Die Zeit nutzte Leondur, um den Felsriegel zu passieren und mit Spähern das andere Ufer zu erkunden. Zehn Reiter von Großkahn hielten respektvoll Abstand. Sie wussten, dass sie gegen einhundert Reiter keine Chance besaßen. Offenbar hatten sie schon einmal Kontakt mit den Spähern gehabt, die schon mehrfach solche Gruppen eingefangen hatten. Auch an diesem Tag sollte es wieder der Fall sein. Bereits in der Nacht waren drei Gruppen von ihnen über den Riegel vorgedrungen, um die Gegner auszuspähen. Mit nur einem Pfiff mit einer Trillerpfeife erschienen die Gruppen aus verschiedenen Richtungen und umzingelten die Gegner, die recht schnell ihre Waffen fallen ließen. Mit gesenkten Häuptern passierten die Gefangenen Leondurs kleine Truppe. Sie folgten dem Riegel noch eine halbe Meile. Auf diesem etwas herausgehobenen Punkt überblickte man weite Teile der Südseite vom See. Leondur war erstaunt, dass hier noch sehr viel Heu geerntet werden konnte. Einige Gazellen betrachteten sie aus einer größeren Entfernung respektvoll.
Marsch, der Anführer dieser Einheit begann zu sprechen. "Diesen Punkt sollten wir für uns gewinnen. Von hier aus erkennt man die drei Schluchten, in denen die Steppenvölker leben. Die Gegner erscheinen immer aus einer nicht einsehbaren Schlucht im Osten. Dort soll es im Hinterland eine große Stadt geben, in der der Großkahn bis vor drei Wochen residiert hat. Er hat seine Truppen abgezogen, weil es hier nichts mehr zu beißen gibt. Nach unseren Erkenntnissen hocken dort nur noch einige Dutzend Reiter. Nun sehen wir in Richtung Westen. Hinter der hohen helle Klippe stand einst eine Festung, die längst verlassen ist. Die Nomaden meinen, dass der Ort verflucht sei, weil dort einst ein böser Herrscher lebte. Die Festung jedoch besteht aus gut behauenen Blöcken, die man leicht bergen könnte. Es ist nur ein Vorschlag. Und noch eine Beobachtung die wir gemacht haben. Das Baumaterial für die Festung wurde hier in der Nähe abgebaut. Es ist ein heller Kalkstein, so wie bei uns im Norden. Möglicherweise könnte man hier den Kalkstein brechen und zum Bau vom Vorwerk und der Festung nutzen. Dadurch wären die Transportwege bedeutend kürzer. Die Fuhrwerke müssten nicht mehr über viele Tage durch die Wildnis fahren. Auch das ist nur ein simpler Vorschlag." Leondur nickte zuerst nur. "Wir schauen und den Kalkstein an. "
Gemeinsam ritten sie zu dem Steinbruch. Das Gestein war hart und dennoch leicht zu bearbeiten. Langsam ritten sie zu dem Hochpunkt vom Riegel zurück. Dann zeigte ihm Marsch einige Stellen, wo dieser Kalkstein ebenfalls bis knapp unter die Oberfläche reichte. Baut man das Gestein hier ab, dann erhält man recht schnell einen breiten und tiefen Graben. So hat man zugleich zwei Probleme gelöst. Man erhält einen guten Baustoff und einen kaum überwindbaren Schutzgraben. Mit zwanzig Spannen Breite und zehn Spannen Tiefe springt da keiner mehr rüber." Leondur lächelte. "Das sind die besten Vorschläge, die ich seit langer Zeit gehört habe. Bespreche es bitte mit dem Baurat Breithaupt. Ich denke, dass er sich der Sache annehmen wird." Marsch lag noch etwas auf der Seele. "Wir haben auch die Gefangenen ausgiebig beobachtet. Zwei Kerle vom Syndikat wirken recht unzufrieden. Sie sorgen immer wieder für Streitigkeiten und verzögern so den Bau der Festung. Sie wiegeln die anderen Gefangenen auf und benehmen sich merkwürdig. Meiner Meinung nach sollte man die beiden Kerle zunächst trennen und weiterhin beobachten. Reicht das nicht, dann sollten wir besser auf deren Mitarbeit verzichten. Ich denke, solche Leute denken immer nur daran anderen Menschen zu schaden. Verzeiht, aber ich kenne die Leute von Syndikat nur zu genau."
"Zeige mir die Leute. Ich kümmere mich sofort darum. „Auch für diese Information bedanke ich mich , Marsch. Wenn du einmal einen Wunsch hast, dann sage ihn mir. Manchen Wunsch kann ich erfüllen. Verlasse dich auf mein Wort." Marsch lächelte. "Ich hätte einen verwegenen Wunsch. Zur Geburt meines ersten Kindes möchte ich gerne bei meiner Frau sein. Die Geburt wurde von Rediet in etwa sechs Wochen angekündigt. Eigentlich müsste ich noch acht Wochen hier meinen Dienst verrichten und dann hätte ich mein Wort gegenüber meiner Frau gebrochen." Leondur kannte dieses Gefühl. Marsch war eine treue Seele und solche Männer musste man auch einmal belohnen. "Reite rechtzeitig ab, dann ist uns beiden gedient. Und verspreche mir mit deiner Frau bei mir und Rediet einen Besuch abzustatten. Ich bin gerade auch Vater geworden und kenne dieses Gefühl der inneren Unruhe. Brauchst du einen schriftlichen Befehl oder reicht es, wenn ich mit deinem Vorgesetzten ein Gespräch führe?" Marsch strahlte. "Ein Gespräch mit meinem Vorgesetzten sollte reichen. Es ist Hauptmann Drexler. Er ist ein alter Haudegen, aber auch ein guter Offizier. Von ihm kann man viel lernen und er sorgt gut für uns." Leondur freute sich. Er konnte zumindest einen seiner Männer glücklich machen und der Hauptmann war ein guter Freund. Also warum sollte ein Gespräch nicht geführt werden. "Lasst und abziehen und dann reiten wir zum Hauptmann, damit alles besprochen ist und wir alles regeln können."
Der Ritt war eigentlich zu kurz, aber von dieser Perspektive sah man, dass jeder Gegner einen guten Einblick in die Festung erlangte, wenn er auf diesem Punkt stand. Das Vorwerk an dieser Stelle war also ein Muss. In der Baustelle angekommen fanden sie den Hauptmann in einem Zelt. Der Hauptmann begrüßte den hohen Besuch. "Liegt etwas an, Oberst?" "Ja, mein Freund, Marsch wird früher in die Heimat reisen. Seine Frau erwartet ein Kind und da ich auch gerade Vater geworden bin, kann ich seinen Wunsch verstehen. Nun, wie bekommen wir die Kuh vom Eis." Drexler lachte erfrischend. "In acht Wochen sollte er mein Nachfolger werden. Wenn es sein muss mache ich es auch einige Wochen früher. Immerhin muss ich in acht Wochen in Talin auflaufen, um die Ausbildung von neuen Spähern zu überwachen. So, wie ich hörte, sollen sich dort auch Nordmänner und Vasken einfinden. Ich weiß nicht, ob es eine gute Idee ist, denn viele der rohen Klötze können kaum reiten und wissen nicht auf welcher Seite sie das Pferd füttern müssen." "Du wirst es ihnen beibringen, da bin ich mir sicher." Gemeinsam suchten sie danach die Gefangenen auf. Leondur erkannte einen der Männer. Er ging direkt auf den Kerl zu. Rasch stand der Kerl auf. "So sieht man sich wieder. Ich hörte, dass ihr mit eurer Arbeit nicht zufrieden seid. Ich werde es ändern. Schaut nach Süden. Demnächst werdet ihr dort schuften." Leondur spürte den Hass in dem Mann und er wusste, dass er bald zuschlagen würde. Rasch drehte er sich um und verpasste dem Mann einen Faustschlag mitten ins Gesicht.
"Ihr lernt offenbar nicht dazu. Begreift, dass euer Leben endlich ist. Da drüben bekommt ihr ein eigenes Zelt. Dort dürft ihr Steinblöcke aus dem Fels schlagen. Und eure Mitstreiter sind humorlose Kerle, die euch wie eine Mücke zwischen ihren Fingern zerquetschen können. Nein, leicht werde ich euch euren Abgang nicht machen. Dort drüben kommen ab und an Feinde vorbei. Sie sprechen unsere Sprache nicht und möglicherweise nehmen sie euch mit. Aber wahrscheinlicher ist, dass sie dir einfach einen Pfeil zwischen die Rippen schieben. Von nun an wirst du lernen, was es heißt, jeden Tag als letzten Tag zu betrachten." Leondur drehte sich zu Marsch. "Wo ist der zweite Stinker?" Marsch deutete auf einen älteren Mann. Leondur ging zu dem Mann. "Aufstehen. Ihr ward mal so ein hohes Tier beim Syndikat. Aber jetzt seid ihr nur noch ein Arbeitstier. Ihr habt zu viele Leben genommen und nun beklagt ihr euch über die Strafe. Also, was stört dich an diesem Ort?" Braune Augen starrten Leondur an. "Sagen wir es so, die Betten sind zu hart. Die Verpflegung ist zu schlecht und das Umfeld gefällt mit nicht. Und so einen Kotzbrocken sehen zu müssen gefällt mir noch weniger." "Gut, ihr dürft woanders arbeiten. Sobald möglich bepflanzt ihr das Ufer mit Schilf und Papyrus. Die Arbeit ist nicht so hart, aber ein wenig riskanter. Ich hörte, da gäbe es nette Tierchen mit vielen Zähnen, die sich hin und wieder einen Happen schnappen."
Der Kerl sammelte Speichel, um sie Leondur ins Gesicht zu spucken. Doch zuvor traf den Mann ein derber Faustschlag mitten ins Gesicht. "Das war eine kleine Aufmunterung, damit das Gehirn wieder mit der Arbeit beginnt. Wer mich anspucken möchte, sollte lernen, dass er es niemals schaffen wird. Hauptmann, der Mann wünscht sich eine Sonderbehandlung. Er verschwindet erst einmal zehn Tage in der Grube. Sollte er weiteren Ärger verursachen, dann lernt er von den Feuerameisen und wenn dass nicht hilft, dann lasst ihn spazieren gehen, hinter einem Transportwagen, bis er irgendwo verreckt." Leondur sah nun zu den anderen Gefangenen. "Eure Strafe beträgt zwischen fünf und zehn Jahren. Natürlich könnt ihr die Zeit verkürzen, wenn ihr ihm folgt. Aber, das Sterben ist dann nicht so leicht. Wenn ihr ihm folgt, dann ist es eure Sache, aber dumm, denn ihr werdet nie wieder frei sein. Männer, die nicht dazu lernen, die enden hier."
Der Kerl vom Syndikat wurde fort geschleift, Außerhalb bekam er ein Zelt in einem tiefen Loch zugewiesen. Die Wachen stießen ihn in die Grube , in der es recht eng und stickig war. Der Kot seiner Vorgänger lag noch auf dem Boden und das war sicher kein Ort, an dem man sich wohl fühlen konnte. Die anderen Gefangenen sahen es und merkten, dass dieser Herr ein andere Gangart anschlug, die kein Fehler verzeihen würde. Laut entließ er noch. "Ich bin der Rote Teufel. Wer mich ärgert wird es bereuen. Mein Wort drauf. Früher gab es noch richtige Strafen, aber heute werden alle so sentimental, wenn man einen Verbrecher die Gedärme aus dem Wanst reißt. Verbrecher verdienen nichts anderes. Oder möchte mir jemand ins Wort fallen."
Entspannt ging er zum Hauptmann. "Macht den Männlein klar, dass es hier um deren Leben geht. Lasst ab und an die neunschwänzige Katze tanzen oder zerschlagt ihnen mit einem Hammer die Knochen. Immerhin sollen die Kerle merken, dass sie glücklich sein dürfen, dass sie etwas in den Wanst bekommen und leben dürfen. Andere hätten sie längst schon an die Feuerameisen verfüttert oder aufgeknüpft." Nebenher sah er zu den Bauhandwerkern, die eifrig arbeiteten. Marsch besprach sich bereits mit dem Baurat, der interessiert zuhörte. Erst jetzt begab er sich zu dem Küchenzelt, um sich eine Suppe zu sichern. Derzeit überlegte er noch, was der nächste Schritt sein musste. Die Wasserbecken waren der Schlüssel für dieses Land. Ohne Wasser und Schatten überlebte man nicht in dieser Umwelt. Aus seinen Gedanken wurde er von dem Baurat gerissen. "Ich hatte eben ein Gespräch mit einem jungen Offizier. Was sagt ihr zu seinem Vorschlag?"
Leondur schaute auf. "Es wäre der Punkt, an dem der Großkahn seine Wut austoben würde. Die Bastion oder Festung müsste etwas besonderes sein. Die Mauern müssten dicker sein und der Graben muss zu einer Todesfalle werden. Auf den Mauern müssten sämtliche Waffen Platz haben und wir brauchen dort Wasserbecken. Der Turm muss mein Wappen tragen, denn alle Menschen sollen sehen, wer bis zu diesem Punkt vorgedrungen ist, um einen Frieden zu erreichen. Sicher, die Mauern sehen abschreckend aus, aber Händler dürfen das Tor durchschreiten. Immerhin ist der Handel eine Stütze unserer Gesellschaft und der Wirtschaft." Baurat Breitkopf nickte. "Dann sollten wir aber auch noch eine Begrüßung über dem Tor anbringen, damit die Leute wissen, wer hier Handel treiben darf. Natürlich lasse ich mir etwas einfallen, aber die Mauern müssen wir stärker machen. Sie müssen dem Gegner postulieren, dass wir gewillt sind diesen Platz zu behaupten. Ich schaue mir den Platz an und mache mit Marsch ein Aufmaß, damit ich mit den ersten Entwürfen beginnen kann. Ich denke, dieses Vorwerk wird mein Meisterwerk, denn ich sah die Höhenunterschiede und zudem muss der Abstand der Mauer zum Graben hin genau berechnet werden. Wenn dort tatsächlich festes Gestein ansteht, dann ersparen wir uns die Errichtung eines Fundaments. Die Türme allerdings benötigen ein solides Fundament. Aber seid gewiss, ich schaue es mir an und werde versuchen ein wehrhaftes Bauwerk zu errichten. Was wir jedoch benötigen sind Zement und anderes Gestein. Bausandstein wäre gut, allerdings weiß ich nicht, ob wir ihn in dieser Gegend finden werden. Möglicherweise müssen wir anderes robustes Gestein nehmen. Aber ich lasse mir etwas einfallen. Immerhin gibt es immer verschiedene Möglichkeiten, um ein Ziel zu erreichen."
Leondur war beeindruckt. "Ich denke, die Planung ist bei euch in den besten Händen. Könnt ihr mir bei Gelegenheit einen Entwurf zukommen lassen, damit ich eine Vorstellung von dem Bauwerk erhalte. Mir ist es nicht gegeben mir Gebäude vorzustellen, die ich noch nicht zuvor sah." Der Baurat taute das erste Mal auf. "Wir haben vieles Gemeinsam, aber ich habe halt eine Vorstellung in meinem Kopf, wie so ein Bauwerk aussehen könnte, bevor es errichtet wurde. Ohne diese Vorstellungskraft wäre ich vielleicht Krieger, Bauer oder Forscher geworden. Ihr und ich haben unsere Fähigkeiten wohl recht früh erkannt und sind unserem Weg gefolgt. Das zeichnet uns aus." Leondur wiegte sacht den Kopf. "Ich wollte nur Pferde züchten. Das war meine Leidenschaft. Die Sklavenzeit und die vielen Kriege lehrten mich dazu noch, dass kluges Handeln das Leben verlängert. Ich hatte gute Lehrer und ich musste sehr vieles lernen, was ich nie anstrebte. Aber - ich lernte offenbar so gut, dass mich auch nicht als Krieger schämen muss. Und nun lerne ich die Rolle eines Königs kennen. Auch diese Rolle möchte ich gut und gewissenhaft ausfüllen, damit das Volk mir folgt." "Mein Weg nahm auch unerwartete Umwege, aber so ist das Leben. Ich war Hofmaler, zwei Jahre machte ich die Finanzplanung erst dann war eine Stelle bei den Architekten frei. Unter euren Vorgängern wurde nichts gebaut. Es war eine traurige Zeit, aber ihr habt ausgemistet. Das war unser aller Glück. Jetzt können wir alle wieder mit Freude schaffen. Wenn ich auch ehrlich sein darf. Ich hatte schon fast die Hoffnung verloren, dass sich die Zeiten wieder ändern würden. Über sechs Jahre überwachte ich die Aussaat und die Ernten und erstellte dröge Berichte für die Obrigkeit, die daraus jederzeit ihren Profit schlug. Und die Umbauten am Palast und dem Schatzhaus entnahmen wir den Gewinnen aus dem Verkauf des Plunders der ehemaligen Räte. Rediet hatte es uns erlaubt und wer braucht schon so teure Tuchwaren aus Seide, Kleider und Schuhe, die mit Edelsteinen besetzt sind. Dazu kamen die Einnahmen von den unrechtmäßig bestellten Feldern. Erst nach der Ernte haben wir die Äcker an die rechtmäßigen Eigentümer zurückgegeben. Und bei dem Umbau der Amtsstuben fanden wir noch reichlich Gold, Rediet hat es sich alles notiert und den Schatzhäusern übergeben. Der Bau der Festungen wurde auf diese Weise finanziert. Unser Hoffen baut darauf, dass wir bald die Edelsteine an Purnis und andere Länder verkaufen können. Im Süden gab es einst einen wohlhabenden König, der unsere Edelsteine reichlich kaufte. Dazu haben wir Getreide, Werkzeuge und Gemüse mit den Steppenbewohnern gehandelt. Jetzt wird es noch längere Zeit dauern, bis wir Überschüsse aus dem Verkauf von Vieh erwirtschaften. Und, der Pferdeverkauf liegt in euren Händen. So dass uns diese Einnahmen fehlen. Aber auch diese Zeit werden wir überstehen, weil wir wissen, dass ihr weitsichtig planen könnt."
XXX
Es galt lagweilige Ratssitzungen zu überstehen und es wurden neue Gesetze besprochen, die die Eigentumsrechte verbessern sollten. Zugleich wurde darüber beraten einen zweiten Tempel im Land zu errichten und die Torbesatzungen an zwei Toren zu reduzieren, da sich die Lage beruhigt hatte. Fast allen Vorschlägen stimmte Leondur zu. Das Volk wollte neuerdings an der Beute beteiligt werden. Oder die Kosten würden rasant steigen. Doch diese Vorschläge blockte er massiv ab. "Ich gab euch Vieh und Pferde zu jeder Zeit und alles war kostenlos. Offenbar wurde es nach so kurzer Zeit bereits vergessen. Meine Familie gab euch kostenloses Land und Häuser in denen ihr kostenlos wohnen könnt. Ihr zahlt keine Steuern und eure Einnahmen haben sich in den letzten Monaten verdoppelt. Reicht das nicht und überseht ihr nicht wesentliche Punkte in eurer Rechnung. Ich statte die Truppe mit Pferden aus, ich bezahle die Gehälter der Soldaten und den Bau neuer Festungen, damit nie wieder ein fremder Herr dieses Land ausplündert. Wollt ihr die Truppe bezahlen? Habt ihr euch überlegt, dass bald ein brutaler Kriegsherr mit einhunderttausend oder bedeutend mehr Kriegern an unsere Pforten klopfen wird. Also, was ist euch der Frieden wert? Oder wollt ihr allesamt brutal abgeschlachtet werden." Die Ratsmänner schauten beschämt auf ihre Papierstapel, die vor ihnen auf den Tischen lagen. Mit dieser heftigen Reaktion hatten sie nicht gerechnet. Leondur setzte nach. "Ich ließ in den letzten Monaten hunderte Schwerter schmieden, dazu Bögen anfertigen und zehntausende Pfeile. Die Sattler verdienen an jedem Sattel, den ich erwerbe. Nun gut, dann werde ich doch hoffentlich zukünftig an den Gewinnen der Edelsteinfunde gerecht beteiligt und ihr zahlt erstmals Steuern, um alles zu finanzieren. Zusätzlich werde ich endlich eine Pachtgebühr für mein Land einführen und natürlich auch Miete auf meine Häuser erheben. Ach, und ich gab euch letztes Jahr und dieses Jahr jeweils zehntausend Golddukaten extra. Sagt mir, wo ist das Geld geblieben?"
Ein korpulenter Ratsherr wagte eine Widerrede. "Herr, das Leben wird teurer und wir brauchen mehr Land." Barsch fuhr Leondur dazwischen. Ich lasse also eine Steuerprüfung durchführen. Wehe dem, der sich an diesen Geldern bereichert hat. Es war abgemacht, dass ihr mir eine saubere Buchführung vorlegt. Also, wo sind diese Bücher?" Das kalte Schweigen war vollkommen. "Herr, wir haben alle Vorhaben im Rat beschlossen und dafür die vereinbarten Summen ausgezahlt. Schaut in unsere Bücher, dann werdet ihr sehen, dass wir alles ordentlich eingetragen haben." Leondur schüttelte den Kopf. "Wollen sie das wirklich? Warum kostet ein Hausbau jetzt doppelt so viel wie zuvor? Warum kostet eine Brücke nun sechshundert Golddukaten, die zuvor nur einhundert Golddukaten gekostet hat. Zumal die Brücke bezahlt wurde, aber noch kein einziger Stein bewegt wurde. Glauben sie ernsthaft, dass ich es mir gefallen lasse, dass sie das Land bestehlen. Sie wissen hoffentlich auch, dass darauf ein Sprung von der Klippe folgt. Also holen sie die Gelder zurück und sie retten ihr Leben. So sieht es für mich aus. Zudem gefällt es mir nicht, dass sie sich ihre Dienste inzwischen fürstlich entlohnen lassen. Denken sie nur an ihren Eid und den damit verbundenen Pflichten."
Vier Ratsherren wollten den Saal verlassen. "Halt, zuerst begleiten euch meine Wachen zu euren Ratsstuben und dann werden sie den Raum auf den Kopf stellen, um die Bücher zu finden. Ich kenne die Kosten für jedwede Ausgabe, wie sie letztes und dieses Jahr verbucht wurde. Ich kenne sehr viele kleine Betrügereien von ihnen. Herr Bomann, wo ist mein Pferd? Ach, er vermietet es an ein Fuhrunternehmen. Herr Gertens. Wir kauften bei euch tausende Samen und Jungpfanzen. Ihr habt prächtig verdient und dann stellt ihr dem Rat eine Rechnung aus, weil ihr die Pflanzen ja transportiert habt. Dabei haben meine Männer sie jeweils von euren Hof abgeholt. Ich nenne es Betrug, zumal ihr einen Königsaufschlag in geheimen Sitzungen untereinander ausgehandelt habt. Die meisten von Ihnen werden also einen Gang zur Klippe machen, da sie ihren Eid gebrochen haben."
"Damit ich Klarheit erhalte, sammeln meine Männer die Bücher ein und überprüfen jede Transaktion mit den realen Preisen. Wird Betrug erkannt, dann folgt der Sprung von der Klippe. Immerhin riskieren meine Männer ihr Leben in den Kämpfen. Sie beschützen sie jederzeit und zum Dank, wollt ihr noch meine Männer bestehlen. Nein, das muss und wird ein Ende haben. Ich beauftrage meine Männer, eure Häuser zu inspizieren und jede dort vorgefundene Münze einzuziehen. Vorher verlässt keiner den Saal. Wachen, stellt sicher, dass keine Person den Raum verlässt, bis die Ratstuben und die Wohnhäuser der Herrschaften durchsucht wurden. Meine Pferde und das Vermögen der Damen und Herren wird eingezogen. Sämtliche aufwendige Kleidung, Schmuck und alles, was neu ist landet auch auf den Wagen. Untersucht auch die Häuser ihrer Anverwandten. Die Seidenroben nehmt ihr den Leuten sofort und auch die schicken Schnallenschuhe mit Edelsteinen und Goldverzierungen. Offenbar glauben die Leute hier, dass sie plötzlich allesamt besser herumlaufen müssen, wie ihr König, wie die Soldaten und meine Bediensteten." Elegant erhob er sich und verließ den Saal. Natürlich wussten die Leute nicht, wie ihr Schwindel aufgeflogen war, aber das ließ sich immer noch am Gerichtstag nachholen.
XXX
Gut gelaunt ritt er zum Palast. Immerhin war es jetzt ein würdiges Herz des Landes. Zudem waren die Männer gut vorbereitet. Sie wussten, wo sie zu suchen hatten und welches Ratsmitglied welchen Betrug begangen hatte. Rediet empfing ihn. Aufgebracht stellte sie sich ihm in den Weg. "Du willst die Ratsmitglieder schon wieder richten lassen? Nein, dass lasse ich nicht zu. Mir ist bewusst, dass sie ihre Eide gebrochen haben, aber muss es immer gleich die Klippe sein?" Leondur lachte entspannt. "Natürlich werden sie bestraft. Sie werden dieses Land mit den Habseligkeiten verlassen, die ihnen zustehen. Mehr nicht. Verzeih, aber ich brauche Siedler und diese Familien dürfen einen Neustart in ihrer neuen Heimat probieren. Die schweren Verbrecher werden samt ihrer Sippe für fünf Jahre für mich arbeiten dürfen. Natürlich ohne Lohn und auf einer halben Hufe Land müssen sie ihre Nahrung erwirtschaften. Sie bekommen dort eine Siedlerhütte, ein Pferd, Vieh und Werkzeug. Natürlich mache ich mir Gedanken, um dieses Drama zu beenden. Ich werde acht Räte beschäftigen, die sich um alle Aufgaben kümmern werden. Sie reisen jahrlich zu den Hauptorten, wo die Sitzungen mit dem Volk zusammen durchgeführt werden. Danach beraten die Räte und ich uns, welche Maßnahmen wir fördern wollen. Die Clan Anführer erhalten ein gesondertes Stimmrecht, damit alle Regionen die gleichen Möglichkeiten haben, dringende Vorhaben durchzuführen. Und, wir werden jedes Jahr eine Verkaufsmesse in Talin abhalten, damit alle Leute dort die hier produzierten Waren kaufen können. Der Ort ist wichtig, weil dahin auch die Leute aus Ranak, den Nordlanden und von den Vasken anreisen können. Natürlich erlauben wir auch Händlern aus diesen Ländern dort ihre Waren zu verkaufen. Purnis und andere Länder werden auch eingeladen. Ich denke, dass ist die beste Lösung für all unsere Probleme." Rediet zeigte sich erleichtert. Und Leondur erweiterte seine Aussage noch. Du erhältst sogar zwei zusätzliche Tempel. Einen alten Tempel fanden wir an der Grenze zum Ödland und einer wird in Talin errichtet. Nun ist es an dir, die passenden Damen auszubilden und auf ihre Aufgabe vorzubereiten." Überrascht schaute sie ihn an. "Ich verstehe dich nicht, aber immer wieder zeigst du dein mildes Herz. Aber warum hast du den Leuten sofort mit der Klippe gedroht? Das verstehe ich nicht."
"Die Leute müssen spüren, dass sie alle erwischt wurden und nun gebe ich ihnen Zeit, um über ihre Verfehlungen nachzudenken. Das Gericht wird sie öffentlich brandmarken und sie werden als Bettler das Land verlassen. Gnädig, wie ich bin, weise ich ihnen neue Ländereien zu, die sie nutzen können, falls sie es wollen. Ich zeige damit Gnade. Ich glaube, das Volk liebt Könige, die Gnade walten lassen. Zumindest stand es in einem alten Buch, welches ich einmal gelesen habe. Damals war es mein Ideal, dass ein König gerecht regiert und dieses Ideal möchte ich weiterhin durchsetzen." Jetzt wusste Rediet, woran sie bei Leondur war. Er achtete auf die Gesetze und das Volk. Darüber hinaus wollte er mit seinen Ideen den Wohlstand des Volkes steigern. "Danke, du überrascht mich immer wieder. Aber, wer brachte dich auf diese Ideen?" "Rediet, lasse mir auch ein paar Geheimnisse. Nur so stelle ich sicher, dass ich jederzeit alles von meinen treuen Bürgern erfahre."
Gelassen ging er danach zu Asja, die bereits schlief. Die Ammen kümmerten sich liebevoll um den Sohn, der bald seinen ersten Namen bekommen würde. Noch wusste Asja nichts von diesem Brauch, aber es ließ sich alles besprechen. Zufrieden suchte er danach sein Bett auf, denn diese Gier nach Reichtum hatte ihm mehr zugesetzt als er sich eingestehen wollte.