Nach der Inspektion aller Bastionen und der Einheiten begaben sie sich auf den Weg zum Roten Tor. Im Tiefland, welches sich als ödes Steppenland ausbreitete, wurde es stetig wärmer und die Pferde mussten an jedem Bachlauf mit ausreichend Wasser und geeignetem Futter versorgt werden. Zur Schonung der Pferde führten sie die Tiere über weite Strecken. Befehle sorgten dafür, dass die Männer die Tiere vor Skorpionen und Klapperschlangen schützen sollten. Immerhin war diese Gegend für dieses gefährliche Getier bekannt. Treidur platzierte sich auf dem Marsch provokativ neben den Obristen. "Welche Strafe erwartet Brent? Ich hätte es zu gerne erfahren. In der Bastion hat er mir sein Herz ausgeschüttet. Nach dem langen Gespräch weiß ich nicht, welches Urteil für ihn gerecht wäre. Immerhin hat er auch den Hochverrat gegen deine Familie aufgeklärt. Wenn es gerecht sein soll, dann muss es ein mildes Urteil sein. Und dann noch eine Kleinigkeit oder Bitte. Zwei Söhne von Tiberius haben die Stallburschen mit Waffen bedroht. Wäre Alek nicht dazwischen gegangen, dann wäre der Junker hin gewesen. Gerne trage ich auch diese Geschichte vor eurem Gericht vor. Endrik hat ähnliches auf dem Marktplatz beobachtet, als sie uns einige Säcke Getreide klauen wollten. Und zufällig sah Jensei, wie die beiden Rotzlöffel ein Pferd gestohlen haben. In meinen Augen halte ich diese Leute für zu gefährlich, um sie im Land zu behalten. Zufällig prahlte der mittlere Sohn von Gold, welches sie bereits gestohlen hätten. Unter dem Dielenfußboden hätten sie ein feines Versteck. Gerne helfen wir dir, um dieses Geschmeiß an den Galgen zu bringen. Das wollte ich nur gesagt haben. Ich weiß auch, wo sie die Schreiben von dem General versteckt haben. Alles soll sich in dem Arbeitszimmer in der Ratshalle befinden. Angeblich steckt es unter einem Fensterbrett. Und wenn ich die Kameraden frage, dann können wir sicher alle aus der Sippe ans Messer liefern. Ich würde auch noch mit dem Major sprechen, der war damals der Überbringer des Goldes für den Mord an deiner Familie. Sechstausend Gulden hat der olle Tiberius dafür erhalten. Sein ältester Sohn hat die Mörder zu dem Haus deiner Familie geführt. Und ich denke, dass wir auch genügend gegen den Marsal in der Hand haben, denn er hatte damals die Pflicht deine Eltern zu beschützen. Aber genau an dem Abend standen keine Wachen rings um das Haus. Du hast es also mit mehr als einem Verräter zu tun. Ich habe bereits dafür gesorgt, dass zehn unserer Schattenmänner stets in deiner Nähe sind, weil auch eine Frau aus dem Rat darin verstrickt sein soll. Sie hat angeblich den Kerlen, die deine Schwester geblendet haben, die Schlüssel zu dem Heiligtum überlassen. Sei also auf der Hut. Es sieht für mich so aus, als hätten sich viele Personen aus dem Rat damals die Hände schmutzig gemacht." Rasch zog sich Treidur nach der Übergabe der Informationen zurück. Offenbar wollte er dem Obristen Zeit zum Nachdenken geben.
Meiko, der Anführer der Meldereiter näherte sich. "Oberst, wir haben herausbekommen, was der König von Ranak derzeit plant. Nächstes Jahr, wenn die Steppe nach der Regenzeit erblüht ist, dann sollen etwa dreitausend Reiter aus dem Süden, also uns unbekannte Krieger, einen Angriff auf uns starten. Zur gleichen Zeit will er mit einer gleich großen Armee an anderer Stelle einen Angriff wagen. Wo sie angreifen wollen, wissen wir noch nicht. Zudem ist zu uns durchgesickert, dass eine erste Delegation aus einem fremden Land bald Ethymien besuchen möchte. Die Reesen werden es nicht sein. Das wissen wir mit Sicherheit. Auch die Asambari von vom Großen See können wir ausschließen. Zu den Völkern im Süden hatten wir bisher zu wenig Kontakt, so dass wir auf dem Auge bisher blind sind. Gleiches gilt für die Völker im Westen, zu denen wir bisher nur wenig Kontakte pflegten. Es liegen halt viele Berge zwischen denen und uns. Auch die Völker aus dem Norden kennen wir kaum, weil sich nie Kontakte durch die ausgedehnten Wälder ergeben haben. Straßen soll es dort auch nicht geben. Das hörte ich zumindest." Scherzhaft erwiderte Oberst Durlass. "Und was passiert, wenn es in diesem Winter keinen Regen gibt und die Steppe nicht im Frühjahr erblüht? Werden die Gegner dann auch an unsere Pforte klopfen? Bedenke dabei, dass wir schon bald acht große Regenauffangbecken mehr haben werden. Und es ist erfreulich, dass man uns endlich Aufmerksamkeit in Ranak oder einem anderen Land schenkt. Damit darf ich mich jetzt darauf freuen, wer bei uns vorbei schauen möchte. Nun gut, es ist zumindest ein blasser Hoffnungsschimmer. Ruhe dich jetzt aus und versorge das Pferd." Gut eine Stunde später erblickten sie die alte Grenzbastion von Ethymien, die diesen Teil des Landes gegen das Eindringen der Steppenvölker aus dem Süden schützte. Ein Teil der Wälle war bereits vom Sand überdeckt. Das Hauptgebäude und der Burgturm waren jedoch noch gut in dem Meer aus Sand zu erkennen. I
n seinen Erinnerungen forschend förderte er eine alte Legende in seinen Kopf. "Vor fünfzig oder mehr Jahren soll es hier noch Wasser und Bäume gegeben haben. Aber immer häufiger reichte der Regen nicht, so dass viele Quellen versiegten und das Wasser nicht einmal mehr reichte, um die Burgbesatzung mit Wasser zu versorgen. Blickte man nach Süden, dann war das gesamte Land im Süden auch mit Bäumen bewachsen. Jetzt wuchs dort nur noch dürres Gestrüpp, wenn es im zufällig Winter genügen Regen gab." Erst jetzt erinnerte er sich an die wenigen Bäche die sie passiert hatten. "Wer ist schuld an diesen Veränderungen. Waren es die Götter, die dieses Land verflucht hatten. Oder war es einfach der Lauf der Dinge, die stetig zu Veränderungen führen? Möglicherweise gibt es noch alte Aufzeichnungen im Archiv. Vielleicht hilft es uns sorgsamer mit dem Wasser umzugehen, um das Land wieder zu begrünen." An einem Wasserloch im Schatten der Burgruine legten sie eine Rast ein. Die Pferde bekamen Wasser in einen alten Steintrog gegossen und die Reiter kümmerten sich sorgsam um ihre Tiere. Zuvor jedoch hatten sie alles gefährliche Getier verjagt, damit sie ihren Pferden keine unnötigen Gefahren aussetzten. Natürlich dauerte es, um für alle Pferden Wasser bereit zu stellen. Kurzentschlossen gab der Oberst einen Befehl. Wir lagern hier, bis alle Pferde versorgt sind. Erst in der Nacht gehen wir die nächste Etappe an. Dann ist es hoffentlich kühler. Soweit ich mich erinnere gibt es auf halber Strecke zum Roten Tor ein größeres Wasserloch. Wenn wir behutsam vorgehen treffen wir etwa zur Mittagszeit vor dem Roten Tor ein. Gebt diese Meldung weiter. Da es kein Feuerholz gibt müssen die Rationen in den Satteltaschen reichen."
Unerwartet setzte in der Nacht auf dem Marsch Regen ein. Ein entferntes Gewitter bedachte sie offenbar mit genügend Regen, um auch die Ödnis mit Wasser zu versorgen. Für die Pferde wurde es dadurch nicht leichter. Jetzt mussten sie durch unsteten Schlamm reiten, aber die Pferde waren dafür leichter mit Wasser zu versorgen. Dennoch für die Reiter war es unangenehm mit durchnässten Klamotten auf den Pferden zu reiten. Aufmerksamer, als alle Soldaten in der Kolonne beobachtete der Obrist dieses seltene Ereignis. An manchen Stellen drang Wasser aus den Felsen und in den Senken bildeten sich rasch kleine Seen und an anderen Stellen bildeten sich sogar kleine Bäche, die dem Gefälle nach Süden folgten. Die Macht des Wassers war so groß, dass die Bäche tiefe Rinnen in den Boden gruben. An manchen Stellen bildeten sich sogar breite Schlammströme, die viel Erdreich abtrugen. So rasch wie möglich versuchten sie voran zu kommen, um diesem Regen zu entkommen. Da es stetig weiter regnete besserte sich die Situation für sie und die Tiere nicht. Nur träge und oft über Umwege gelangten sie deutlich später zum Roten Tor.
Der Obrist ließ die gesamte Kolonne passieren, um den Regen und die Auswirkungen auf die Ödnis längere Zeit beobachten zu können. Rasch erkannte er, dass der Boden, obwohl er trocken war kein Wasser aufnehmen konnte. Gelassen stieg er von seinem Pferd und kratzte mit seinen Stiefeln lange Furchen und sogar löcher in den Boden. Dort , wo sich die Löcher befanden versickerte das Wasser leichter und der Boden wurde auch nicht mehr vom Regen fort geschwemmt. Sofort rief er Soldaten mit Spaten und Schaufeln zu sich, die überall Löcher graben sollten. Es wirkte auf manche Beobachter sicherlich, wie ein Kinderspiel, aber selbst die Soldaten, die in einer langen Reihe die Löcher gruben, bemerkten den Unterschied. Eifrig legten sie immer mehr Löcher an, um hier möglicherweise bald ein Naturwunder bestaunen zu können. Weitere Soldaten eilten herbei und über hunderte Meter wurden tausende Löcher gebuddelt. Nach einer Stunde buddelten sie immer noch Löcher und der Regen versickerte an diesen Stellen nunmehr fast vollständig. Nur wenige Meter entfernt bildeten sich immer noch seichte Gerinne, die den Boden fort spülten. Erst jetzt ließ er weitere Soldaten kommen, die zwei Eimer mit Boden für ihn zum Tor befördern sollten. Als der Obrist bereit war endlich zum Roten Tor aufzusteigen, sah er noch etwas. Rechts und links von der befestigten Torzuwegung bildeten sich Seen. Mit einer Urgewalt drang das Wasser aus dem Boden und füllte rasch die beiden Senken aus. Danach ergoss sich ein breiter Strom aus Wasser und Schlamm in das Ödland. Die Macht der Natur und des Wassers war beeindruckend. Zu einem Mann gerichtet sagte er. "Ihr beobachte was mit den beiden Seen passiert. Ich möchte wissen, wie lange sich diese Seen halten. Ein Meldereiter oder besser drei Männer werden nach dem Ende des Regensturms auf den Weg gebracht. Sie sollen zur alten Bastion reiten und mir genau beschreiben, was sie dort sahen. Wenn es dort wieder Wasser gibt, dann müssen wir auch diese Bastion wieder aufbauen.“
Ein Blitz unterbrach kurz seinen Gedankengänge. Erst nach dem Ende des tiefen Grollens setzte er seine Überlegungen fort. „Mit dieser Bastion in unserer Hand kann Ranak unser Land nicht mehr von Süden her bedrohen. Das sollte unser aller Ziel sein. Und schaffen wir es noch, das Land wieder fruchtbar zu machen, dann wird unser Volk wieder erblühen." Der Aufstieg zum eigentlichen Roten Tor in den nassen Klamotten forderte ihn, aber dem Pferd wollte er die Mühe ersparen ihn die Steigung hinauf zu tragen. Erstaunte Blicke begegneten ihm, als sie den Obristen vor dem Tor sahen. Sie erkannten den Sinn dieser Aktion und klatschten laut Beifall. Ein Mann reichte ihm ein trockenes Tuch, damit der Obrist sich zumindest das Gesicht abtrocknen konnte. "Kann sich bitte einer um mein Pferd kümmern, ich möchte mich zuerst umkleiden und die nassen Sachen waschen lassen. Und nach einem Mahl möchte ich mit den Gelehrten und den Baumeistern sprechen. Und noch eine Kleinigkeit. Die Wagen werden hier entladen, bis auf die Kunstgegenstände und das Trockenobst. Die Rinder, die Pferde und das Gold werden hier eingelagert. Auch das Werkzeug für eine Schmiede bleibt hier und natürlich die Steinmetzwerkzeuge. Immerhin kann ich mit meinem Eigentum machen, was ich für richtig halte. Behaltet auch zwanzig Wagen hier. Auf jeden anderen Wagen wird mein Zeichen eingebrannt. Es sind die drei Sterne über der Sonne. Sendet zwei Melder zum Gelben und Blauen Tor. Dort soll alles so gemacht werden, wie an diesem Tor."
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Zuhause angekommen ordnete er die Briefe, die zwischen Tiberius und dem König von Ranak gewechselt wurden. Fast sämtliche Straftaten wurden aufgedeckt und Treidur hatte inzwischen weitere Straftaten aufgedeckt. Die Söhne von Tiberius hockten bereits im Arrest. Zudem war geklärt worden, wer diese ominöse Dame war, die sich an der Verstümmelung seiner Schwester beteiligt hatte. Alles zusammen reichte, um vielen Personen einen Sprung von der Klippe zu bescheren. In zwei Tagen war die nächste Ratssitzung und das sollte der Termin sein, um dem Drama des Landes ein Ende setzen. Zusammen mit seiner Schwester genoss er nach der Arbeit einen einfachen Eintopf mit Brot. Er gönnte sich noch ein Bad und Jana übernahm gerne die Pflicht seine Wäsche zu waschen. Statt der Uniform trug er nun die Kleidung, die ihm geblieben war. Es war die Kleidung eines Kriegers der lange für andere Mächte kämpfte.
Treidur erschien am nächsten Morgen und deckte weitere Verbrechen auf. Kühn begann Treidur. "Der Kriegsrat war ein Ort der Faulheit und die Kerle schoben sich nur die Aufträge zu , um sich später selbst mit Orden zu Behängen. Nebenher steckten sie sich Geld in die eigene Taschen. Ich muss kein Experte sein, aber die Bücher stinken alle nach Betrug. Das meiste Geld kassierten die Herren für Untätigkeit und falsche Entscheidungen. Vier Kriegsräte beteiligten sich an dem Mord deiner Eltern und steckten sich Gold in die eigene Taschen. Sorgsam wurden die Klagen vorbereitet und die Beweise beigefügt. Danach besichtigten sie das Gestüt. Die Kasse war leer und die Kaufbelege der Herren wurden sichergestellt Auch das Kassenbuch wurde eingezogen, denn dass war die Einnahmequelle des Königs. Zig Räte glaubten sich ungestraft an dem Vermögen der Familie bedienen zu können. Offenbar gehörte es zu der Gewohnheit der Räte, die das Volk und ihn bestohlen über Jahre hatten. Ein Blick zu Treidur reichte. Der Freund nickte, um den Willen in dem Obristen zu erkennen. Er ahnte, dass das Volk nur wachsen konnte, wenn die Verräter gerichtet waren.
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Nachgeschrieben nach der Zeit
"Ja, Oberst. Ihr seht es selbst. Alle haben euch bestohlen und nur ein hartes Tribunal wird dem Missbrauch der Macht ein Ende setzen. Zudem fehlen sämtliche Steuereinnahmen. Die Herren haben leider allesamt versäumt die Ausgaben mit den den Bauaufträgen zu verbinden und die Lohnzettel - als Belege fehlen auch. So gesehen steht ihr als einziger Ehrenmann im Land dar. Man könnte auch sagen, dass ihr reichlich naiv seid. Mein Rat ist, dass alle Ratten für ihre Taten bluten müssen. Auf eine andere Art beendet man die Misswirtschaft nicht. Natürlich will ich deinen Urteilen nicht vorgreifen. Dennoch gebe ich zu bedenken, dass die Räte und die angeblichen Kriegsräte dich allesamt und dauerhaft bestohlen haben.“
„Sie ließen das Volk hungern und folgten Ranaks Wünschen. Nun meine Frage. Brauchst du Verräter an Deiner Seite?" Kurz blickte Treidur auf. "Verzeih mir meine Meinung, aber all diese Ratten gehören am nächsten Baum aufgehängt, um diesen latenten Verrat ein Ende zu setzen. Die Meldereiter bestätigten mir, dass manche der Kerle immer noch Kontakt zu dem König von Ranak pflegen. Hier sind einige Schreiben, die wir zufällig abgefangen haben." Bedeutsam legte er einige Schreiben auf den Tisch. "Darin steht, was die Herren unternehmen wolle, um dich ans Messer zu liefern. Ich würde den Herren nicht über den Weg trauen." Sorgsam studierte Oberst Durlass die Schreiben und war entsetzt.
"Beachte auch das neue Wappen von dem König. Es zeigt nun zwei gekreuzte Schwerter. Zudem wirst du als naiver Idiot dargestellt, der den alten Gesetzen folgen wird. Beachte zudem das neue Briefpapier. Es ist anders als das von seinem Bruder. Bis wir das auf herstellen können werden Wochen vergehen. Immerhin wissen wir nun, wo die Ratte aus Ranak angreifen will. Obwohl ich dabei vorsichtig wäre, denn der Kerl hat noch nie die Wahrheit gesagt. Nehmen wir den angeblichen Angriff dieser dreitausend Fremden, dann bleiben nur zwei Punkte, die ich für möglich halte. Das erste Ziel wäre für mich die Bastion, die er vor kurzer Zeit bereits angegriffen hat. Die zweite Variante sehe ich in einem Angriff auf das Gelbe Tor. Natürlich würde es bedeuten, dass die alte Bastion nicht besetzt ist und er ungehindert bis zu dem Tor vorstoßen könnte. Aber auch diese Idee halte ich für Hirnrissig, weil es zu viele Unwägbarkeiten gibt." Kurz unterbrach ihn der Obrist. "Das Rote Tor wird er nicht angreifen und das Gelbe Tor liegen nicht innerhalb seiner Möglichkeiten. Für beide Angriffe würde er etwa zehntausend Männer brauchen. Und ich glaube kaum, dass er sich so ein Wagnis ohne fremde Truppen zutraut. Zudem wissen wir beide, wie er unsere Truppenstärke einschätzt. Er weiß, was ich bisher unternommen habe und daher wird er einen anderen Plan schmieden."
Kurz wartete der Obrist ab. "Ich kenne den alten Zausel lange genug. Ich erwarte eine andere Reaktion. Er ist ein Feigling und ohne fremde Truppen traut er sich nichts zu. Daher tippe ich darauf, dass er nur einen Scheinangriff an einer Stelle durchführen wird, um an anderer Stelle anzugreifen. Ferner benötigt er Rohstoffe. Es mangelt ihm an Eisen und das befindet sich in Eisenstadt. Zudem gebe ich zu bedenken, dass er das Ziel nur erreichen kann, wenn er diesen Angriff über die beiden Bastionen gut plant. Nein, ich traue dem Köter nicht. Ich habe ein anderes Gefühl. Er will uns durch die Hintertür angreifen und dass kann nur über die alte Bastion geschehen. Aber selbst dieses Bauchgefühl darf uns nicht von den Berichten der Melder abhalten. Ich vertraue lieber auf die Berichte der Melder. Sie zeichnen immer noch das klarste Bild nach. Und sie geben uns Zeit, um uns vorzubereiten. Nun zurück zu den Verrätern. Ich gebe dir jetzt den Befehl alle Kerle im Auge zu behalten und eine Stunde vor der Ratssitzung zu der Sitzung einzuladen. Du darfst sie in Ketten vorführen. Deine Männer müssen danach auch deren Häuser durchsuchen und Beweise sichern. Die Ratsstuben dürfen auch durchsucht werden. Für jedes weitere Beweisstück bin ich dankbar."
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In Begleitung von vier Männern betrat der Oberst die ehrwürdige Ratshalle. Kalte Blicke richteten sich auf ihn und seine Begleiter. "Störe ich? Ja, ich werde ihren verlogenen Frieden stören. Ab jetzt gelten wieder die alten Gesetze. Der Hintergrund ist einfach. Ich wurde bestohlen, belogen, betrogen und die Drahtzieher für den Hochverrat an Ethymien sitzen immer noch hier in diesem Raum. Verstehen sie mich nicht falsch, aber ich als Betroffener und einzig legitimer Nachfolger meines Vaters nehme mir das Recht, die Sache selbst in die Hand zu nehmen. Zuerst ziehe ich alle korrupten Kriegsräte zur Rechenschaft, die das Land gegen bare Münze verrieten." Lady Marein hob die Hand. "So geht das nicht. Ihr habt nicht das Recht hier zu sprechen." Barsch unterbrach der Obrist die Frau. "Falsch, du alte Schlange. Die Gesetze, die sie beschlossen haben erlangen erst durch meine Unterschrift Gültigkeit. Sie wussten, dass ich lebe und spätestens ab dem Zeitpunkt meines ersten Besuchs hätten sie mir alle von ihnen beschlossenen Gesetze zur Unterschrift vorlegen müssen. Da das nicht geschehen ist, stehen sie alle unter der Anklage des Hochverrats. Lesen sie bitte einmal die Gesetze unseres Landes, dann dürfte ihnen ihr Fehler auffallen. Zudem darf ich anmerken, dass ihre Wohnstätten allesamt bereits gründlich durchsucht werden.“
„Wir fanden bereits genügend Schreiben und Gold, die ihre Verbrechen zu belegen. Ich nehme es nicht hin, dass sie sich alle an meiner Familie schamlos bereichert haben." Seine Faust donnerte dabei laut auf den Tisch. Aufkeimende Widerworte ließ er nicht zu. "Nun zu den Kriegsräten. Sie alle sind Hochverräter, da sie das Land verraten haben, nicht für den Schutz meiner Familie gesorgt haben und dauerhaft wichtige Informationen an den König von Ranak, gegen eine veritable Bezahlung, abgegeben haben. Das nennt sich Hochverrat, weil sie wissentlich dem Land geschadet haben. Da sie mir, dem obersten Kriegsherren unterstehen, werde ich sie auch entsprechend der Kriegsstatuten richten lassen. Auch das sollten sie wissen, wenn sie gelegentlich die Gesetzestexte gelesen hätten. Die Familien der Herren wurden ebenfalls unter Arrest gestellt, um der Vernichtung wichtiger Dokumente zu unterbinden und deren Mitschuld genauer bewerten zu können. Natürlich könnte ich es mir einfach machen und sie alle sofort aburteilen. Aber nein, ich werde den legalen Weg gehen. Jeder von ihnen wird in Kürze vor das Volksgericht gebracht, um dort zu erklären, warum sie Hochverrat und Rechtsbeugung gegen Bezahlung aus Ranak begingen. Dazu gesellen sich nachgewiesener Diebstahl in hunderten Fällen, Entwendung von Gold, das Morden von Kindern durch Verhungern und neuerlicher Straftaten. Zudem nehme ich mir das Recht einzelne Urteile umzuwandeln, denn die Verbrecher sollen schon leiden, bevor sie die Bühne der Welt verlassen. Meine kleine Schwester Marissa wurde von ihnen allen ermordet und daher habe ich das Recht der Blutrache. Dieses Gesetz gibt mit das Recht jedwede Hinrichtungsmethode anordnen zu dürfen, die mir angemessen erscheint. Nun noch eine Kleinigkeit, gleich betreten einige Damen und Herren diesen Saal und bringen ihnen ihre neue Kleidung. Für Hinrichtungen braucht es keine Kleidung aus Brokat oder feinster Seide."
Vier Herren erhoben sich und pöbelten ihn an. "Dazu brauchen sie Beweise. Das lassen wir uns nicht gefallen, dass uns ein Bastard so behandelt." Der Obrist ging zu einem der Männer und schlug ihn mit der Faust nieder. "Sie hatten auch kein Recht meine Eltern zu ermorden. Sie hatten auch nicht das Recht das Land an Ranak zu verschachern. Sie hatten auch nicht das Recht die Bevölkerung verhungern zu lassen. Also los, dann zeigen sie mir diese Gesetze. Falls noch jemand Fragen hat - dann raus damit. Verstehen sie bitte, dass ich dieses Land erhalten will und da kann ich mir keine Horde von miesen Verrätern leisten, die bereits den nächsten Mordanschlag auf mein Leben planen." Kurz drehte er sich zur Tür. "Wachen, eintreten. Sie entkleiden alle anwesenden Personen, die hier als Räte fungierten und nehmen deren Habe an sich. Jedes einzelne Stück wird aufgeschrieben und danach erhalten die Personen ihre neue Kleidung." Boshafte Augen fixierten den Obristen. Die Wachen marschierten ein und sofort begann ein lebhaftes Spektakel. Die Personen wurden bis auf die Untergewänder entkleidet und schlichtere Kleidung wurde den Damen und Herren ausgehändigt. Nur widerwillig wurden die Hosen und Hemden angezogen. Einige Damen und Herren begannen zu flennen und um Gnade zu betteln. Ohne auch nur die geringste Geste des Mitleids ließ der Oberst die Gefangenen in Ketten legen. "Die Beweise fanden meine Männer in ihren Amtsstuben und den noblen Häusern, die sie sich eingerichtet haben. Dazu die vielen Schreiben, die ihre Verbrechen offen legen und die enormen Geldbeträge, die wir unter ihren Fußböden fanden. Und natürlich gibt es auch Zeugen, die sie belasten werden. Oder glauben sie ernsthaft, dass wir nicht vorbereitet sind. Bei allen Göttern, wie kann man nur glauben, dass sie glaubten ich würde mir alles von ihnen gefallen lassen. Glaubten sie ernsthaft, dass sie ewig mit ihren Betrügereien so weiter machen könnten. Ich übergab dem Staat vor Wochen zweihunderttausend Gulden, die wir in ihren Häusern fanden. Glauben sie etwa, dass das Volk nicht wissen will, wer an ihrem Elend Schuld ist. Haben sie ernsthaft geglaubt, dass ich diese Bereicherung und die Diebereien nicht mitbekomme. Oder, wie erklären sie sich, dass das Gold in ihre Taschen floss. Verzeihen sie bitte, aber bis zur Freigabe durch mich, ist es mein Eigentum." Blasse Gesichter starrten ihn an.
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Drei volle Gerichtstage waren notwendig, um alle Urteile zu fällen. Jedes einzelne Urteil wurde durch Beweise und Zeugenaussagen untermauert. Die enormen Geldbeträge, die wertvollen Besitztümer und die unzähligen Schreiben belegten jedes einzelne Verbrechen. Insgesamt wurden weit über vierhunderttausend Gulden, Gold, Edelsteine und teuerste Kleidung, die es in Ethymien nicht gab, vor dem Gericht präsentiert. Das sichergestellte Gold wurde der Staatskasse übergeben, um die Schulden der Räte zu bezahlen. Die zweihundertvierzigtausend Gulden standen dem Oberst zu, genauso wie die Pferde, das Diebesgut und hunderte andere Dinge. Die Bücher wurden der Bibliothek übergeben und die die restliche Habe der verurteilten Personen wurde dem Palast gespendet, um notwendige Staatsgeschenke zu besitzen. Die einfachere Kleidung wurde unter dem Volk verteilt. Darüber hinaus wurde ein Bann über die Familien ausgesprochen, um dem Machtmissbrauch ein Ende zu setzen. Keiner Familie war es für dreißig Jahre gestattet einen Posten im Rat, in einem Clan oder in der Armee zu besetzen. Getreide, Hülsenfrüchte und das Dörobst wurde an die Clans verteilt, um den Hunger im Land zu stillen. Die Schmieden erhielten Roheisen, Erze und Holzkohle. Ein Teil der eingezogenen Pferde und Wagen wurde auch an die Clans abgegeben, um das Leben des Volkes zu verbessern. Der Tempel erhielt die Tempelschätze zurück es wurde ein neues Archiv angelegt, um die Verbrechen der ehemaligen Würdenträger zu dokumentieren.
Erst im zweiten Schritt wurde zu Neuwahlen in den Clans aufgerufen, die den Rat und die Clanchefs zu zu bestimmen hatten. Die Wahlen galten von nun an für Amtszeiten von fünf Jahren. Danach mussten neue Wahlen abgehalten werden, um allen Bürgern die Chance auf ein Amt zu gewähren. Das Staatseigentum wurde nun in einer doppelten Buchführung erfasst und mit besonderen Symbolen versehen, um einem erneuten Betrug zu erschweren. Jedes Objekt bekam noch eine Verzierung, damit es nicht verändert werden konnte. Erst danach fällte der Oberst die Urteile, die er zusammen mit den Volksrichtern schreiben ließ. Alle Urteile liefen auf verschiedene Hinrichtungen hinaus. Zugleich wurden die Privilegien für die Söhne und Töchter der Verurteilten aufgehoben und durch Strafen ersetzt. Die Söhne von Tiberius mussten zuerst ihre Militärzeit ableisten, um danach als niedere Arbeiter ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Sorgsam wurden diese Junker, auf alle Standorte verteilt, damit sie von nun an ein streng reguliertes Leben führen konnten. Insgesamt vierundsechzig Junker traten nun verspätet ihre Militärzeit an. Die Töchter und Ehefrauen bekamen Berufe zugewiesen, die dem Land helfen sollten, um die Not zu lindern.
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"Es ist empörend, was dieser Bastard in unserem Land gemacht hat. Überall nahm er sich unsere Schätze und dann noch meine Krondomänen niedergebrannt. Scheinbar besitzt er eine Geisterarmee, die sich frei in meinem Land bewegen kann, ohne das ich Zugriff auf ihn bekomme. Zuerst hat er mich schändlich gedemütigt, dann hat er sich sein Land zurückgenommen und dann auch noch diese impertinenten Überfälle mitten in Ranak. Und was tun wir dagegen?" Vier Generäle starrten Ratlos zu dem neuen König. Einer General wagte eine sachliche Aussage. "Mein König, wir waren an anderen Fronten stationiert und haben die Grenzen gegen verschiedene Gegner verteidigt. Zudem darf ich anmerken, dass uns über ein Drittel der Armee geflohen ist. Mit kriegsuntüchtigen Männern und Bauernburschen kann man keine Schlachten schlagen oder gewinnen. Derzeit bilden wir über fünftausend junge Männer aus, damit sie in naher Zukunft zu Soldaten werden." Barsch wurde der General unterbrochen. "Glaubt ihr etwa, ich wüsste das nicht. Dennoch erwarte ich endlich konkrete Pläne, um diesen aufmüpfigen Arsch fertig machen zu können. Ich gebe ihnen noch acht Wochen, um befriedigende Pläne zu präsentieren. Denn sie als Generäle haben die Pflicht mir treu zu dienen und meine Wünsche umzusetzen. Im Frühjahr erwarte ich die Rückeroberung von Eisenstein und Bleiberg. Ich hoffe, das diese Worte verstanden wurden. Andernfalls endet ihre Zeit als Generäle. Und von jetzt an erwarte ich nur noch Siegesmeldungen."
Die Generäle wussten, dass ihr Leben von diesem Moment an - an einem extrem brüchigen Faden hing und kaum mehr Wert besaß, als eine abgenutzte Kupfermünze, die in der Gosse lag. Korrekt grüßen sie den König ab und entschwanden, um sich neue Gedanken zu machen. Sie wussten nur zu genau, dass der König das Übel war, weil er seit Jahren keinen Sold mehr ausgeben ließ. Sie wussten, dass die Truppenverpflegung miserabel und zu oft ungenießbar war. Zu diesem Missständen gesellte sich nun auch noch fehlender Nachschub an Pferden und jeglicher Ausrüstung. Der König jedoch ignorierte alle vorgetragenen Wünsche, da er die Verantwortung jederzeit auf die Generäle abwälzte und zu keiner Zeit zu Zugeständnissen bereit war. Menschen existierten für ihn nicht, sondern nur Sklaven, die er wie Dreck behandelte. Gedanken über die Truppe machte sich der König auch nicht.
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Meldereiter trafen bei dem Obristen ein. Zwei Delegationen wollten bei ihm vorstellig werden. Die Vasken und die Nordmänner beabsichtigten Gespräche mit ihm zu führen. Welche Absichten die beiden Völker zu ihm führten blieb vorerst fraglich. Treidur bereitete den Empfang der beiden Delegationen vor und stellte recht schnell fest, dass der Palast für den Besuch zweier Gruppen von Unterhändlern zu knapp bemessen war. Der Mangel an zahlreichen Nahrungsmitteln setzte weitere Grenzen. Geschirr für so einen Besuch ließ sich auch nur schwer auftreiben und an Tischdecken mangelte es ebenfalls. Aus den unfreiwilligen Nachlass der hingerichteten Personen und der Beute aus Ranak wurde alles genommen, um zumindest ein wenig Glanz in den Palast zu zaubern.
Nach vier Tagen trafen beide Delegationen im Palast ein. Jede Gruppe umfasste etwa fünfundzwanzig Personen, die sicher allesamt angemessene Speisen und Räumlichkeiten erwarteten. Treidur machte aus der Not eine Tugend. Die Gefolgschaft der Delegationen wurde in der Nähe in Truppenzelten untergebracht und nur zehn Personen konnten Zimmer mit Betten beziehen. Die Truppenzelte waren neben dem Palast platziert worden. Mehr war nicht machbar in der kurzen Zeit. Als Schlafgelegenheiten mussten sie Schlaflager für Soldaten und von den hingerichteten Personen nutzen. Immerhin gab es genügend Decken und Bettbezüge. Auch kleine Öfen konnten sie für die Gäste bereitstellen, damit sie in den Nächten die Kälte nicht so spürten.
Mit ausreichendem Tamtam wurden beide Gesandtschaften nach dem Eintreffen zum Palast begleitet. Rediet musste in die Rolle einer hohen Dame schlüpfen und der Oberst trug wie üblich eine Uniform. Junker halfen den Gästen von den Pferden und dann begann schon die Begrüßung. Treidur stellte dem Obristen die Gäste vor, so wie es das Protokoll vorsah. Unsichere Blicke wurden zuerst ausgetauscht, bis sich Oberst Durlass selbst vorstellte. "Verzeihen sie bitte, aber nach einer so langen Besetzung durch Ranak mangelt er derzeit noch an allem in diesem Land. Ich weiß, dass unser Land derzeit noch keinen herrschaftlichen Eindruck hinterlassen kann. Dafür bitte ich um Vergebung. Ich bin derzeit erst Regent dieses Landes und Truppenführer einer bescheidenen Armee. Mein Name ist Oberst Durlass. Möglicherweise ist ihnen der Name von den Roten Teufeln bekannt." Förmlich neigte er sein Haupt. Der Herr von den Vasken und der Nordmann schmunzelten amüsiert.
"Wir kennen dich und sind dir zu tiefsten Dank verpflichtet. Du hast uns die Freiheit geschenkt und uns nicht hingerichtet, wie es der General getan hätte. Drogusch und meine Wenigkeit Markgraf Haldur grüßen dich." Lächelnd verbeugten sich beide Männer. "Man hört verrückte Geschichten von dir. Du sollst dem neuen König beziehungsweise dem General Vieh, Pferde und Waffen gestohlen haben. Das erfordert Mut, Kaltblütigkeit und lässt eine exakte Planung vermuten." Drogusch übernahm nun das Gespräch. "Jeder von uns ist zu schwach, um allein überleben zu können. daher dachten wir, dass wir uns zusammentun, um dem König von Ranak ordentlich auf die Füße zu treten. Und der Mangel in unseren Ländern ist ebenfalls erschreckend. Wir hoffen zuerst nur auf Verständnis und ein offenes Ohr. Ich denke, dass wir drei nur gemeinsam überleben können, falls Ranak offensiv gegen uns vorgeht. Immerhin hat er noch eine recht große Armee, der wir nichts gleichwertiges entgegensetzen können. Aus diesem Grund sollten wir drei uns zusammensetzen, um die Möglichkeiten und Chancen auszutauschen, die wir in so einem Fall haben. Mehr soll es zuerst nicht sein. Und falls es mehr wird, dann wäre viel für uns alle gewonnen."
Der Oberst lud seine Gäste in den Palast ein. "Lasst uns zuerst ein karges Mahl teilen. Gesättigt können wir alles danach in Ruhe besprechen. Erstaunt bin ich jedoch über die vielen jungen Damen, die euch begleiten. Ich dachte immer bei den Nordmännern und den Vasken gäbe es nur Männer." Haldur und Drogusch lachten herzhaft. Haldur gab die Antwort. Es sind unsere Schwestern, die wir dir als Bräute andienen wollen, um das Bündnis zu mit dir zu festigen. Natürlich wissen wir, dass nur du das Massaker überlebt hast und somit keine Schwestern mehr besitzt." "Falsch, meine Halbschwester Rediet überlebte das Massaker an meiner Familie. Sie wurde von Ranak geblendet und trägt dieses Leid mit der Würde einer echten Prinzessin. Und noch eine Information. Die Nachkommen des Königs von Ranak sind meine Gäste. Falls jemand eine Prinzessin aus Ranak ehelichen möchte, dann spricht nichts dagegen. Aber, ich muss sie warnen. Die Damen sind ein wenig steif und verkniffen. Zudem haben sie zu hohe Ansprüche und wurden so erzogen, dass sie uns bestenfalls als Tiere oder Sklaven sehen. Gespräche mit den Damen führten leider zu keinem erkennbaren Sinneswandel."
Drogusch schüttelte den Kopf. "Nein, ich will mir keine Schlange aus Ranak an meinen Hof holen und Haldur sicher auch nicht. Nun lasst uns die Speisen teilen und danach beratschen wir, was möglich ist." Erst jetzt verneigten sich beide Herren vor Rediet. "Verzeiht unsere Unwissenheit. Von eurem Schicksal haben wir nichts erfahren. Auch wir haben viele Verluste in der Familie hinnehmen müssen und danken den Göttern, dass zumindest einige von uns die Drangsal von Ranak überlebt haben. Euer Bruder hat uns verschont und daher sind wir ihm zu größten Dank verpflichtet. Was für uns unverständlich war, ist die Tatsache, dass er uns die Flucht mit unseren Männern in die Heimat ermöglichte. So einen Gegner hatten wir bis dahin nicht kennengelernt. Nur ein König oder hoher Herr gewährt einem so eine Gnade. Und dafür sind wir eurem Bruder zu tiefsten Dank verpflichtet." Nochmals verneigten sie sich vor Rediet, die all diese Geschichten nicht kannte. Innerlich war sie stolz auf ihren Halbbruder, der ehrenhaft gehandelt hatte.
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Nach dem Mahl wurden zuerst die Geschenke ausgetauscht. Es waren nicht die kostbaren Geschenke, sondern eher Ehrengeschenke, die den guten Willen zeigen sollten. Danach zogen sich die Männer zurück, um in einem Kaminzimmer die Angelegenheiten zu besprechen. Jedem Anführer standen zwei Berater zur Seite. Haldur eröffnete das Gespräch. "Wir haben genug Truppen, allerdings mangelt es uns an Waffen und Pferden. Drogusch mangelt es ebenfalls an Pferden und Ausrüstung. Gerne sind wir bereit uns gegenseitig zu unterstützen. Wir können Pelze, Holz und Erze liefern. Drogusch kann Vieh und Gold liefern." Vorsichtig begann Durlass. Eine gewisse Menge an Waffen und Pferden kann ich beisteuern. Dazu Wissen und kluge Köpfe, die euch zeigen, wie und wo ihr Ranak an den empfindlichsten Stellen treffen könnt. Was uns derzeit fehlt sind Volk und fleißige Hände, die uns helfen sämtliche Pläne vom König von Ranak zu durchkreuzen. Was uns fehlt sind Holz und Erze, um mehr Waffen zu produzieren. Wenn ihr ein paar Schmiede hättet, dann ließen sich zügig Waffen in einer größeren Menge fertigen. Gerne können eure Schmiede unsere Schmiede unterstützen, um alle erforderlichen Waffen zu schmieden. Ich will auch einen Kriegsplan entwerfen, der uns allen nutzt. Meine Idee ist simpel. Zuerst überfällt Haldur zwei Domänen und nimmt sich alles was er braucht. Ich kenne die Depots und meine Melder tragen mir jederzeit sämtliche Informationen zu, die für einen erfolgreichen Angriff notwendig sind. Danach überfällt Drogusch eine weitere Domäne weiter im Osten. Die Beute dürfte reichhaltig sein, da der König nicht weiß, dass wir an einem Strang ziehen. In diesem Moment muss der König entscheiden, welche Kriegspläne der alte Hurensohn verfolgen will. Zugleich sorgen wir für Verwirrung bei dem Kerl, da er seine Truppen verlegen muss, um weitere Vorstöße zu unterbinden. In dem Moment schlagen meine Männer an einer anderen Stelle zu. Erneut muss der Taktikfuchs umdisponieren und seine Truppen an den neuen Kriegsschauplatz verlegen. Merke, Truppen, die nur durch das Land reiten, die kämpfen nicht und ermüden. Da er seine Truppen ebenfalls schlecht behandelt, dürften ihm weitere Einheiten abhanden kommen. Alles, was der Höllenhund zuvor geplant hatte, wird somit hinfällig. Wenn wir klug agieren, dann nehmen wir ihm eine oder zwei Provinzen ab."
Drogusch und Haldur überlegten nicht. "Das klingt nach einem durchdachten Plan, der Ranak schmerzen bereitet und uns Vorteile verschafft. Ich denke, ihr seid ein guter Taktiker und Stratege, der genau weiß, wo es Ranak schmerzt. Bleibt nur die Frage, welche Truppen wir einsetzen müssen." "Wir bilden einen Teil eurer Männer aus und geben ihnen gebrauchte Waffen aller Art. Dafür benötigen wir etwa fünfhundert Männer, die uns helfen, die alte Bastion wieder besetzen zu können. Dadurch sichere ich meine offene Flanke im Süden. Zugleich kann ich die entsprechenden Männer für eure Angriffe beisteuern. Dennoch, wir benötigen dringend Bauholz, um alle Pläne zu realisieren. Das Blaue Tor im Norden meines Landes eignet sich dafür am ehesten, weil dadurch die Wege kürzer werden und Ranak diese Gegenden nicht kennt."
"Noch eine Kleinigkeit. Ich darf und kann keine Frau erwählen. Hier ist es so, dass die Damen den Männern den Hof machen. Entscheidend ist dabei die Prüfung durch meine Schwester. Sie wird die Bildung, das Herz und den Geist auf die Probe stellen. Ich muss anfügen, dass sie besondere Gaben besitzt. Sie kann in die Herzen aller Menschen schauen und die Gefühle freilegen. Verzeiht, dass haben sie vermutlich nicht gewusst. Aber ich denke, meine Schwester wird es den jungen Damen erklären. Zudem ist ja nicht einmal gesagt, ob sich eine der jungen Damen die Rolle einer Königin zutraut. Zudem muss die Dame stark sein, denn wer will schon an so einem öden Flecken sein Dasein fristen?"