Den nächsten Tag verbrachte Liana erneut außerhalb von Elmores Mauern.
Als sie am Abend zurückkehrte, machte sie sich frisch und ging hinterher in das Musikzimmer. Dort setzte sie sich an das Klavier und begann zu spielen. Ihre Finger glitten über die Tasten. Sie entlockten dem Instrument eine traurig-schöne Melodie.
„Du spielst gut“, erklang mit einem Mal Ewans tiefe Stimme von irgendwo hinter ihr.
Erschrocken hielt Liana inne.
„Meinetwegen musst du nicht aufhören.“
Doch Liana ließ die Hände in den Schoß sinken.
„Warum nur bist du dermaßen unausstehlich?“
„Ich denke, ich habe in den vielen Jahrhunderten eine Aversion gegen Frohsinn und Lebensfreude entwickelt.“
Er kam zu ihr und stellte sich hinter sie.
Liana wendete sich ihm zu.
„Sei nicht so verbohrt. Und hör endlich damit auf, dich über mich lustig zu machen, solange du dich hinter dieser ironischen Maske verbirgst.“
Ewans Augen wurden hart.
Zum Teufel mit ihm. Er schottete sich noch immer vor Gefühlen und damit vor ihr ab. Verärgert darüber, stand sie auf.
„Der Vorfall gestern Nacht hat mir endlich gezeigt, was ich in Wirklichkeit will. Ich möchte einen Mann, der da ist, wenn ich ihn brauche. Einen Mann, der mir Partner und Freund zugleich ist, mich beschützt und für mich kämpft.“
„Ich habe für dich gekämpft.“ Während er das sagte, war seine Stimme leise und voller unterdrückter Gefühle. „Ich habe für dich gekämpft, dich beschützt. Ich habe für dich Schmerzen erduldet. Und ich habe für dich geblutet.“
Mit einer männlichen Eleganz, die bewirkte, dass ihr ganz schummrig wurde, durchquerte er das Zimmer und kam kurz vor ihr zum Stehen.
Für einen Augenblick erinnerte er Liana an den majestätischen, weißen Hengst, denn beiden verbot der angeborene Stolz, sich zu irgendwelchen ungewollten Dingen hinreißen zu lassen. Sie waren einander ähnlich.
Plötzlich stockte ihr der Atem. Was hatte er damit gemeint, für sie gekämpft und geblutet zu haben? Spielte er auf die Episode im Wald an? Konnte es tatsächlich möglich sein? War er es gewesen, der sie gerettet hatte?
Die Fragen in Lianas Kopf überschlugen sich. Und plötzlich überrollte sie die Erkenntnis mit aller Macht.
Es waren nur noch wenige Zentimeter, die sie voneinander trennten. Liana hob ihren Arm, umfasste mit der Hand seinen Nacken und schob ihre Finger in sein seidenweiches, schwarzes Haar.
„Ich will mehr.“
Wenn ihr Tun als Herausforderung gedacht gewesen war, dann gehörte der Sieg ihr.
Er umschlang mit beiden Händen ihre Hüften, drängte sie gegen das Klavier und begann sie unverhohlen zu küssen. Im Gegensatz zu einem normalen Kuss, der zart begann und sich dann steigerte, nahm dieser Kuss am Ende seinen Anfang. Er verschlang sie buchstäblich. Zwang sie geradezu, die Lippen für ihn zu öffnen, damit er mit seiner Zunge eindringen konnte. Kurz darauf zog er sich jedoch zurück, erkundete ihren Mund sanfter. Plötzlich wurde seine Berührung liebevoll - beinahe ehrfürchtig. Er beschränkte sich auf ihren Mund, fuhr behutsam mit seiner Zungenspitze die Konturen ihrer Lippen nach und ließ sanfte Küsse auf sie herabregnen. Dabei glitten seine Hände aufwärts und berührten ihre Brüste.
Sie bog sich ihm entgegen, drängte sich gegen seine Hände, genoss es in vollen Zügen, als er ihre harten Brustwarzen mit den Daumen zu massieren begann.
Noch während er das tat, senkte er seinen Kopf, um ihren Hals und ihre Schultern mit unzähligen kleinen Küssen zu überziehen.
„Ja“, hauchte sie und klammerte sich an ihn, weil sie befürchtete, dass ihre Beine sie nicht mehr lange tragen würden.
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