Danik und Blanca gingen weiter nebeneinander die Straße entlang. Irgendwann blieb Danik plötzlich stehen. Er sah Blanca unverwandt an.
„Sag mal: Ist was?“, frage er.
„Nein... wieso?“
„Du schaust mich so komisch an.“
„Tue ich das?“
„Ja… du schaust immer zu... auf meinen Hals.“
„Ich? Nein.“
„Doch.“
„Nein, wirklich nicht.“
„Doch, doch. Das bilde ich mir nicht ein.“
„Okay… na gut. Du… hast da etwas… etwas Dreck am Hals.“
„Was? Wo?“
„Äh…seitlich… .“
Er rieb sich am Hals.
„Ist es weg?“
„Ja.“
„Sicher?“
„Ja.“
„Schau nochmal genau hin.“
„Ja, ich schwöre.“
„Du schaust ja gar nicht hin.“
„Doch.“
„So, jetzt schau doch noch mal genau“, sagte Danik und reckte Blanca seinen Hals ganz entgegen.
Sie erstarrte. Ihre Hände fingen an zu zittern. Dann krallte sie ihre Nägel in seine Schulter gruben.
"Aua", schrie Janik auf.
Sie ließ wieder von ihm und schaute abrupt weg.
„Geht’s... geht’s dir nicht gut?“, fragte Danik besorgt.
„Doch… doch… ist nur der Alkohol… und die Drogne... lass... lauss uns weitergehen“, sagte sie schweratmend.
„Okay. Okay“, sagte er und warf ihr einen besorgten Blick zu.
Sie gingen eine ganze Weile schweigend nebeneinander her. Sie schaute gerade aus, vermied jeglichen Blickkontakt. Hab ich ihr was getan, fragte er sich. Dann – ganz plötzlich fragte sie:
„Sag mal, ich war auf heute Nacht auf einer Party. Und du? Warum bist du eigentlich noch um diese Zeit unterwegs? Du siehst mir nicht gerade nach Party aus.“
Sie warf einen kritischen Blick auf seine beschmutzten Klamotten: ein dunkler Hoodie, eine dunkle Schlabberhose und dunkle Sneakers – alles mit Flecken in verschiedenen Farben. Außerdem hing ihm ein gut scheinbar reichlich gefüllter olivegrüner Rucksack lässig über der Schulter. Danik blickte sie an.
"Ich… ich war sprayen."
"Sprayen?"
"Ja, Grafitti und so."
"Ach, das ist ja interessant. Alleine?"
"Nein, mit zwei Kumpels."
"Und was sprayt ihr so?"
"Oh, alles mögliche."
"Was zum Beispiel?"
"Äh... Figuren... Gesichter."
"Aha. Sag mal, kennst du viele Sprayer?"
"Ja, ich denke schon..."
"Kennst du einen der Engel sprayt?"
"Äh... ja."
"Und?"
"Nun ja… das bin dann wohl ich."
"Was? Du warst das? Auch das Grafitti in der Nähe vom Bahnhof."
„Grafitto.“
„Graffito?“
„Ja, du hast Graffiti gesagt. Der Singular ist Graffito.“
„Ach so. Okay… aber nicht ablenken…. Ist das am Bahnhof von dir?“
"Ja."
"Das sieht mir sehr sehr ähnlich."
"Nun… äh…“, stammelt er,
„du warst auch die… Inspiration."
"Okaaay… Woher weiß du denn wie ich aussehe?"
"Wir... ich… ich habe dich schon mal gesehen..."
"Ja? Wo???"
"Wir… wir gehen in dieselbe Schule. Ich bin in der Parallelklasse."
"Ach, tatsächlich? Du bist mir noch nie... Ich hab dich noch nie gesehen."
"Na ja, der Jahrgang ist groß. Es sind ja auch viele."
"Und... wie kommst du da auf mein Gesicht?"
"Nun... du bist mir aufgefallen. Und ich zeichne gern... Und da habe ich eine Skizze von dir gemacht..."
"Okaaaay... das klingt jetzt schon etwas creepy…"
"Ich… äh… sorry… tut mir leid."
"Also eigentlich... da müsstet du mich schon um Erlaubnis fragen."
"Hmmm... ja... sorry."
"Und erst recht, wenn du mein Gesicht hier auf irgendwelche Wände in der ganzen Stadt sprühst."
„Es ist... wirklich nur eins…“
„Trotzdem, das geht gar nicht!“
"Hmm... sorry... tut mir leid, ich…"
"Du hättest mich fragen müssen. Wie fändest du es denn, wenn ich dein Gesicht in der Stadt auf Wände malen würde."
"Ich.... ich..."
"Nun?"
"Ich glaube... ja, ich würde das auch nicht wollen."
"Da! Da siehst du es“
„Sorry, echt, ich weiß nicht, was ich sagen soll...“
„Gut", seufzte sie, "geschehen ist geschehen. Aber ich hätte da jetzt eine Bitte."
"Ja? Alles was du willst."
"Gut. Ich möchte, dass du mein Gesicht von Mauer so schnell wie möglich entfernst oder so änderst, dass ich nicht mehr erkannbar bin. Am Besten sofort! ...Sind deine Kumpels noch unterwegs?"
"Hmmm... ich denke schon... ist ja noch früh."
"Kannst du ihnen eine Nachricht schreiben?"
"Ja, klar."
"Dann schreib ihnen. Sie sollen das Gesicht übersprayen. Sofort! Kannst ja noch schreiben, dass du die Tage darauf ein neues Gesicht reinmalst.
"Okaaay..."
"Am besten jetzt!"
"O-o-kay."
Er zog sein Handy raus, tippte kurz auf die Tasten und versendete zwei Nachrichten.
Kurz darauf kam ein: "?"
Er schrieb: "!".
Dann kam ein: "??"
Er schrieb: "!!!"
Dann kam ein: "!!!"
Sie sah ihn fragend an.
"Und?"
"Erledigt."
"Sicher?"
"Ja."
"Danke."
"Äh... bitte. Und sorry nochmal. Ich weiß nicht, wie ich des gut machen kann..."
"Na, das machst du ja schon ein wenig beziehungsweise. Aber das reicht noch nicht."
"Nein?"
"Nein."
"Auf was muss ich mich denn noch einstellen?"'
"Das wirst du schon noch früh genug erfahren", sagte sie schenkte ihm das wohl bekannte geheimnisvolle Lächeln.
Als sie weiter gingen hörten sie Lärm. Ein großes Motorrad knatterte an ihnen vorbei und kam kurz darauf an einem Haus vor ihnen zu stehen. Vor dem Haus parkten eine weitere Reihe Motorräder. Am Haus hing ein leuchtendes Schild in den in schwarzen Buchstaben 'Dead Man's Eye' stand. Danik wußte, dass dort eine bekannte Bikerkneipe war. Als er am Haus vorbei gehen wollte, stieg der Motorradfahrer, eine Hühne, gerade von seinem Bike und trat auf hin zu. Er fast zwei Meter groß, komplett in schwarzes Leder gekleidet. Er hatte langes schwarzes Haar, dass ihm über die Schultern hing. Er versperrte Danik den Weg. Seine dunklen Augen schauten auf ihn herab.
"Na Bürschen, wo soll's denn hingehen?"
"Ich... äh... nach Hause?"
"Ach ja?... Geht die Party zu Hause weiter?"
"Ich äh... nein... für heute ist Schluß."
"Hmm, ja, richtig, Bettzeit, Kleiner..."
Sein Blick fiel auf Blanca, die sich schwankend auf Daniks Schulter stützte. Die Haare fielen ihr ins Gesicht.
"Na, na... Ja, wen hast du denn da noch an deiner Seite? Ist das etwas deine Freundin? Na, die hast du aber ordentlich abgefüllt. Geht die Party also doch noch bei dir zu Hause weiter? Na, dann zeig mir doch mal ihr süßes Gesicht", sagte der Biker und trat näher heran. Plötzlich – ganz ohne Vorwarnung – fuhr seine Pranke in Richtung Blancas Gesicht und wischte den Vorhang blonden Haares aus ihrem Gesicht.