„Bei den Göttern…“, hauchte Amron, flog fast zu dem schwarzen Ledersessel, auf welchem Buck sich immer noch zu gelassen niedergelassen hatte. Mit fast schon zu aufgesetzter Ruhe betrachtete Buck Amron dabei, wie dieser seine beiden Handgelenke mit festem Griff packte und ihn zu sich zog. Wie ein wertvolles Goldstück auf dem Basar betrachtete der Krieger die blasse Haut, auf welcher dünne Linien die Adern bildeten und auch wirklich bewiesen, dass Buck keine Illusion war. Doch das war nicht das, was den Weißhaarigen so aufwühlte.
Striche aus kleinen Symbolen und Schriftzeichen zierten die Haut, insgesamt nicht größer als seine Faust und erzeugte im Gesamten ein Sechseck. In Zentrum stand ein Halbmond, durch dessen Reflexion sich mit dem Licht in tausende Farben spiegelte und Amron fast blendete. Mehrere Minuten starrte der sonst so gefasst Krieger die Haut an, wendete die Hände und kratzte die Symbole weg. Doch es glich einem Bild auf ewig. Oder bis es eben seinen Zweck erfüllt hatte.
„Wieso…?“, mehr brauchte Amron nicht zu sagen, denn Buck zog abrupt die Arme weg und richtete seinen Anzug wieder. Danach stand er mit einem gebieterischen Ausdruck im Gesicht auf und lief langsam in Richtung Ausgang. Amron vermutete schon fast, dass er hier allein gelassen wird, als sich der Dämon umdrehte und nachdenklich in die entgegengesetzte Richtung lief. Fast, als würde er nur mit sich selbst sprechen, erstand ein zu lautes Flüstern in der entstandenen Stille. Die feinen Ohren des Kriegers vernahmen jedes einzelne Wort und klagten ihn damit immer mehr an.
„Ich kann mir vorstellen, dass das für mich ebenso lästig wie ungewollt war wie für dich.“ Die Stimme nahm einen Klang an, den Amron aufhorchen ließ. Er blickte Buck an, richtete sich zur vollen Größe auf und starrte den langsam umherlaufenden Mann an, dessen konzentriertes Gesicht alles andere als freundlich auf ihn wirkte. Amron wusste langsam nicht mehr, wie er diese Person einzuschätzen vermochte. War es der Schelm, oder ein Reicher, ein Machthaber oder nur ein Diener eines anderen? Facettenreich wie durchtrieben blickten die roten Augen Amron an. Stumm nickte er und ließ Buck weitererzählen.
„Doch leider ist das bisher nicht mehr zu ändern. Als ich erwacht bin, habe ich mich schleunigst auf den Weg gemacht, hierher zu kommen. Du musst wissen, das hier ist nicht weit von dem Ort entfernt, an welchem wir gewesen waren. Jedenfalls nicht für mich.“ Buck machte an der Fensterfront kehrt, die immer noch einen atemberaubenden Ausblick darbot und lief lässig auf der Barriere an der Holztür erneut entgegen. Amron ließ ihn keine Sekunde aus den Augen und stand stur da.
„Außerdem…haben wir noch das kleine Problem mit dem gruseligen Mädchen und die Typen, die noch hinter mir, jedenfalls auch hinter dir, her sind.“ Erneut an dem Glas angekommen, als welchem man nur noch rausspringen musste, um die Freiheit zu erleben, richtete sich Buck auf, nahm wieder die Handgelenke und betrachtete sie erneut nachdenklich.
„Und die Tatsache, dass wir beide aneinandergebunden sind.“
Ein schweres Schnaufen ertönte und Buck schien mit den Ausschweifungen innezuhalten.
„Ich sagte keine Bindungen, keine Schwüre!“, machte Amron zornig klar. Was war plötzlich los? Bilder tauchten vor seinem Inneren Auge auf, die nicht seine zu sein schienen und doch ihn derart fesselten, dass er den Fall auf die Knie erst bemerkte, als er das weiche Fell auf der Haut spürte.
Rot. Alles Rot. So viele Leichen. So viele Tote. Thiana. Wo war Thiana? Wo ist meine Liebe? Wieso….wieso bin ich noch am Leben?
Amron schnaubte ein paar Mal schwer, sah mit leerem Blick in den Raum und konnte die Atemluft nicht aufnehmen, je mehr er in sich hineinpumpte. Schweiß trat aus, die Muskulatur verkrampfte. Zum Zerreißen gespannte Muskeln, obwohl er sich nicht rührte, hinderte ihn am Bewegen und gleichzeitig viel er vornüber und konnte sich grade so noch mit den Händen auffangen. Immer schwerer wurde der Druck in seinem Inneren, brachte ihn um den Verstand.
Zorn. Woher kam dieser augenblickliche Zorn? Wie ein brodelnder Vulkan spie aus seinem Inneren immer mehr Macht und Grausamkeit empor, je mehr er atmete. Je mehr Amron versuchte, alles niederzuhalten, desto eher brachen seine mentalen Dämme und drohten ihn, unter der Flut von Hass, Abneigung und Feindseligkeit, zu begraben.
„Hey!“, zischte eine helle Stimme und rüttelte an der stahlharten Schulter. Sofort richtete sich die Augen auf Buck, welcher zusammenzuckte, aber nicht zurückwich. Die Hand berührte immer noch den Krieger, als dieser ihn mit einem wilden Schrei anfauchte und in Windeseile verkrallte sich die verformten Hände des Kriegers in den Anzugkragen. Mehrmals klopfte der Kopf des Dämons an die Fensterscheibe, die durch jeden Aufprall mit solcher Kraft zu splittern drohte. Erst nach Sekunden bemerkte Amron selbst, was er eigentlich tat und wollte bereits ablassen, doch etwas hinderte ihn.
„Beruhige dich, Großer!“, flüsterte der Schelm. „Ich sagte ja, unfreiwillig und ungewollt.“
Ein Grinsen entstand, doch diese Geste kam nicht an die Augen ran. Amrons Griff verstärkte sich.
„Und ich sage, macht es rückgängig!“
„Wie soll das gehen? Ich bin kein Magier!“
„Glaubt Ihr wirklich, ein Dämon wie Ihr, der sich von jetzt auf nachher wieder selbst das Laufen beibringt, will mir weißmachen, dass er nicht mächtig genug dazu ist?“ Amron zog weiter an dem Kleidungsstück, das fast zu reisen drohte, so sehr zog der Krieger daran. „Denkt Ihr wirklich, ich bin so beschränkt?“ Ein weiterer Aufprall auf das Glas, zusammen mit dem Zorn und der Macht Amrons, die er nicht zu unterdrücken vermochte und widerstandlos entfachte, und es zersplitterte in tausend Einzelteile. Zur Überraschung Amrons zog Buck an dessen Ärmel und beide fielen damit gemeinsam in den Abgrund.
Der reisende Strom an Wind, den beiden entgegenschlug mit der plötzlichen Kälte und der Tatsache, dass den Boden nahezu verbissen nach dem Tod beider lechzte, schüttelte Amron den Kopf. Was war nur los? Ohne wirklich nachzudenken, ließ er den Anzugträger los, wich von ihm zurück und krallte seine eigene Klaue in den Oberarm. Schmerz durchfuhr ihn, doch der aus ihm entstandene Zorn verrauscht akut. Der Fallwind zog an den Klamotten und Haaren, der Wind pfiff in den Ohren und Amron wurde das Ausmaß seiner Wut mit einem Mal deutlich. Das Gebäude müsste tausend fuß hoch sein, während die Häuser der Stadt immer näherkamen, wie die Menschen und der Boden. Fluchend wollte er ein Machtwort sprechen und beide vor dem Aufprall retten, als er einen kurzen Blick zu Buck suchte. Dieser grinste weiterhin, riss Amron damit vollends aus seinem Gefühl und Gedankenwelt.
Keine zwei Sekunden, keine zwanzig Fuß, dann würde er sterben.
„Nope, heute nicht, mein Freund!“, schrie Buck ihm entgegen, der mit allen Vieren ausgestreckt auf den Aufprall zu warten schien. Wie ein Todessuchender grinste er ihn an, versuchte wohl zu nicken und griff Amron an der Schulter. Als der Dämon ihn packte, etwas zischte und beide wieder auf dem fellbedeckten Boden landeten, keuchte Amron erschrocken auf. Es dauerte einige Atemzüge, bis der Krieger verstand, was passiert war.
„Ich würde dir danken, wenn du in Zukunft mein Gebäude nicht demolierst, mich weder hinauswirfst und noch angreifst und künftig deinen Zorn bei dir behältst.“ Mit den Händen wieder in der Anzughosen versteckt, stand Buck lässig da und starrte den Krieger nieder. Dieser richtete den Blick auf das kaputte Glas. Splitter lagen verstreut auf den Boden und ein starker Luftzug sorgte für Gerüche, die Amron nicht im Ansatz definieren konnte. Ein stechender kam hinzu, ließ ihn husten. Mit zittrigen Beinen stand er auf, klopfte die Einzelteile des Fensters von den Schultern und sah den Dämon währenddessen kritisch an.
Buck schnippte indes zwei Mal, dann formte sich aus dem Luftzug eine stählerne unsichtbare Wand zwischen ihnen und dem Abgrund. Wäre der Schaden an dem Fenster nicht, würde sich der Raum nun wie zuvor anfühlen. Doch Amron kam schwerlich nur auf die Beine, hielt sich wacker und schüttelte den Kopf. Eine Zeit lang drehte sich alles, sein Magen hob sich und senkte sich wieder.
Er rief sich in Erinnerung, dass in jedem Zimmer ein Bad vorhanden sein musste. Schnell wie der Blitz rannte er durch eine halbgeöffnete Tür und übergab sich ins nächstbeste Behältnis.
Ein trockenes Lachen erklang, als Buck sich näherte und Amron dabei zusah, wie dieser seinen Eingeweiden herausbrach.
„Wenn du fertig bist mit jammern, dann steh auf und komm mit. Ich habe dir was zu zeigen.“