Danik sah Blanca an. Er hatte Fragen, viele Fragen. Wo sollte er anfangen?
„Was war denn mit diesem Markku? Hast du seine langen spitzen Zähne gesehen? Echt gruselig. Der war doch ein Monster!“
Blanca blinzelte. Sie biss sich auf die Lippe. Er erkannte ein leichtes Schmollen. Aus irgendeinem Grund wirkte sie verletzt.
„Hab… hab ich was Falsches gesagt?“, sagte er und sah sie besorgt an.
Sie zog ihre Lippen zu einem leichten Lächeln. Es sah etwas gezwungen aus, fand er.
„Nein, alles gut. Ja, du hast Recht, er sah wie ein Monster
aus.“
„Und… er hat Meli gebissen. Und… er hat ihr Blut getrunken. Wie kann das sein?“
Blanca zog die Stirn in Falten. Dann sah sie Danik an.
„Ich glaube, er war ein Unsterblicher.“
„Ein Unsterblicher?“
„Ja. Unsterbliche trinken das Blut von Menschen.“
„Du meinst Vampire? So wie Dracula?“
„Ja. Aber diese Bezeichnung mögen wi… sie nicht gern.“
„Nein? Warum nicht?“
„Weil das Wort ‚Vampyr‘ und ähnliche Ursprungswörter Bedeutungen wie ‚geflügeltes Wesen‘, ‚Zahn‘, ‚trinken‘ und so weiter haben. Hast du an Markku irgendwelche Flügel gesehen?“
„Nein… gar nicht. Woher …. woher weißt du denn so viel darüber?“
„Ich… ich habe früher als kleine Mädchen gern Vampirgeschichten gelesen.“
„Ja, aber das waren nur Geschichten, die sich ein Mensch mit sehr viel Phantasie ausgedacht hat.“
„Ja, schon klar. Aber Geschichten oder Legenden haben oft einen wahren Kern. Für dich war es real, für mich war es real.“
„Es gibt sie also – wirklich?
„Allem Anschein nach – ja.“
„Puh… das muss ich erst mal verkraften.“
Eine Weile gingen sie schweigend neben einander her.
„Und wer ist ‚er‘?“, fragte Danik plötzlich.
„Er?“
„Ja, Markku hat jemanden erwähnt, jemanden vor dem er großen Respekt hatte. So groß, dass du sicher vor ihm bist. Er nannte ihn nur „er“.
„Ach so. Ja, mein Erzeuger.“
„Dein Erzeuger?“
„Ja, mein… äh… Stiefvater… wir verstehen uns nicht besonders gut. Aber er ist ein hohes Tier.“
„Er muss ja ein sehr hohes Tier sein. Ist er prominent?“
„In gewissen Kreisen: ja. Mit diesen gewissen Kreisen möchte ich aber nichts zu tun haben.“
„Verstehe.“
Sie gingen weiter an einigen Häusern vorbei.
„Und woher kannst du so gut kämpfen?“
„Gut?“
„Na, ja… ich fand das echt beeindruckend.“
„Ach so, ich habe für einige Zeit eine Kampfkunst betrieben.“
„Was denn... Karate?“
„Nein, Taekwondo. Das kommt aus Korea. Ist bekannt für seine Tritttechniken.“
„Ach so. Vielleicht sollte ich auch mal Unterricht nehmen.“
„Ich fand dein Sprayer-Do aber auch sehr beeindruckend.“
„Sprayer-Do?“
„Ja, viele Kampfküste haben die Silbe „do“ am Ende. Das steht für ‚Weg‘. Deshalb ‚Sprayer-Do“ – die Kampfkunst eines Sprayers.“
„Ach so, ach so“, lachte Danik.
Blanca stimmte mit ein. Ihr Lachen war wunderschön. Das Herz ging ihm auf.
„Sag mal, Blanca, muss ich mir Sorgen machen, wegen diesem Markku-Typen? Das klang schon ziemlich böse, was er so gesagt hat.“
„Ach, ich glaube, da musst du dir keine Sorgen machen. Ich glaube, der Typ war nur sehr wütend in diesem Moment. Er weiß ja nicht mal deinen Namen, geschweige denn, wo du wohnst. Und ich vermute, er kam auch gar nicht von hier, hatte einen skandinavischen Akzent. Ich denke, er war wohl nur zu Besuch da.“
"Verstehe", sagte Danik und nickte. Dann gingen die beiden schweigend weiter. Nach einiger Zeit, kam in der Straße an, in der sie wohnten. Sie passierten die Bushaltestelle, vor der Danik Blanca noch wenige Stunden zuvor mit ihren Freundinnen beobachtet hatte. Von dort waren es nur ein paar Meter bis zu ihren Häusern.
„So“, sagte Blanca, „da wären wir.“
„Ja.“
„Also… ich müsste dann da lang.“
„Ja… dann wünsche dir eine gute Nacht.“
„Das wünsche ich dir auch.“
Danik drehte sich um und ging. Blanca blieb stehen. Dann drehte sich Danik um.
„Ach…“
„Ja?“
„Ich sollte dich wohl zur Haustür geleiten. Sicher stellen, dass du auch sicher angekommen bist.“
„Das wäre nett.“
„Gut… dann… welche Hausnummer hast du?“
„Nummer dreiundzwanzig.“
„Das ist ja echt nicht weit.“
„Nein, ganz und gar nicht.“
Gemeinsam schlenderten sie zum Haus Nummer dreiundzwanzig. Vor der Haustür blieben sie stehen. Blanca fummelte ihren Schlüssel aus ihrer Handtasche.
„So… dann gute Nacht, Danik.“
„Gute Nacht, Blanca.“
„Und danke.“
„Wofür?“
„Na dafür, dass du mich… gerettet hast… vor Markku.“
„Ich… ich habe dir nur beigestanden… Wir haben… haben ihn zusammen besiegt.“
„Trotzdem – ich danke dir.“
„Ach, was, das… das hätte doch jeder getan.“
„Nein, nicht jeder.“
Plötzlich wuchs Blanca vor ihm ihn die Höhe. Sie hatte sich auf ihre Zehenspitzen gestellt. Sie legte eine Hand auf seine Schulter um sich an ihm festzuhalten. Danik erzitterte unter ihrer Berührung.
„Halt still“, flüsterte Blanca und strich mit ihrer rechten sanft über seinen Hals. Aus ihren blauen Augen sah ihm tief in die Augen.
„Sag mir, was hältst du eigentlich vom ewigen Leben?“