Einige Tage später
Liana hatte sich inzwischen eingerichtet. Ihr gefiel es im Schloss noch besser als in dem kleinen Cottage. Einziger Wermutstropfen war die Tatsache, dass sie in Sachen Geistergeschehen nicht einen Schritt weitergekommen war. Die drei Jungs hatten sich in den letzten Tagen ziemlich rargemacht. Und da Ally und Jonathan abgereist waren, blieb sich Liana die meiste Zeit selbst überlassen. Sowohl den gestrigen als auch den heutigen Tag hatte sie zum Malen und Zeichnen genutzt. Als sie gerade dabei war, die Berglandschaft auf ihrer Leinwand mit weiteren Feinheiten zu versehen, kam aus der Ecke des Empfangszimmers eine Bemerkung.
„Gut gemacht. Du hast wirklich einen Blick für Details.“
Liana erkannte die Stimme sofort, weigerte sich allerdings, dem Sprecher ihre Aufmerksamkeit zukommen zu lassen. Warum auch? Ewan Cameron hatte die vergangenen drei Tage damit zugebracht, sie rücksichtslos zu ignorieren. Selbst bei den Abendessen hatte er nicht einziges Wort an sie gerichtet. Wollte er damit zu verstehen geben, dass er ihr nicht das Geringste zu sagen hatte?
„Es sieht überaus stimmungsvoll aus.“
Erst nach der neuerlichen Äußerung wendete sich Liana ihrem Gastgeber zu und beäugte ihn misstrauisch.
„Womit habe ich dieses Kompliment verdient?“
„Weil es die Wahrheit ist“, erwiderte er lakonisch.
„Offensichtlich scheint dir heute der Sinn nach Smalltalk zu stehen. Wie nett von dir, mich nicht weiterhin mit Missachtung zu strafen.“
„Sollte es so bei dir angekommen sein, dann bitte ich um Entschuldigung. Meine schlechte Laune galt nicht dir, auch wenn du davon überzeugt zu sein scheinst.“
„Ach nein? Und warum benimmst du dich mir gegenüber derart seltsam?“
Mit einem Seufzer erhob sich Liana von dem Stuhl, auf dem sie während des Zeichnens gesessen hatte, trat an das Fenster und blickte in den wolkenlosen Himmel hinauf, an dem lediglich ein runder Mond Licht spendete.
„Die Schwierigkeit besteht darin, dass ich mir von meinem Besuch hier etwas komplett Anderes versprochen habe. Ich dachte, mich würde ein interessanter Aufenthalt erwarten. Einer, der dazu führt, meine Wissbegierde zu befriedigen und meine Phantasie zu beflügeln. Etwas Greifbares. - Und vor allem ein wenig mehr Übersinnliches. Irgendetwas, das naturgemäß nicht zu erklären ist. Doch nichts davon habe ich gefunden. Und heute Vormittag ertappe ich mich zudem dabei, wie ich singe. Kannst du dir das vorstellen? Weder Paranormales noch irgendein anderes Geheimnis konnte ich aufstöbern.“
„Paranormales?“ Ewan wiederholte das Wort gedehnt und konnte sich das Lachen kaum verkneifen. Vorstellungen hatte das Mädchen. Gut, dass sie nicht wusste, wie nahe sie dem Geheimnis war.
Liana warf ihm einen verwunderten Blick zu.
„Gehe ich recht in der Annahme, dass du dich über mich lustig machst?“
„Dieses Mal schon. Wenn du schaurige Inspiration suchst, dann schlage ich vor, dir ein anderes Etablissement dafür zu suchen.“
„Weißt du“, sagte Liana und warf Ewan einen prüfenden Blick zu, „mit deinem dunklen Haar und der schwermütigen Art, bist du das Sinnbild des düsteren Grüblers sowie roher, männlicher Anziehungskraft.“
Nach dieser Äußerung schauten beide einander herausfordernd an. Eine ungewöhnlich sinnliche Anspannung erfüllte den Raum, die erst gefühlte Stunden später durch Ewan unterbrochen wurde.
„Versuch es ruhig weiter. Unter Umständen findest du ja, wonach du suchst. Bis nachher. Wir sehen uns beim Dinner.“
❤*❤*❤