Rascher, als den Damen und Herren lieb war, standen sie vor Oberst Durlass. Im Prinzip war es die gesamte Elite von der Stadt. Dazu zwei angeblich adelige Herren und der Major von der königlichen Infanterie, der lästerlich gegen Oberst Durlass vorgegangen war. Immerhin hatten sie dadurch Einlass in die Schatzkammer erhalten und auch diese kleine Truppe in Arrest gesetzt. Für sehr lange Zeit herrschte Schweigen, da die Damen und Herren sich vorerst mit der neuen Rolle als Gefangene und Kandidaten für eine Hinrichtung beschäftigen mussten. Erst gegen Abend begehrten die Leute auf. Frech forderten sie Stühle, da sie das lange stehen nicht gewohnt waren.
Locker und bedrohlich zugleich gab er die Antwort. "Gerne hohle ich ihnen Stühle. Aber ich gebe zu bedenken, dass ich diese Leute zuerst über die Zinnen werfen werde. Natürlich können wir auch eine Feuerparty feiern. Sie stehen natürlich im Mittelpunkt der Flammen und wir schauen zu, wie sie vor Freude in den Flammen tanzen, wie der Schneemann in der Sonne." Laut machten sich die Meldereiter bemerkbar, die gerade angetrabt waren. "Herr wir haben die fehlenden Viehherden gefunden und eine Vielzahl von Leuten befreit. Sie alle sagen, dass die Leute vom Stadtrat und etwa vierzig Kerle von dem Goldhort sie gefangen genommen haben und sie zwangen die Herden zu bewachen. Essen haben sie kaum bekommen und das Gehalt fehlt auch. Die Leute werden bald eintreffen und die Schuldigen benennen. Zudem sollen wir das Rathaus und die Häuser der hohen Herren ordentlich filzen, weil dort große Mengen an Gold, Silber und von den Stadtgebühren lagern sollen. In dem Turm soll ausreichend Gold und Silber lagern um viele neue Regimenter auszurüsten. So berichteten es die Gefangenen."
Der Obrist nickte erfreut. "Holt den alten Trikot aus der Zelle. Er soll euch zu den Häusern führen und dann werden die Häuser auf den Kopf gestellt. Alles von Wert wird eingesammelt." Die Reiter nickten und ritten davon. Zugleich trafen weitere Reiter ein. "Herr, die Zollstation wurde auch überprüft. Die Fundstücke haben wir allesamt mitgebracht. Neben Vieh und Waffen fanden wir dort Silbermünzen und auch ein wenig Gold. Getreide und Pferde gehören auch zu der Beute. Die Herren von Zoll sind gerade stark beschäftigt, weil sie alle notwendigen Arbeiten verrichten müssen, damit sich kein Schlingel oder Verbrecher an der Station vorbei schleichen kann. Zufällig liefen uns noch einige Hansel in die Arme, die sich seither an den Arbeiten eifrig beteiligen. Die Herren glaubten doch tatsächlich, dass sie dampfenden Kartoffelbrei, mit Butter, Muskatnuss samt Gulasch bekämen. Den Zahn haben wir ihnen gezogen. Sie erfreuen sich gerade an der Truppenverpflegung, wie wir sie kennen. Den aufmüpfigen Kerlen kürzten wir die Rationen, damit sie rasch lernen, was es bedeutet den König zu beleidigen." Oberst Durlass lachte erheitert. "Gut gemacht, nun ruht euch vor der Bastion der angeblich königlichen Infanteristen aus. Nebenher ergründet ihr, welche Schätze dort noch lagern. Immerhin ist es doch unsere Aufgabe, für den König und das Volk das geraubte Gold einzusammeln." Diese beunruhigenden Aussagen reichten den gebundenen Personen. "Wagt es nicht unseren Besitz anzutasten. Dazu habt ihr kein Recht. Schließlich wisst ihr nicht, wer vor euch steht."
Barsch schnitt der Obrist die Worte der vorlauten Personen ab. "Tork, beruhige die Leute, nach Art des Generals. Hauptsache, sie schweigen." Tork stampfte auf die zeternden Personen zu und versetzte ihnen harte Schläge ins Gesicht, die sofort Wirkung zeigten. Die Panzerhandschuhe erwiesen sich dabei als durchaus nützliches Werkzeug, welches tiefen Eindruck bei den Herren hinterließ. Die Damen wurden nur geknebelt, um das Gekeife zu unterbinden. Erste Fundstücke trafen ein. Darunter auch zwei Kerzenleuchter, die aus Ethymien stammten. Kalt fragte er den Anführer der Stadtwache. In wessen Haus wurden diese Gegenstände gefunden? Mehr muss ich nicht wissen. Immerhin ist es mein Eigentum." Der Mann deutete auf einen gut beleibten Mann. Der Obrist nickte zufrieden. "Tork, bereite die Hinrichtung vor. Bring einen Klostuhl und ein schmales Seil, dass reicht für diese arroganten Ratten. Sie werden langsam erdrosselt. Was besseres haben die Hurensöhne nicht verdient. Sie haben das Volk, den König und die Vasallen bestohlen." Tork marschierte mit vier Männern davon, um die notwendigen Utensilien zu besorgen. Zugleich wandte er sich an den Herrn von der Stadtwache.
"Danke, ihr werdet nicht gerichtet, weil ich sehe, dass ihr gewissenhaft euren Dienst verrichtet. Nun nehmt euch die nächsten Häuser vor, damit wir die Anzahl der Verräter rasch dezimieren können." Zugleich reichte er dem Mann einen Stecken. "Falls die Leute in den Häusern aufmucken, dürft ihr sie züchtigen. Bringt uns auch die Kinder der Familien. Sie sollen hier in Sicherheit gebracht werden, damit sich das Volk nicht an den Kindern vergreift. Immerhin bestrafen wir nur Verbrecher und keine Kinder. So sehen es die alten Gesetze vor." Dankbar nickte der Mann diese Order ab, da er erkannte, dass es nur um Gerechtigkeit ging. Mit einer knappen Verbeugung entschwand der Mann mit vier Männern von der Garde, die dem Obristen diente. Nach und nach trudelten immer mehr Schätze ein. Auf einem Wagen wurde alles gesammelt. Ein zweites vertrautes Beutestück lag nun vor dem Obristen. Eine Wache wies zu einem Mann der in beste Tuchwaren gehüllt war. "Danke, mein Freund. Auch das gehörte einst mir. Ich sorge nur für Gerechtigkeit." Auf einem Wagen wurde alles gesammelt, was die Männer zu ihm brachten. Zugleich wurde die Hinrichtung vorbereitet. Der Stuhl wurde an Bretter genagelt damit er nicht während der Hinrichtung umkippte. Unter dem Stuhl wurde noch eine Grube ausgehoben, damit die Spuren der Hinrichtungen rasch abgedeckt werden konnten. Es kam häufig vor, dass die Delinquenten sich bei der Prozedur noch erleichterten.
Die Funde in dem Turm füllten inzwischen drei Wagen und ein Ende war noch nicht absehbar. Die ersten Schätze reichten um fünf Regimenter über Jahre zu finanzieren. Die gut gefüllten Kisten verrieten, dass es ein übler Betrug war, den die Männer abgezogen hatten. Sie hatten offenbar nur an ihren eigenen Reichtum gedacht und hatten das Leid der Opfer vermutlich leichtherzig ausgeblendet. Dazu noch wertvolle Waffen und Rüstzeug bester Güte. In den Stallungen fanden sich auch elf Pferde samt den Sätteln aus den Gestüten von Ethymien. Inzwischen mussten Fackeln angezündet werden, damit ausreichend Licht diesen Platz erfüllte. Alle Stadträte und der Hauptmann von der schweren Infanterie würden noch in dieser Nacht sterben. Soviel stand fest. Auch die Heiligenfigur aus dem Tempel wurde heran geschafft. Damit war ein erster Teil seiner selbst auferlegten Pflicht und Rache erfüllt. Dennoch, die schwerste Pflicht stand ihm noch bevor. Die Urteile mussten vollstreckt werden und das Volk der Stadt sollte diesem Tribunal und den Hinrichtungen beiwohnen. Es durfte keine Gnade gegenüber den Männern geben und die Ehefrauen benötigten ebenfalls harte Urteile. Lange kreisten seine Gedanken um die Urteile.
XXX
Nachgeschrieben nach der vorgegebenen Zeit.
Die Vollstreckung wurde auf den nächsten Morgen verschoben, damit genügend Volk den Hinrichtungen beiwohnen konnte. Die Nacht über verbrachten die Delinquenten an die Zinnen gefesselt und sie waren bis auf ein Untergewand entkleidet. Jede Stunde wurden sie gegeißelt und bekamen einen Schluck Wasser. Mehr gestand er den Personen nicht zu. Die Melder meldeten stetig weitere Funde von Pferden und Schätzen, was seinen Zorn nur geringfügig abmilderte. In der Nacht besuchte er die Verurteilten Personen. Mit jeden führte er ein kurzes Gespräch. Stets stellte er die gleichen Fragen. "Verstehst du, warum du diese Strafe erhältst? Bereust du deine Taten? Kennst du die Gesetze?" Die Antworten waren aufschlussreich.
„Der König betrügen uns also betrügen wir auch den König. Ihr habt nicht das Recht uns zu richten. Schuld ist der General. Da kein Mann Reue zeigte, war der Obrist gewillt keine Gnade zu zeigen. Erschreckend waren der Hass und der Glauben, dass sie die einzigen Herren der Gerechtigkeit waren. Die Frauen der Kerle wurden in alte Kleidung gewandet, um ihren sozialen Abstieg zu demonstrieren. Schmuck besaßen sie keinen mehr und die geflickten Kleider reichten kaum, um den Körper ausreichend zu bedecken. Manchen Damen reichte diese Kleidung nicht und sie begehrten auf. Knebel unterbanden jegliches weitere weitere Schimpfwort. Das Volk versammelte sich, um diesem finalen Akt beizuwohnen. Natürlich wusste keiner der Gaffer, wer er war. Dennoch verhielten sich die meisten Bürger relativ zivilisiert, denn dieser Akt war schon längst überfällig in diesem Land der Demütigungen und des Hungers. Das Volk war verarmt und musste sich den Zwängen der Zeit unterwerfen, um überleben zu können. An diesem Tag erfuhren sie, dass es noch ein wenig Gerechtigkeit für sie gab. Daher bedurfte es keiner großen Überredungskunst, um den Platz zu füllen.
Die Männer des Obristen bildeten das Spalier, um die Delinquenten vorzuführen. Die Stadtwache würde die Personen zu dem Richtstuhl führen. Die Pflicht des Obristen bestand darin, die Urteile zu erklären und die Todesstrafe zu verhängen. Jedem Mann sollte eine Gnade gewährt werden. Sie durften sich selbst richten, wenn sie es wünschten. So wie es üblich war, würde eine befreundete Person dem Verurteilten bei diesem Akt zur Hand gehen. Mehr gab es nicht zu tun, denn das Volk, die Stadtwache und zu viele Zeugen hatten eine Vielzahl von weiteren Verbrechen gemeldet.Insgesamt zweiunddreißig Personen würden an diesem Tag sterben. Als die erste Person im Büßergewandt vor die Menge geführt wurde johlte die Menge noch. Nach der Verkündung des Urteils ging es recht schnell. Der Mann weigerte sich abzutreten und daher wurde die Garotte eingesetzt, um das Leben zu beenden. Nach und nach füllte sich der erste Wagen und auch der zweite Wagen mit den sterblichen Überresten, der Verurteilten. Erst nach dem Ende der Hinrichtungen wurde den Frauen das Schandmal auf der Schulter eingebrannt und deren Urteile verkündet. Alle Damen bekamen Strafen von zwanzig Jahren, die sie als Sklavinnen in Gefängnissen abzuleisten hatten. Eigneten sie sich nicht zu dieser Tätigkeit, dann wurden andere niedere Tätigkeiten für sie vorgesehen.
Erst jetzt betrat der Obrist die Bühne. "Verehrtes Volk. Nun ist es an mir ihnen die Wahrheit zu verkünden. Einst war ich Sklave von dem König von Ranak und danach durfte ich in Schlachten ziehen, um dort zu verrecken. Jetzt bin ich Prinz von Ethymien und Oberst aller Truppen des Landes. Ich werde keinen Krieg gegen das Volk führen, sondern einzig gegen den General, der jetzt auch noch König des Landes Ranak ist. Die an diesem Morgen gerichteten Personen hatten sich an meinem Eigentum bereichert und zugleich das Volk bestohlen. Aus diesem Grund habe ich diese Hinrichtungen veranlasst." Kurz hielt er inne, um die Reaktion des Volkes abzuwarten. "Sollten sich Personen aus Ethymien hier befinden, dann dürfen diese Personen sofort in ihre Heimat zurückkehren. Sämtliche Schmiede werden ebenfalls in meine Heimat reisen, um dort als freie Bürger ihr Leben zu bestreiten. Ferner dürfen alle anderen Leute in meine Heimat reisen, wenn sie gewillt sind dort als Handwerker oder Landwirte zu leben und einen Treueschwur ableisten. Wohnraum steht bereit und von dem Moment an, dürfen sich diese Personen sicher vor dem General und seiner Elite fühlen. Unsere Gesetze sind einfach und gewähren jedem die althergebrachten Gesetze. Es liegt also an ihnen, wie sie sich für sich oder ihre Familien entscheiden. Was aus Ranak wird - ist mir gleichgültig, da ich primär an mein Volk denken muss. Derzeit kann ich nur sagen, dass es überall im Land Krieg gibt, die der König und der General durch Boshaftigkeit heraufbeschworen haben. Zig Völker wurden ausgepresst und tausende Menschen wurden versklavt oder umgebracht. Jetzt haben sich diese Menschen erhoben und bekämpfen den General. Es liegt einzig bei ihnen, welche Wahl sie treffen. Noch eine Information muss ich ihnen geben. Reichtümer wird man vorerst in meiner Heimat nicht anhäufen können. Dafür können sie jedoch ein Leben in Freiheit und Gerechtigkeit führen. Nun bitte ich alle Bürger Ethymiens vorzutreten, die bereit sind in unsere Heimat zurückzukehren." Sacht verneigte sich der Obrist vor dem Volk. Etwa achtzig junge Frauen und Männer traten hervor, um mit dem ersten Wagenzug nach Ethymien zu reisen.
Der Rest der Bevölkerung und der Stadtwache verhielten sich ruhig, um die neue Situation zu überdenken. Sie wussten, dass sie eine Entscheidung zu treffen hatten, die ihnen keiner abnehmen würde. Zugleich ließ der Obrist einen Jahressold an die Wachen auszahlen und bessere Waffen und Kleidung samt Rüstzeug verteilen, damit zumindest diese Männer endlich ihren Sold erhielten. Das Volk erhielt Güter aus dem Besitz der ehemaligen Elite, um an der veränderten Situation zu partizipieren. Ausgegeben wurden getrocknete Hülsenfrüchte, Mehl und das Kleinvieh der hingerichteten Personen. Der Wagenzug und die Viehherden wurden in Marsch gesetzt, um die Heimat mit den Nahrungsmitteln zu versorgen. Die Viehherden, Pferde und die befreiten Familien begleiteten den ersten Wagenzug, der von einem überraschten Mann aus Bleiberg angeführt wurde. Am Abend sammelten sich die Truppen des Obristen vor den Toren der Stadt. Vorerst mussten drei Aufgaben erfüllt werden. Die Späher mussten nach Ranak reiten, um dort für Unruhe zu sorgen. Brände in Dörfern, brennende Brücken und kleine Anschläge gegen Städte sollten ausgeführt werden, um das gesamte Land in Aufruhr zu versetzen. Aufklärer sollten die Lage im Land ergründen und Truppenbewegungen melden.
Das Hauptaugenmerk galt jedoch den drei königlichen Gestüten und der Aneignung von Gold, Waffen, Vieh und der gestohlenen Pferde. Klar definierte er, was als Beute geeignet erschien. Schließlich mussten sämtliche Güter transportabel sein und dem Volk dienlich sein. Rasch zogen die Späher und Aufklärer ab, damit sie einen ausreichend großen Vorsprung vor der Truppe bekam. Die Pferde und Waffen wurden vorerst gepflegt. Nebenher wurden die Stadt zur Verteidigung bereit gemacht, damit es dem General nicht zu leicht gemacht wurde, um das verlorenen Gebiet binnen kurzer Zeit zurück zu erobern. Aus der Zollstation wurde eine halbwegs solide Wehranlage gezimmert. Gräben wurden angelegt und mit dem Wasser aus dem Bach gespeist. Vor dem breiten Wehrgraben wurde ein Bollwerk aus Steinen errichtet, die sie in der Nähe fanden und mühsam mit den Gespannen zu der Baustelle beförderten. Baumeister aus Eisenstein beteiligten sich an der Arbeit, um das Projekt rasch voran zu treiben. Zimmerleute und Schmiede bauten ein solides Tor. Vor dem Bollwerk wurde ein zweiter Graben gezogen, um den Schutz weiter zu erhöhen. Dichte Brombeerhecken wurden angepflanzt, um wagemutige Angreifer frühzeitig zu stoppen. Kurz vor dem Ende der ersten Bauarbeiten näherte sich eine starke Schwadron aus Ranak. Offenbar sollten die Herren in Rüstzeug vorsichtige Erkundigungen einziehen, wo die Warenlieferungen blieben. Schneller als den Herren lieb war, waren sie von Lanzenreitern und berittenen Bogenschützen umringt. Halbwegs freundlich wurden die Männer in die Wehranlage eingeladen. Erschrocken folgten die Gäste der barschen Aufforderung. Langsam und vorsichtig ritten sie vor die Bastion, wo bereits der Oberst auf sie wartete.
Freundlich empfing Oberst Durlass seine Gäste. "Meine Herren, was will der alte Zausel aus Ranak wissen? Ich habe Verständnis, dass sie ein wenig überrascht sind mich hier anzutreffen. Wir sind derzeit dabei die Grenzen zu sichern, wie sie sehen können. Für unnötige Zwistigkeiten besteht also kein Anlass. Jetzt sollten die Herren erklären, was sie mit diesem Besuch bezwecken. Genauer genommen sollte mir ein Offizier Bericht erstatten. Ich bitte um Eile, denn auch ich muss noch mein Tagwerk ableisten." Überraschte Augen musterten den Obristen. Ein junger Offizier blickte ihn scharf an. Der König erwartet Bericht über die Lage hier und das Ausbleiben der Lieferungen an Gold und Nahrung." Der Obrist lachte lauthals. Warum sollte ich dem König von Ranak Gold und Vieh übergeben, wo doch seine Schulden mir gegenüber bedeutend höher sind. Verzeiht. Der Mistkerl schuldet mir noch achthunderttausend Golddukaten, viertausend Pferde, achttausend Stück Vieh und über zehntausend Schwerter und doppelt so viele Bögen samt Pfeilen. Nun ist es an der Zeit, dass sie ihre Waffen ablegen und von den Pferden steigen. Ansonsten helfen ihnen meine Armbrustschützen dabei. Mir ist es egal, aber vielleicht hängen ja einige der jungen Männer an ihrem Leben, dann wäre es klüger sich rasch zu ergeben. Senke ich erst einmal meinen Arm, dann war es das mit ihrem Leben in einer Uniform, die für Terror und Verbrechen steht, um einem miesen König zu dienen."
Jetzt hob er den Arm und die Reiter verstanden, dass es Zeit für eine Entscheidung war. Rascher als erwartet purzelten die Waffen zu Boden und die Männer stiegen von ihren Pferden. "Sie sehen, so leicht kann das Leben sein, wenn man klug handelt. Sollten wir noch versteckte Waffen finden, dann wird es arg für sie. Der Offizier dieser Truppe sollte sich nun eilen, um mir seinen Auftrag zu erklären." Zögernd näherte sich ein junger Mann dem Obristen. "Leutnant Fagus. Hauptmann der elften Schwadron vom zweiten Regiment des Königs von Ranak. Wir sollen dem König berichten, warum die Gold und Nahrungslieferungen ausbleiben. Zudem sollen wir ihm Meldung erstatten, ob in dieser Region Ruhe herrscht." Der Obrist korrigierte den jung Mann. Die Vergangenheitsform wäre an dieser Stelle angebrachter. Aber lassen wir diese Feinheiten. Da ihr euch nicht mehr in Ranak befindet dürfen sie sich nun als Gefangene von Ethymien betrachten. Wir werden sie gemäß den alten Gesetzen behandeln und zudem werde ich sie vor die Wahl stellen, welchem Land sie dienen wollen. Männer, die Ethymien dienen wollen sind herzlich willkommen und alle anderen Personen bleiben in Gefangenschaft. Personen, die andere Wege beschreiten wollen biete ich ein Leben in Frieden und Freiheit an. Mehr werde ich nicht zusagen." Der Offizier blickte zu seinen Männern. "Bis vor einem Monat diente ich der Stadtwache von Eisenstein. Viele der jungen Männer sitzen erst seit zwei Wochen im Sattel und keiner von uns kann halbwegs vernünftig kämpfen. Gerne würde ich zu meiner Familie zurückkehren. Wie sich die anderen Männer entscheiden kann ich nicht sagen. Dennoch, mehrere Männer gehörten einst zur Stadtwache von Eisenstein. Ich denke schon, dass sie ebenfalls so einen Dienst bevorzugen würden."
Mehr sagte der junge Offizier nicht. Locker fragte der Obrist nach. "Wenn Männer aus Ethymien dabei sind, würde ich gerne mit den Männern sprechen. Für diese Männer hätte ich auch Aufgaben. Alle anderen Männer können sich mir gerne anschließen. Sie können hier als Zimmerleute arbeiten, um das Land wieder fruchtbar zu machen oder Pferde und Vieh züchten. Handwerker jeglicher Art werden in diesem Land gebraucht. Aber zuerst berichtet ihr mir, wie es um Ranak steht. Wo wird gekämpft, und wie weit sind die Vasken und Reesen in das Land vorgedrungen? Das wären meine Fragen." Der Junker überlegte knapp, was er sagen durfte. "Die Reesen und Vasken haben sich ihr Land zurück genommen. Die Nordvölker dringen ebenso in das Land vor. Sie fielen in die Haukenmark ein und nahmen die Festung Bielen ein. Der König versucht gerade die Kernlande zu schützen und Truppen auszuheben, um das Land verteidigen zu können. Ob es ihm gelingt steht in den Sternen. Hauptsächlich werden derzeit die Grenzen durch acht Bastionen gesichert und auch Militärlager errichtet, um die Junker zu Kriegern zu machen. Die Familien verstecken sich in den Wäldern, um ihre Söhne zu schützen und zig Bürger drängen in das Kernland, um den Krieg zu entgehen. Hunderte Männer aller Truppenteile liefen zu den Gegnern über, weil sie das Elend im Land nicht mehr ertragen können oder von den Kriegen ermüdet sind. Ja, so sieht es derzeit aus. Besonders der Verlust der Roten Teufel, der Schwarzen Panzerreiter und der Meldereiter beschäftigen den König gerade. Von den dreißigtausend Kriegern bliebe dem König nur noch zwanzigtausend Männer geblieben, wenn man die Regimenter der Reserve und die Infanterie mit einrechnet. Derzeit reicht es an allen Ecken und Enden nicht und keiner will mehr Offizier werden, da der neue König mehr Offiziere ermorden lässt als jemals zuvor."
XXX
Der Ritt in das Landesinnere von Ranak war schwierig, dennoch die Wälder boten ihnen Nahrung und Schutz zugleich. Kein Bürger von Ranak hatte bisher diese Streitmacht zu Gesicht bekommen. Im Gegenzug hatten sie vier Schwadronen von König einkassiert, die ihnen zufällig in die Arme liefen. Unterwegs erhielten sie stetig Informationen über Truppenbewegungen der Gegner und über die Stimmung im Land. Auf den Straßen war viel Volk unterwegs. Die einen flohen aus dem Land und andere suchten Schutz in der Nähe vom Königshof. Derzeit herrschte überall eine undefinierte Anspannung im Volk. Die Leute verstanden nicht, dass der König und der General an dieser Situation schuld waren. Die erste Krondomäne hatten sie längst passiert, um die im Kernland liegenden Domänen zuerst zu überfallen. Mit jeweils eintausend Männern nahmen sie die Domänen ein. Es floss kaum Blut und es wurde übermäßig reiche Beute gemacht. Die Wagen reichten kaum, um alles zu verladen. Berge an Waffen, Gerätschaften, Nahrung und tausende Rinder, Schafe, Schweine und Pferde mussten von wenigen Männern samt dem Tross den Rückmarsch antreten, bevor sie sich auf den Marsch zu dem letzten Ziel machen durften. Zur Ablenkung überfielen sie noch eine dritte Krondomäne, um den König in die Irre zu führen. Proviant, Gold, Juwelen und Vieh wurde geraubt. Die Pferde wurden auch mitgenommen, um den Truppenaufbau zu behindern. Auch die Waffen und und nützliche Dinge wurden verladen. So rasch sie gekommen waren entschwanden sie wieder. Die Märsche forderten sie und es galt auf den Waldwegen jederzeit vorsichtig zu agieren, um nicht den Gegnern über den Weg zu laufen. Insbesondere galt dieses, wenn sie Straßen und Dörfer passierten.
Erneut mussten sie die Wagen und Herden vorausschicken, um über Schleichwege das nächste Ziel zu erreichen. Erst als sie sich mit den anderen Truppenteilen zusammengeschlossen hatten gingen sie ihr letztes Ziel an. Dieses Mal standen ihnen vierhundert Infanteristen und gut dreihundert Lanzenreiter gegenüber. Neben dem Gestüt war eine Garnison der Lanzenreiter entstanden, die nicht das größte Problem darstellte. Das Gestüt war gut geschützt und die Infanteristen hatten die Zeit genützt, um ihre Stellungen auszubauen. Ohne einen Kampf würde es an diesem Ort nicht abgehen. Die Garnison konnten sie ohne große Kämpfe noch in der Nacht einnehmen und die Männer allesamt nach einem kurzen Kampf übermannen. Erstmals hatten sie eigene Verluste zu beklagen. Ein Frontalangriff verbot sich, da die Infanteristen Gräben und Wälle vor dem Hauptzugang errichtet hatten. Somit blieb nur der Einsatz des schwarzen Pulvers, um einen zweiten Zugang zu dem Gestüt zu schaffen. Noch im Morgengrauen sprengten sie die kaum besetzten Nebentüren auf und drangen in die Herrschaftliche Domäne ein. Die wenigen Krieger innerhalb des riesigen Gestüts waren nach einem kurzen Gefecht besiegt.
Zügig eroberten sie sämtliche Gebäude und besetzten das Haupttor. Nun waren es die Krieger vor dem Gestüt, die von zwei Seiten bedrängt waren. Von allen Seiten prasselten Pfeile auf die Infanteristen ein, von denen viele ihr Leben ließen. Binnen eines kurzen Gefechts rangen sie die Gegner nieder. Die Verwundeten und Gefangenen wurden zügig eingesammelt und gebunden. Zur gleichen Zeit bargen seine Männer die Beute und verluden sie auf sechzig Wagen. Gold und Waffen gab es im Überfluss. Auch an Nahrung und Getreide bestand kein Mangel. Auch die Gespanne der überwältigten Lanzenreiter und deren Pferde mussten genutzt werden, um die Beute zu verladen. Auf jedes Pferd mit Sattel wurden Säcke mit Gold und Silber gebunden, um alles für den Transport vorzubereiten. Sogar der Kronleuchter aus dem Tempel fand Platz auf einem Wagen. Die Gefangenen wurden gebunden auf Pferde gesetzt und mit dem Vieh und einem Teil der Beute voraus geschickt. Nun blieb nur noch eine Angelegenheit zu vollenden. Brent wurde ihm vorgeführt, während die befreiten Rittmeister und Bürger aus Ethymien ihre Pferde sattelten.
Gut gebunden stand Brent vor ihm. "Nun sag schon, was dich bewogen hat das Land, meine Schwester und mich zu verraten. Ich werde zuhören und danach ein Urteil fällen. Du kannst dir denken, dass es kein mildes Urteil sein wird." Brent schaute nicht einmal auf. "Ich war immer nur der Knecht deiner Schwester. In den Rat wäre ich nie gekommen, weil ich auch ein Bastard bin. Ja, als Verwalter vom Gestüt war ich angesehen, aber niemals erfuhr ich Wertschätzung oder bekam einen gerechten Lohn. Und dann kam das Angebot aus Ranak, dass ich endlich zum Adel eines Landes gehören konnte. Ich war dabei nur das Bauernopfer vom alten Tiberius. Er ist mein Erzeuger und er ließ deine Eltern ermorden, weil er endlich König werden wollte. Er sagte mir, dass es meine Pflicht wäre zu schweigen, aber insgeheim hatte er schon lange Kontakt mit dem König von Ranak und dem General. Er hat die Einladung geschrieben und dann nahm alles seinen Lauf. Deine Schwester wurde geblendet und du wurdest in die Sklaverei gegeben. Somit hoffte Tiberius alsbald König zu werden. Aber der König hielt sich nicht an sein Wort und lachte Tiberius nur aus. Seither kämpft er gegen euch und den General. Natürlich nur halbherzig, da er dachte, dass die Zeit für ihn arbeiten würde. Er hoffte auf deinen Tod und das Ableben des Königs, weil er dann zum König proklamiert werden sollte. Aber alles lief gegen ihn. Ihr habt überlebt und seid in die Heimat zurückgekehrt. Der König starb und sein Bruder erklärte alle Verträge für nichtig. Somit blieb mir nur die Flucht."
Beklommen schaute der junge Mann auf den Boden. "Ich habe einige Schreiben von Tiberius und dem General. Gerne übergebe ich euch die Schreiben, denn damit fliegt der alte Lügner endlich auf. Ich weiß, dass ich falsch gehandelt habe, aber ich musste auch einmal an mich denken. Ich wollte einfach nur überleben." Danach schwieg Brent und deutete auf seine Jackentasche. "Hier sind die Schreiben. Seht sie euch an und bildet euch eure eigene Meinung. Mehr habe ich nicht zu sagen, weil ich erkannt habe, dass ich kein großes Licht bin oder jemals sein werde. In der Heimat war ich ein guter Verwalter und habe sogar hin und wieder Anerkennung erfahren und hier wurde ich zu einem besseren Stallburschen degradiert, obwohl ich schöne Kleidung tragen durfte. Und nun bin ich das Bauernopfer. Tiberius wird immer gegen deine Familie vorgehen und seine Söhne helfen ihm eifrig dabei. Die erpressen die Leute, Stehlen und leben jenseits aller Gesetze. Daher rate ich euch bei eurer Rückkehr vorsichtig zu agieren. Jana besitzt weitere Schreiben, ohne es zu wissen und im Tempel unter den Dielen neben dem Opferstein lagen weitere Schreiben, die Tiberius verraten können. Leider besitze ich nicht alle Schreiben, aber es dürfte allemal reichen, um Tibeus zur Klippe zu schleifen, damit er seinem Leben freiwillig ein Ende setzt." Der Obrist nahm die Schreiben und überflog sie. Konsterniert blickte er zu Brent. "Du wirst heute nicht gerichtet. Du reitest mit uns, damit ich einen bekannten Schwurzeugen habe, der den Verrat an meiner Familie und dem Volk aufdeckt. Bedenke dabei, dass ich dich zuerst als Gefangenen behandeln muss. Erst zu gegebener Zeit kann ich dich vor den Rat führen lassen, damit ich Tiberius Macht breche und auch noch seine Söhne unehrenhaft aus dem Land werfen kann. Erst danach hoffe ich auf ein unvoreingenommenes Urteil durch den Rat. Danke für diesen Dienst. Dennoch muss ich dich verurteilen. Stelle dich also darauf ein außerhalb von Ethymien zu leben. Nun genug der Worte, wir müssen nun schleunigst diesen Ort verlassen, um an unser Leben zu denken. Immerhin befinden wir uns weit außerhalb von Ethymien."
XXX
Auf dem Rückmarsch durch die ausgedehnten Wälder kamen sie mit dem Vieh und dem Tross nicht so schnell voran, wie es geplant war. Dennoch nach acht strapaziösen Marschtagen erreichten sie endlich das Bollwerk und schlüpften noch rechtzeitig durch das Tor, bevor ein erster Angriff einen Tag später erfolgte. Der General wollte offenbar seine jüngsten Niederlagen nicht akzeptieren. Mit eintausend Männern griff er das Bollwerk an. Hunderte Gegner lagen nach dem Angriff vor dem Wassergraben und rangen um ihr Leben. Erst in der Nacht konnten sie die noch lebenden Gegner von dem Schlachtfeld einsammeln. Pferde und auch die verstorbenen Gegner wurden geborgen. Genau damit hatte der Oberst gerechnet und nun starben Gegner bei einem unnützen Anrennen gegen eine Mauer, die sie niemals erreichen konnten. Die Brücke über den Graben war zu schmal, um genügend Männer vor das Bollwerk zu führen. Die schweren Armbrüste wirkten verheerend unter den Angreifern, so dass sie vorerst nicht in Bedrängnis gerieten. Genauso klar war, dass der General es an einer zweiten oder dritten Stelle probieren würde, um Zugriff auf das Land zu bekommen. Von Süden her bestände eine Möglichkeit, aber es würde einen Umweg von zwanzig Tagen bedeuten. Die Nordflanke wäre die zweite Möglichkeit, aber größere Einheiten müssten immer ihre Wasservorräte mitschleppen. Die zuerst zerstörten Bastionen boten nur für zweitausend Tiere Wasser pro Tag. Somit war es ein hohes Risiko diesen Weg zu wählen. Übrig bliebe damit nur das Rote Tor. Die beiden schmalen Gebirgspässe waren hoffentlich soweit verbaut, um sie lange Zeit verteidigen zu können. Jeweils zweihundert Männer reichten an den Stationen, um einen Einfall fremder Truppen zu unterbinden. Somit blieb das Rote Tor, der einzige logische Weg.
XXX
In Bleiberg erhielt der Obrist erst einen vollständigen Überblick über die Bemühungen des Königs von Ranak. Die Vasken und Reesen hatten offenbar ihre Ziele erreicht. Die Nordmänner hatten eine Mark besetzt und verteidigten sich geschickt in dem dichten Waldland, wo weder Lanzenreiter noch schwere Infanteristen einen größeren Wert bei einem Vorstoß besaßen. Ganz weit im Osten gab es noch Überfälle durch die Oseken, die Ranak eine Stadt in der Steppe abgenommen hatten. Im Süden gab es gelegentliche Angriffe durch unbekannte Steppenvölker, die offenbar von der Schwäche Ranaks erfahren hatten und dort ihr Glück auf die Probe stellten. Damit musste der König nun auch sein Augenmerk in diese Richtung lenken und dort ebenfalls Truppen stationieren, die an anderer Stelle zukünftig fehlen würden. Welche neuen Entwicklungen sich daraus für Ethymien ergeben konnten blieb vorerst fraglich. Jetzt verfügten sie wieder über genügend Pferde und über siebenhundert erbeutete Fuhrwerke mit weiteren Gespannpferden, um etwa fünfzig neue Fuhrwerke in Ethymien herstellen zu lassen.
In seinen Gedanken entwarf er einen kühnen Plan: "Der Verrat von Tiberius an dem Volk und meiner Familie muss ebenfalls in naher Zukunft aufgedeckt werden, damit dieser Intrigante Kerl samt seiner Sippe aus dem Rat befördert wird. Tiberius blieb danach nur die Wahl das Land als Bettler ohne Zunge zu verlassen oder von der Klippe zu springen. Genau dieser Plan muss fein säuberlich vorbereitet werden. Zuerst sollten die fehlenden Schreiben gefunden werden und im Anschluss mussten Klagen gegen Tiberius und seine rüden Söhne eingereicht werden. Erst nach der Verurteilung bestand die Chance Ethymien dauerhaft zu sichern. Zudem muss noch das Haus von Tiberius auf den Kopf gestellt werden. Dort ließen sich vermutliche sicher weitere Beweise und ein wenig Gold sichern. Zudem muss eine Überprüfung der Besitzstände der Familie durchgeführt werden. Dafür jedoch bedurfte es Zeugen." Rasch rief er vier vertraute Männer. Ars, Teber, Mascot und Deliran. "Rasch erklärte er seinen Plan und die Aufgaben, die zu erledigen waren. Dazu gehörten ebenfalls die Order die Hälfte der Beute an Nahrung und Pferden hier zu behalten. Insbesondere seine Zuchtpferde mussten hier bleiben. Erst danach wurden sie entlassen, um die Aufträge auszuführen. Er selbst schrieb weitere Befehle am Abend, um in den Städten und den ehemals eigenen Bastionen alles für einen Krieg vorzubereiten. Geruhsam kochte er sich danach einen Malventee, der ihm besser bekam als der saure Truppenwein, den die meisten Soldaten bevorzugten. Dazu gab es die Tagesration Brot, Schinken und Käse.