„Ahhh“,
seufzte Danik, der breitbeinig vor der Mauer des alten Fabrikgebäudes stand. Ein warmer Strahl ergoss sich auf den Asphalt vor ihm. Ein Luftzug in seinem Rücken. Was war da was? War da jemand? Abrupt wandte er seinen Kopf über die linke Schulter. Nichts zu sehen. Dann drehte er seinen Kopf schnell über die rechte Schulter. Auch nichts. Seltsam. Er schüttelte den Kopf und machte seine Hose zu. Dann ging er entspannten Schrittes zur Stelle an der er Blanca zurückgelassen hatte. Doch da war sie nicht. Blanca war verschwunden.
„Blanca?“, rief Danik laut,
„Blanca, wo bist du?“
Er hatte doch auf sie aufpassen wollen. Er hatte es ihr versprochen. Und geschworen hatte er es ihr auch – und das sogar noch bevor sie einander kennengelernt hatten und bevor er ihren Namen kannte. Blanca. Blanca, wo bist du nur? Panik stieg in Danik auf. War sie ihm vielleicht gefolgt, weil sie sich doch allein ihm Dunkeln fürchtet hatte? Oder – hatte sie auch gemusst? War sie irgendwo hier im Dunkeln ihre Blase entleeren? Ganz ohne seinen Schutz? Vielleicht... vielleicht ware sie bei einem der Ziegelgebäude. Er musste sie suchen. Er musste sie finden! Danik hastete wieder zu der Stelle zurück, wo er sich erleichtert hatte. Dann schritt er im Dunkeln, ihren Namen laut rufend, die Gebäude der alten Fabrik ab.
Ein Geräusch. Ein Lufthauch in seinem Rücken. War da was? War da wer? Er war gerade im Begriff sich umdrehen, als plötzlich etwas weiches Schwarzes über sein Gesicht gestülpt wurde. Plötzlich sah er nichts mehr.
„Hey! Was... was soll das?“
Das musste eine Sturmhaube sein. Sie muste ihm verkehrt herum, mit den Augenlöchern und der Mundöffnung nach hinten, aufgezogen worden sein.
„Hey!“, rief er, „Hey, das ist gar nicht lustig!“
Plötzlich spürte er einen heftigen Stoß gegen seine Beine. Kurz ruderte er mit den Armen, dann verlor sein Gleichgewicht und stürzte. Er erwartete einen heftigen Aufprall auf den steinharten Aspahlt. Doch der kam nicht. Eine Hand hatte ihn am Arm gepackt und ließ ihn sanft zu Boden gleiten. Als er mit dem Rücken auf dem Boden lag, spürte er plötzlich wie jemand auf ihn kroch.
„Hey, hey… was soll das? Wer bist du?“
Er wollte gerade die Mütze von seinem Gesicht runter ziehen, als zwei Hände seinen beiden Handgelenke ergriffen und sie fest hielten. Sie mussten klein sein, denn umfingen noch nicht mal seine Handgelenke. Panisch versuchte er seine Hände zu befreien. Doch die fremden Hände hielte seine fest wie Schraubstöcke.
„Hey! Hey, lass mich los!“
Plötzlich wurden seine Arme mit großer Kraft Richtung Boden zurückgebogen, bis sie fest auf dem harten Asphalt lagen. Plötzlich spürte er einen warmen Atem an seinen Hals. Weiche Lippen fuhren tastend über seinen Hals.
„Hey… darauf... darauf stehe ich gar nicht.“
Plötzlich spürte er einen stechenden Schmerz im Hals.
„Aua! Scheiße, scheiße. Was machst du denn da?“
Dann hörte er schlürfende und saugende Geräusche. Sein Hals wurde auf einmal ganz feucht und klebrig. Verzweifelt strampelte er mit den Füßen und rüttelte seine Arme. Doch es war zwecklos, der Griff war zu fest. Langsam spürte er, wie all die Kraft aus ihm strömte. Er fühlte sich plötzlich ganz schwach und erschöpft. Seine Augenlider flackern. Dann wurde alles dunkel.
„Mmmm“, seufzte Blanca. Genüsslich fuhr sie sich mit der Zunge über ihre Blut benetzten Lippen. Das hatte gut getan! Sie schloss die Augen für einen Augenblick. Das frisches Blut war so belebend. Sie fühlte sich wie neu geboren. Voller Kraft, voller Energie. Diese Wirkung hatte nur frisches, reines Blut. Blut, dass nicht verseucht war von Alkohol, Drogenrückständen oder sonstigen verunreinigenden Substanzen. Reines Blut war gar nicht so leicht zu finden. Jedenfalls nicht in dieser Stadt. Und nicht um diese Zeit. Sie seufzte. Da konnte sie oft gar nicht so wählerisch sein. Aber es gab noch andere Gründe, vornehmlich bei betrunkenen oder berauschte Menschen zu trinken. Nicht so sehr, weil sie sich weniger wehrten, sondern viel mehr, weil sie sich später nicht mehr richtig an sie erinnerten. Und das war ihr wichtig. Sie hatte keine Lust von der Polizei gefasst zu werden und ihr Leben Hinter Gittern zu verbringen. Blanca seufzte. Dann wischte sie sich mit einem Tuch sorgsam Mund und Gesicht sauber. Dann kramte sie kurz in ihrer Handtasche. Sie zog eine Packung Pflaster heraus.
„Hmmm… bist du ein Elefanten- oder ein Löwentyp?“,
murmelte sie und ging suchend durch die Packung.
„Ah, nein… ich weiß es!“
Sie nahm ein Pflaster, entfernte den Klebestreifen und klebte ihm es auf die Bissstelle. An seinen langen Hals klebte nun eine kleine niedliche Giraffe. Behutsam drückte Blanca das Kinderpflaster fest und strich nochmal sanft drüber.
„So mein Lieber, die Blutung ist gestoppt. In ein paar Stündchen solltest du wieder aufwachen. Ich danke dir sehr – für deine Spende. Das... das soll auch nicht ganz umsonst gewesen sein.“
Sie beugte sich über ihn und drehte seinen Körper auf die Seite. Aus der rechten Hintertasche seiner Hose zog sie eine Geldbörse hervor. Sie schaute kurz hinein. Ein Zwanziger und ein Zehner. Nicht schlecht. Mehr als ich gerade habe, dachte Blanca. Dann zog sie ihre eigene Geldbörse hervor, öffnete sie und nahm einen Fünf-Euro-Schein raus. Behutsam steckte sie ihn zu den beiden anderen Geldscheinen und steckte die Börse schließlich zurück in seine Hose.
„Ich weiß, ich weiß. Das ist nicht viel. Für mich aber schon. Weißt du, soviel Taschengeld kriege ich nämlich nicht.“
Sie blickte in ihre leere Geldbörse und seufzte.
„So ein Mist! Jetzt habe ich heute Nacht schon fünfzehn Euro verbraten.“
Vielleicht sollte sie sich wie Meli auch einen Nebenjob suchen? So würde ihr Taschengeld jedenfalls nie und nimmer reichen. Dann betrachtete sie den ausgestreckten Körper.
„Hmm... liegst du bequem? ... "Nein? Okay... dann schauen wir mal...“
Behtusam zog sie seinen Körper in die stabile Seitenlage.
„So… das müsste gehen... Passt das so?... Ja? ... Sehr gut.“
Dann zog Blanca ihm die Sturmmaske vom Kopf, faltete sie und verstaute sie in ihrer Handtasche. Schließlich stand sie auf. Ihre Augen wanderte noch einmal über seinen Körper.