ihr werdet mir hier raushelfen und öffnet die Zelle, oder wir beide werden Bekanntschaft machen mit etwas, dass Ihr niemals erleben wollt.“
Und als würde dieser Satz alles Gefährliche aufwecken, leuchteten pinke Lampen mit einmal grell auf, während gleichzeitg ein ohrenbetörender Schrei die Stille zerriss.