Versteckt hinter dem Vorhang beobachtete Liana, wie Ewan zurückkehrte. Er wirkte nachdenklich. Ein Hauch von Melancholie überzog seine Gesichtszüge. Aus Angst, von ihm bemerkt zu werden, zog sie sich kurz darauf zurück und ging ins Badezimmer, um sich bettfertig zu machen.
Nachdem das erledigt war, kuschelte sie sich unter die Bettdecke. Hier hing sie ihren Gedanken nach.
Sie verspürte den dringenden Wunsch, zu ihm zu gehen.
Sollte sie es wagen?
Bedeutete sie ihm etwas?
Begehrte er sie?
Hatten die Zärtlichkeiten, die sie getauscht hatten, ihm irgendetwas bedeutet? Oder war sie lediglich das Mittel zum Zweck gewesen?
Fragen über Fragen. Und keine Antworten.
Es war schwierig, aus seinem Verhalten irgendwelche Schlussfolgerungen zu ziehen.
Sein Kuss war verzweifelt und fordernd gewesen, zugleich derart erregend auf eine Art, die angemessen zu beschreiben, ihr die Worte fehlten. Sie begehrte ihn. Als erwachsene Frau verstand sie, was Verlangen war. Sie brannte für ihn, mit ihrem Körper und ihrer Seele. Deshalb musste sie einen Weg finden, dieses Feuer zu löschen – auf die eine oder andere Weise.
Sie würde sich des Problems später annehmen. Jetzt sollte sie zusehen, wenigstens noch ein wenig Schlaf zu bekommen. Sie drehte sich auf die linke Seite, zog sich die Decke über beide Ohren und war in Nullkommanichts eingeschlafen.
Als sie gegen zehn Uhr erwachte, stand die Sonne hoch am Himmel. Der Tag verhieß gutes Wetter, weshalb sie beschloss, die angrenzenden Wälder näher unter die Lupe zu nehmen. Vielleicht fand sie dort ja Hinweise und konnte den Jungs bei der Lösung ihres Problems helfen.
Bekleidet mit einer blauen Jeans, einem blau-weiß-gemusterten Pullover sowie schwarzen Boots, verließ sie das Zimmer und lief in die untere Etage, wo sie hoffte, auf Ewan zu treffen. Doch leider blieb dieser Wunsch unerfüllt. Weder von ihm noch von Robert oder Allan gab es irgendeine Spur. Die drei brauchten sich nun wirklich nicht zu genieren, sich ihr zu zeigen. Nichtkörperlicher Zustand hin oder her. Sie befasste sich lange genug mit übernatürlichen Phänomenen und würde gewiss nicht aus den Latschen kippen, wenn sie drei Geister zu Gesicht bekam. Aber wie die Herren es wollten. Keiner sollte behaupten können, Liana Maxwell würde sich aufdrängen.
Gestärkt durch eine große Portion Rührei und mehrere Scheiben Toast, machte sich Liana – bewaffnet mit Taschenlampe, Kompass sowie einer Flasche Mineralwasser, die sie in einem Rucksack verstaute, am frühen Nachmittag auf den Weg in den Wald.
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