Behutsam schob er die Gardinen ein Stück zur Seite. Halb verborgen vom Stoff, lugte er aus dem Küchenfenster hinaus auf die Straße. Dort draußen stand sie. Sie und zwei weitere junge Frauen im Alter von etwa sechzehn, siebzehn Jahren. Im Licht der schummerigen Straßenlaterne standen sie an der Bushaltestelle und schwatzten. Zwei der Mädchen waren groß und hatten langes dunkles Haar. Beide durchaus hübsch. Doch er hatte nur Augen für die kleine Blonde. Hell-blondes Haar fiel ihr sanft über die schmalen Schultern. Im Licht der Laterne schimmerte es wie Samt. Wie es wohl wäre, ihr Haar zu berühren? Und sanft über die weichen Strähnen zu streichen? Er atmete schwer aus. In seiner Hose hat sich bereits eine beträchtliche Beule gebildet. Das blonde Mädchen drehte sich zur Seite. Sie hatte ein fein geschnittenes Gesicht mit einer zierlichen Nase und ihre Haut hatte einen hellen, fast porzellanartigen Teint. Ihre Augen, die er jetzt von der Seite nicht sehen konnte, aber die sich ihm als Erinnerung fest eingebrannt hatten – waren von einem klaren hellen Blau und glichen einem wolkenlosen Sommerhimmel. Wenn sie lachte, öffnete sich ihr Mund mit den vollen geschwungenen Lippen und entblößte eine Reihe kleiner perlweißer Zähne. Immer dann ging ihm das Herz auf.
Aus seinen früheren Beobachtungen – und das waren zahlreiche – wusste er, dass sie über ganz verschiedene Arten des Lachens und Lächelns verfügte. Das Lachen, das er am meisten schätzte, war das 'befreite Lachen'. Dann riss sie ihre groß kindlichen Augen weit auf, Mundwinkel und Wangen bebten einen Augenblick, dann prustete sie los und explodierte in einem hellen reinen Lachen, einer wahren Symphonie der Heiterkeit. Am zweitmeisten mochte er ihr zurückhaltendes, ja dezentes Lachen. Erst tat sie so, als würde sie nicht lachen wollen. Sie bemühte sich krampfhaft, ernst zu bleiben. Doch dann zitterten ihre Mundwinkel und zogen sich schließlich nach oben zu einem weiten Grinsen. Zudem zog sie ihre kleine Stupsnase kraus.
Er atmete schwer aus. Seine Hose war kurz vorm Bersten. Eine wahre Traumfrau – ja, das war sie. Und leider – leider für ihn völlig unerreichbar. Heute war sie besonders sexy gekleidet. Sie trug einen äußerst knappen schwarzen Rock und ein rotes Top, unter dem sich ihre kleinen wohlgeformten Brüste deutlich abbildeten. Ihre Lippen und Fingernägel waren bordeauxrot geschminkt. Auch die beiden Freundinnen hatten sich aufwendig zurechtgemacht. Die Größte trug eine schwarze Lederjacke über einem weißen Top, das ihre beträchtliche Oberweite gekonnt in Szene setzte. Sie stand in der Mitte ihrer beiden Freundinnen und gestikulierte wild mit den Händen. Die andere Brünette trug ein raffiniertes Top mit silberfarbenen Pailletten, die jetzt im Licht der Straßenlaterne glitzerten und einen kurzen weißen Rock sowie hohe weiße Stiefel, die ihre langen Beine effektvoll betonten. Trotzdem – keine der beiden hielt den Vergleich zu ihr stand.
Er vermutete, dass die drei Mädchen zu einem der Clubs in der Innenstadt fahren würden. In dieser öden Kleinstadt gab es tatsächlich mehrere davon. Er hielt nicht viel von Clubs. Sie waren ihm zu laut und zu grell. Er mochte die Dunkelheit. Auch am Tanzen hatte er keinerlei Interesse. Aber die drei? Sicherlich. So wie sich die Mädchen aufgebrezelt hatten, würden sie sich in ihren sexy Outfits so schnell wie möglich auf die Tanzfläche begeben. Unter den lechzenden Augen der Männerwelt würden sie den ganzen Abend bis Mitternacht durchtanzen. Um Mitternacht würde allerdings Schluss sein, denn um zwölf mussten sie nach Hause. Jugendschutz. Gegen ein Uhr würden die drei dann wohl zurück sein. Er würde dann aber nicht wie jetzt hier am Fenster stehen, um jede ihrer Bewegungen verfolgen zu können. Nein, er würde noch unterwegs sein. Er hatte noch viel zu tun. Carpte noctem - Nutze die Nacht war sein Credo. Die Nacht und die Dunkelheit hatte ihren eigenen ganz besonderen Reiz.
Wenige Minuten später kam der Bus. Die drei Mädchen stiefelten die Treppe hoch und verschwanden im Businneren. „Eine gute Nacht, wünsche ich euch", flüsterte er, "und ganz besonders dir“. Er warf einen letzten sehnsüchtigen Blick auf das blonde Mädchen. Als der Bus abfuhr, schob er die Vorhänge zu. Dann warf er einen Blick auf sein Handy. So spät? Es war Zeit, sich auf die Nacht vorzubereiten. Heute würde er wieder lange unterwegs sein.