Aiden drückte Jos Hand, denn er spürte deutlich, wie nervös sie war. Und er musste zugeben, dass es ihm nicht anders ging. Nach außen ließ er sich zwar nichts anmerken, aber innerlich tobte die Aufregung in ihm. Seine Nervenenden vibrierten förmlich, denn er wusste, dass ihr Ziel zum Greifen nah war. Geduld war noch nie Aidens Stärke gewesen, aber genau die war jetzt gefragt. Er würde mit Jo in der Rolle der Frosts ausharren müssen, bis sie sicher sein konnten, dass ein Zugriff von Erfolg gekrönt sein würde.
„Meine sehr verehrten Damen und Herren“, meldete sich eine weibliche Stimme über einen Lautsprecher an der Decke zu Wort, der Aiden bereits beim Betreten des Separees aufgefallen war. „Ich möchte Sie herzlich begrüßen und hoffe, dass Sie die heutige Auktion genießen werden.“
Das Licht hinter der Fensterfront wurde eingeschaltet und gab den Blick auf eine runde, völlig schlichte Bühne frei, welche zu allen Seiten von großen Spiegeln umsäumt war. Hinter ebendiesen saßen mit ziemlicher Sicherheit die anderen Kaufinteressenten, vermutete Aiden, während er sich bemühte, seine Miene neutral zu halten.
Jo rutschte auf ihrem Platz nervös hin und her, sodass Aiden ihr einen kurzen Blick zuwarf. Tatsächlich wirkte ihre gesamte Haltung angespannt.
„Liebling“, wandte Aiden sich an sie. „Ich bin sicher, wir werden heute Abend fündig.“ Er legte einen Arm um ihre Schulter und zog sie zu sich heran. Tatsächlich kam Jo seiner Einladung sofort nach und als sie ihren Kopf an ihn lehnte, seufzte sie leise auf. „Das hoffe ich“, murmelte sie und er konnte ihr nur zustimmen.
„Wie immer bieten wir Ihnen erstklassige Ware“, fuhr die Stimme über die Lautsprecher fort und als jetzt Amanda Smith die Bühne betrat, erkannte Aiden, dass sie es war, die zu ihnen sprach. Ihre Finger hielten ein Mikrofon umschlossen, während sie die zahlreichen Spiegel anstrahlte. „Die einzelnen Objekte werden Ihnen wie gewohnt vorgeführt und ich nenne Ihnen das Startgebot. Im Anschluss beginnen wir direkt mit der Versteigerung. Den Zuschlag erhalten Sie beim Halten des Höchstgebotes, wenn ich die Nummer auf ihrem Auktionsgerät verkünde.“
Aiden griff nach der kleinen Fernbedienung, deren Funktionsweise der Typ namens John ihnen zuvor erklärt hatte. Tatsächlich prangte auf ebendieser die Zahl 19.
„Ich möchte Sie nun auch nicht länger auf die Folter spannen“, fuhr Amanda gerade fort. „Auf einen wundervollen Abend und hier ist das erste Objekt.“
Aiden starrte gebannt auf die Bühne, auf der Amanda an die Seite trat, als zwei große Kerle mit kahlgeschorenen Köpfen erschienen. Sie flankierten eine schmächtige Gestalt, die in einen roten Bademantel gehüllt war. Die beiden bulligen Männer hielten sie zu beiden Seiten an den Armen und führten sie so in die Mitte der Bühne. Dort ließen sie sie los, einer zog ihr die Kapuze vom Kopf und ließ so erkennen, dass es sich bei der Gestalt um eine junge, blonde Frau handelte.
„Das Startgebot für unser erstes Objekt liegt bei 25.000 Dollar“, verkündete Amanda und gleich darauf sah Aiden, wie die junge Frau mit zittrigen Fingern den Gürtel des Bademantels löste. Sie sah kurz zu ihren beiden Begleitern, ehe sie verängstigt zu Boden blickte und das Kleidungsstück auszog.
Einer der Kerle nahm es ihr ab, sodass sie nun völlig nackt auf der Bühne stand.
Jo sog hörbar die Luft ein und Aiden spürte, wie sie sich versteifte. Auch er musste die Zähne zusammenbeißen, als er sah, wie die junge Frau versuchte, mit den Armen ihre Blöße zu bedecken. Es war klar zu erkennen, wie unwohl sie sich fühlte und Aiden spürte die Wut in sich aufsteigen.
„Ah, ich sehe das erste Gebot“, erklang Amandas freudige Stimme in dem Augenblick. „Wer bietet 26.000 Dollar?“
„Biete“, zischte Jo und ihre Finger bohrten sich in Aidens Unterarm. Rasch drückte er auf den grünen Knopf und sofort erklang Amandas Stimme. „Wunderbar. Höre ich 27.000?“
Jo kaute nervös auf der Unterlippe herum, während die nächste Auktion lief. Nachdem Aiden die junge Frau ganz zu Beginn für eine immense Summe ersteigert hatte, war sie fortgeführt worden. An ihrer Stelle war ihnen ein junger Mann präsentiert worden, der versucht hatte, sich gegen den festen Griff der beiden Muskelpakete zu wehren. Doch seine Anstrengung war erfolglos geblieben und so hatten sie ihn die ganze Zeit über festgehalten und ihn schließlich ebenfalls nackt dem Publikum präsentiert. Jos erster Impuls war gewesen, auch auf ihn zu bieten. Allerdings hatte Aiden ihr einen warnenden Blick zugeworfen und sie hatte verstanden. Sie würden sich verdächtig machen, wenn sie haltlos versuchten, jedes der Opfer zu ersteigern und auch wenn Jo den dringenden Wunsch verspürte, sie auf der Stelle alle zu befreien, so war es doch wichtig, dass sie sich im Augenblick noch etwas zurückhielt. Und so saß sie stumm an Aidens Seite, während der Mann und nach ihm noch fünf weitere Frauen und drei Männer angeboten worden waren. Zwei von ihnen hatten von den Käufern allerdings kein Gebot erhalten und waren so nach kürzester Zeit wieder fortgebracht worden. Jo hoffte, sie würden sie später gemeinsam mit den anderen befreien können, denn sie wollte sich beim besten Willen nicht vorstellen, was andernfalls mit ihnen geschehen würde.
Gerade erhielt Nummer 11 den Zuschlag für den schlanken Mann, der völlig verängstigt aussah, als er fortgebracht wurde. Himmel, Jo konnte sich nicht einmal ausmalen, wie er sich fühlen musste.
Halte durch, rief sie ihm im Geiste zu. Wir holen euch hier raus!
„Das war unser letztes Objekt für den heutigen Abend“, schloss Amanda die Auktion und präsentierte strahlend weiße Zähne, die Jo ihr am liebsten auf der Stelle eingeschlagen hätte.
„Ich möchte Ihnen zu Ihren Käufen gratulieren und hoffe, dass ich Sie bald bei unserer nächsten Auktion wieder begrüßen darf“, verkündete da eine männliche Stimme und Jo entdeckte einen schlanken Mann, der einen maßgeschneiderten Anzug trug. Er betrat soeben die Bühne und die Art, wie Amanda demütig das Feld räumte, ließ keinen Zweifel daran, dass er hier der Boss war.
„Wie Sie sehen konnten, garantieren wir Ihnen beste, völlig unversehrte Ware“, fuhr der Mann großspurig fort. „Ich bin sicher, Sie werden Ihre Freude mit Ihren neusten Investitionen haben.“
Jo wurde übel, als sie hörte, wie er über die Menschen sprach, die er hier gerade verkauft hatte, als seien sie weniger Wert als Zirkustiere.
„Und jetzt möchte ich mich von Ihnen verabschieden. Ich wünsche Ihnen einen wundervollen Abend.“ Der Mann winkte kurz in die Runde, eher er auf dem Absatz kehrt machte und im Dunkeln verschwand. Jos Augen huschten kurz zu Aiden, der kaum merklich nickte. „Weißt du, Liebste?“, sagte er und beugte sich zu ihr herüber. Seine Lippen strichen in einem sanften Kuss über ihre Lippen, als er sich nah an ihr Ohr bewegte. „Ich denke, wir sollten uns nachher einen warmen Pfefferminztee auf unser Zimmer bestellen“, säuselte er und Jos Körper durchfuhr ein aufgeregtes Prickeln. Pfefferminztee war das Codewort, was den Zugriff auslöste und genau das hatte Aiden in dem Moment getan. Denn an Jos schlichtem Perlenohrring war die winzige Wanze angebracht, über die Taye jedes ihrer Worte hatte mitverfolgen können.
„Das klingt wunderbar“, gab Jo leise zurück, als in dem Moment das Separee geöffnet wurde und John eintrat.
„Mr. und Mrs. Frost“, sagte er. „Sie haben Objekt 1 ersteigert. Wo möchten Sie...“ Weiter kam er nicht, denn Aiden war in vampirischer Geschwindigkeit aufgesprungen. Jo sah gerade noch, wie er seine Hände um den Hals des völlig überraschten Johns legte, ehe sie das unmissverständliche Knacken seines Genicks hörte. Keine Sekunde später, sackte der Mann in Aidens Armen zusammen und Aiden legte seinen Leichnam auf dem Boden ab.