Schwer und hallend erklangen seine Schritte. Kein Thron, wie zu erwarten. Weder ansehnlich gerahmte Bildnisse noch kunstvolle Fresken zierten diesen Raum. Anstatt Blecherne, auf hölzernen Gestellen, drapierter Rüstungen, standen zur Rechten wie Linken, jeweils zehn bewehrte Gardisten. Abwechselnd hielten diese Armbrust und Gleve zum Einsatz bereit.
Einzig und allein ein Podest von schätzungsweise einer Elle Höhenunterschied zum ansonsten glattpolierten Boden, ließ dem Besucher den Unterschied bemerken. Dort, wo vermutlich ein Thron würde stehen, stand eine vom Gewand her zu urteilen, untersetzte Person. Die Hände hinterrücks verschränkt, Blick hinaus in Richtung des Hafens.
Wie es in diesem Raum wohl erst wäre, bliese der bevorstehende Winter seinen kalten Odem gegen die Mauern?
Absichtlich Kahl wie kühl blieb diese Räumlichkeit für besondere Besucher vorbehalten. Eigenartiges Gebaren; mussten der Empfänger als auch seine Wachen ebenso frieren, wie jene, die ihn ersuchten.
»Immer noch Bedenken ... mein König?« Die ersten drei Worte halten die einer lapidaren Frage. Die Pause zwischen den folgenden Zweien wie eine Drohung; die nachfolgenden nahezu einer Beleidigung. »Haben wir uns in den vergangenen Wochen und Monaten nicht bewährt? Deuten unsere Taten und Handlungen nicht minder daraufhin, auf wessen Seite wir stehen?«
Jenem, welchem die Worte galten, blieb wie zuvor. Verhielt seine Position wie Stellung gleich. Wie eine gekleidete Statue stand er da und blickte hinaus. Lediglich ein leises Grollen entrang er seiner geschlossenen Lippen. Der Besucher entnahm dies als Zustimmung. Dass der Monarch, abgesehen der Wachen, sich ihm allein offenbarte, war ein weiteres Zugeständnis.
»Hoheit.«
»Bin ich das?«
Der Besucher verharrte. Jeglicher klang dessen Schritte, verhallte. Da keine Antwort folgte, nickte Weihers Herrscher. Er schien sich seiner gewiss. Er drehte sich dem Hospitanten zu. Seine rechte Hand legte sich dazu auf den Knauf seines getragenen Schwertes. »Ich wiederhole mich gern. Bin ich euer König? Zweifelsfrei habt ihr Wortgehalten. Ich meines hingegen auch. Dennoch beschäftigt sich nicht nur der Rat mit wiederkehrender Frage.«
Unbetrübt verhielt sich sein Gegenüber. Er erlaubte sich gar zu provozieren, was dem König jedoch nicht zu beeindrucken schien. Die Füße schulterbreit positioniert, die Arme ineinander verschränkt, schweifte sein Blick durch den Raum. Abwertend, sollte man seinen Gesichtsausdruck bewerten. »Monate sind bereits vergangen, als mein Schiff anlandete. Wir hätten ebenso gut eine der anderen Städte ansteuern können.«
»In der Tat. Das hättet ihr wohl. Warum wiedererwartend meine Stadt? Warum Weiher?«
Das Kinn des Angesprochenen drängte sich hervor und dessen Lippen schoben sich leicht übereinander, als ihm die mögliche Tragweite, ausgerechnet dieser Äußerung, gegenwärtig wurde. »Vortreffliche Frage.«
»Ich bin gespannt. Überlegt jedoch nicht zu lange«, erklangen mahnende Worte.
»Nun. Soweit wir beide wissen, unterliegt Hewe eurem Einfluss. Wären wir dort angelandet, bliebe die Situation dieselbe. Ihr seid nach wie vor der Monarch des Landes und tragt die Entscheidungsgewalt. Einzig Lullin bot uns eine Alternative. Welcher dieser Städte es auch immer gewesen sei, das Schicksal hat es so vorherbestimmt.«
»Gibt es so etwas wie Vorsehungen überhaupt. Wir beide wissen genau, dass keiner von uns Zweien irgendeiner Glaubenseinrichtung je zollen würde. Wir glauben was wir sehen oder unsere Taten zu vollbringen bereit sind.« Die frei herabhängende Linke gebot dem Besucher, näherzutreten. Sorglos drehte er sich erneut zum Fenster und wies mit einem Kopfnicken hinauszublicken. »Wie dem auch sei. Es ist wieder jeglicher Bedeutung. Ihr seid hier. Auf Anraten des Stadtrates liegt euer Schiff vor Anker und kein Boot setzt hinüber, ohne dass ich davon erfahre. Das Versprechen, im Hafenbereich für Ordnung zu sorgen, habt ihr gehalten. Mehr noch, ich spüre einen gewissen Friedenskonflikt. Auch wenn es dem Rat durchaus interessiert, wie und was ihr dort unten tatet, um diesen zu wahren, empfinde ich nicht mehr als Genugtuung, dass dem so ist. Im Gegenzug bekamt ihr anfänglich das größte Lagergebäude, was allenfalls dem vorherigen Besitzer missfiel.«
»Wir sind übereingekommen.«
»Glaubt ihr, ich weiß nicht davon«, stellte der König nüchtern fest, was dem Besucher ein Zucken des linken Auges einbrachte. Ob nun gescholten oder spöttisch, blieb Ansichtssache und tat dem keinen Abbruch.
»Nun denn, Hauptmann.« Beide Hände legte der König auf das Fenstersims. »Trotz Bedenken und Ratschläge unzähliger Stimmen, welche mir ins Ohr flüstern, ließe ich euch Weitestgehen agieren. Eure Maßnahmen sind effektiv; kein Zweifel.«
»Wir kamen, wir sahen, wir siegten. Alle samt in eurem Namen.«
»Gewagte Worte, Hauptmann. Zutreffend, wie ich eingestehen muss.«
»Hoheit, ihr habt mich nicht rufen lassen, um mir dies zu sagen. Es gibt noch so vieles zu tun und die Zeit ist knapp.«
»Mmh.« Da war es wieder, was dem König ein Zucken der Wange bescherte. Nur ein ganz seichtes Aufwallen, ein zwacken. »Wie viele Zugeständnisse benötigt ihr noch? Gegenwehr macht sich breit, seid sich Gerüchte in Tatsachen ergeben. Liefert mir etwas, um euer Vorgehen weiterhin zu legitimieren.«
»Dafür benötige ich weitere Männer. Fürsprecher in höheren Kreisen, wen man es so ausdrücken möchte. Die Rekrutierung dauert nun einmal und hierfür bedarf es vermehrten Ermessensspielraum. Meine Leute müssen präsenter werden.«
»Mehr Spielraum, mehr Präsenz und noch mehr Ermessensfreiheiten? Von wie viel davon sprechen wir? Wie weit soll die Bewegungsfreiheit bewilligt sein, damit ihr mir liefert?«
»Landesweit«, forderte der Hauptmann und fing sich ein kaltes Lachen. Dieser schien des Aufbrausens gelassen. »Wenn ihr es erlaubt, werden in den nächsten Tagen Schiffe einlaufen.«
»Welche was an Bord führen?«
»Es ist euer Ziel.« Nun war es an ihm selbst, sich dem König zuzuwenden. Freimütig lehnte er sich mit verschränkten Armen, das Knie gebeugt und mit dem Fuß an der Wand aufgelegt zurück. »Ich biete den Weg.«
»Genug davon«, herrschte Weihers Herrscher und wedelte mit beiden Händen. »Wir reden dort weiter, wo es mir nicht am Arsch umherwedelt. Bei einem Becher Wein werdet ihr mir erklären, worin dieser Weg besteht.« Mahnend erhob er den Finger seiner Rechten, seine Waffe schien vergessen. »Wir beginnen nochmals am Anfang.«