„Was soll ich tun?“, fragte Ewan verdattert und verschränkte die Arme vor seiner Brust. „Das kann nicht dein Ernst sein.“
„Doch.“
„Das sind wohl weder die rechte Zeit noch der richtige Ort für ein Tête-à-Tête.“
Liana lachte.
„Du nimmst also an, ich würde dich verführen wollen? Bilde dir nur nicht zu viel ein. Jetzt zieh endlich dieses verdammte Hemd aus! Ich will mir deinen Arm ansehen.“
„Meinen Arm?“ Seine Augen verengten sich zu kleinen Schlitzen.
„Ja. Und zwar den, den du dir bei dem Kampf mit dem Keiler verletzt hast.“
Ewans Gesichtsausdruck war unbezahlbar. Liana musste an sich halten, um nicht in lautes Lachen auszubrechen. Er sah so herrlich verwirrt aus, weshalb auch die Maske der Gleichgültigkeit, die er ansonsten zur Schau trug, von ihm abfiel. An ihrer Stelle kam der echte Ewan zum Vorschein: Schimmernde, silbergraue Augen und dunkles Haar, das förmlich danach schrie, berührt zu werden. Gleiches galt für seinen Mund.
Das war der Mann, in den sie sich Hals über Kopf verliebt hatte. Der Mann, den sie inzwischen mehr liebte als ihr Leben. Sie würde ihn nicht einfach aufgeben. Komme, was da wolle.
„Du hast es gewusst?“
„Ja“, sagte sie.
Sein Atem stockte, als sie ihm das Hemd abnahm, das er derweil ausgezogen hatte und in der Hand hielt.
Sie bemühte sich, seinen wohlgeformten Oberkörper zu ignorieren. Was nicht gerade einfach war, denn ihr Herz klopfte bei dessen Anblick wie verrückt.
Entschlossen machte sie sich an dem Verband an seinem Arm zu schaffen.
„Wie hast du es herausbekommen?“
„Durch deine Äußerung im Musikzimmer. Du sagtest, dass du für mich gekämpft und geblutet hast. Schon vergessen? Hinzu kommt die Tatsache, dass du deinen Arm schonst. Vermutet hatte ich es allerdings schon im Wald. Ich würde deine Stimme überall wiedererkennen, auch wenn die Nacht noch so dunkel ist.“
Sie atmete tief aus, nicht imstande, seinen fragenden Blick zu erwidern.
„Du kannst mich erbeben lassen wie niemand zuvor.“
Mit leiser Stimme sagte er: „Ich weiß nicht wirklich, warum ich dir gefolgt bin. Ich wollte wahrscheinlich nicht, dass du alleine durch den Wald stampfst.“
„Darüber bin ich unendlich froh. Du hast mein Leben gerettet.“
Sie räusperte sich und wendete sich wieder der Wunde zu. Sie war sauber und nicht allzu tief. Es sollten somit keinerlei Komplikationen auftreten.
„Dort drüben steht ein Krug mit Wasser.“
Er wies auf einen kleinen Tisch an der Wand.
Gemeinsam gingen sie hinüber. Ewan setzte sich auf einen der Stühle. Liana tauchte das danebenliegende Tuch in die Flüssigkeit und betupfte damit seinen Arm.
„Wenn du es schon wusstest, warum hast du es nicht gesagt?“, fragte er ruhig.
„Weil ich dich aus der Reserve locken wollte.“
„Ich wollte nicht, dass du es weißt.“
Er schluckte schwer und starrte an die Decke.
„Ich wollte nicht, dass du diese Seite meines Wesens kennenlernst. Wenn ein Mann dem Tod ins Auge sieht, kommt das Tier in ihm zum Vorschein…“
Silbergraue Augen blickten sie starrsinnig an, während er eine Narbe unterhalb seines Schulterblattes berührte.
„Ich habe den Mann, der mir das zugefügt hat, getötet. Als sein Messer in meinem Fleisch steckte, habe ich ihn gepackt und erdrosselt. Und er ist nicht der Einzige, den ich auf dem Gewissen habe. Zu lernen, zu welcher Gewalt man fähig ist, wenn es die Situation erfordert, das ist eine Last, die ich niemanden zu tragen wünsche“, beendete er den Satz.
Während seiner Äußerung behandelte Liana ungerührt seine Wunde weiter und umwickelte sie mit einer Bandage, die sie ihrem Nothilfepack entnommen und mit sich herumgetragen hatte.
Offensichtlich erwartete er, dass sie sich angewidert abwenden würde.
Nachdem der Verband angelegt war, riskierte sie einen Blick.
„Bürden werden leichter, wenn man sie mit jemandem teilt.“
„Ich habe bereits zu viel mit dir geteilt.“
„Du kannst mir alles sagen. An meiner Liebe zu dir wird es nicht das Geringste ändern. Sei gewarnt. Auch ich bin dickköpfig. Sturheit ist nicht ausschließlich das Privileg von euch Männern.“
Ein weiteres Mal schüttelte Ewan seinen Kopf.
„Willst du oder kannst du es nicht verstehen? Ich fühle mich manchmal kaum noch wie ein Mensch. Dazu habe ich in den vergangenen Jahrhunderten zu viel gesehen. Gefühle sind mir fremd geworden.“
„Die Gefühle offenbaren sich umso weniger, je tiefer sie sind. Es ist an der Zeit, dir zu zeigen, dass du einem Irrtum unterliegst.“
Mit diesen Worten ließ sie ihre Jeans langsam nach unten gleiten. Ewans Blick wurde sofort von ihren wohlgeformten Beinen gefangengenommen.
„Liana…?“
„Ja, Ewan?“ Sie beugte sich vor, um die Schnürsenkel ihrer Boots zu öffnen, wobei sie ihm eine umfassende Aussicht auf ihr Dekolleté gewährte.
Ewan stöhnte auf.
„Was bezweckst du mit dieser Vorstellung?“
„Ist das nicht naheliegend? Ich versuche, dich zu verführen“, entgegnete sie und setzte sich rittlings auf seinen Schoß.
Seine Erwiderung erstickte sie, in dem sie ihm einen Kuss auf den Mund gab.
Mit einem halblauten gälischen Fluch zog er sie derart nah an sich, dass sie sein Glied spürte, welches sich mit aller Nachdrücklichkeit gegen sie drängte.
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