»Sagt mir schwarzer Hauptmann, über wie viele Kämpen, Hilfskräfte, Arbeiter und was weiß ich was noch alles, verfügt ihr derzeit?« Die Stimme des Königs klang nicht sonderlich interessiert. Langeweile würde sich ebenso anders anhören, zumal zugehörige Gestiken ihm längst aufgefallen wären. Der Mann schien vorsichtig. Trotz Zugeständnisse und Absprachen blieb seine Mine nur schwer lesbar. Er war dem gesponnenen Netz zugetan. Nicht sogleich und schon gar nicht vom ersten Tage an. Soweit gekommen zu sein, war bemerkenswert und deutlich vor geplanter Zeit.
»Ich vage mich erinnern zu können, dass ›schwarzer Hauptmann‹ nicht die korrekte Ansprache sei«, gab dieser ebenso mitteillos zu verstehen, wie sein Gegenüber. Trank er bereits von seinem Pokal oder war es mehr eine Art Anker? Dieser Kerl, König eines Reiches, welches es niemals hätte so weit bringen können - dürfen.
»Haben wir das?« Er sah auf. »Wahrhaftig« Seine Augen versuchten in den Gebärden des Fremden lesen zu wollen. »Nun denn, Hauptmann Azil.«
»Hoheit?«
»Bislang habt ihr Wortgehalten. Eure Bemühungen belaufen sich mittlerweile bis hinauf in die Stadt. Also ... über wie viele Mannen verfügt ihr? Welche Anzahl derer folgen euch sowohl freiwillig als auch unfreiwillig?«
Na bitte. Die Frage klang mehr erwartet als unerwartet. Er muss den Schein wahren, ist doch er der König Hewes. Zweifelsfrei wird ihr Gespräch belauscht und somit bleibt es ein Spiel. Ein Schlagabtausch.
Azil führte die Handflächen aneinander, spreizte die Finger auseinander und tippte sich mit den Zeigefingern gegen das Kinn. Lächeln begleitete sein nicken. Dass es ehrlich schien, erwiesen kleine Fältchen an den Außenseiten der Augen. »Die Rekrutierungen schreiten voran, Hoheit. Wir geben Obacht, dass wir ausschließlich Männer und Frauen besolden, die ihnen und dem Ziel zugänglich sind.«
»Gut. Sehr gut. Was ist mit den Übrigen? Es wäre vermessen zu behaupten, unfehlbar zu sein. Auch ihr, Hauptmann«
Angesprochener hob eine Braue. Hat der Mann eben tatsächlich von seinen beiläufigen wie langweiligen Beleidigungen abzulassen? »Womöglich habt ihr da nicht ganz Unrecht. Ab und an fällt uns ein fauler Apfel in die Hände. Zumeist jedoch genügen unsere Bemühungen, diesen von dem Vorhaben zu überzeugen.«
»Anderenfalls?«
»Wollt ihr das wirklich wissen oder stellt ihr mir diese Frage lediglich dessen geschuldet, dass ihr dem Bestreben eures Rates ausreichend Rede und Antwort stehen könnt? Ihr, Hoheit, seid der König; nicht diese Speichellecker.«
»Vorsichtig«, knurrte der Herrscher Hewes ungehalten. Er stützte sich vornübergebeugt auf seine Hände, als stünde er kurz davor, aufzuspringen. »Ich bin jener, der hier entscheidet. Ebenso obliegt es mir, was der Rat zu hören bekommt und was nicht. Gleiches gilt für dessen Besetzung.«
»Hoheit? Verzeiht aber Rat hin oder her. Auch gut gemeinte Ratschläge sind oftmals nur die, die die eigenen Belange und Taschen füllen.« Abermals nickte Azil und lächelte. So ist das immer mit Ratsmitgliedern. Was meint ihr, wie es erneut zu einem Krieg hat kommen können? Schuld trugen geflüsterte Worte. Ein jeder wusste die Lösung besser als der Vorherige. Wessen Kisten waren es wohl, die ausgerechnet diese großspurigen Versprechen zu füllen gedachten? Hoheit.« Nun war es an ihm, sich vorzubeugen und der Gestik des Königs zu begegnen. »Ihr habt es nicht nötig auf diese Gebrechen zu lauschen.«
Die Atemzüge Hewes Herrscher waren deutlich zu hören. Wie ein Widerhall durchsetzten sie die Stille des Raumes. »Ich bin der König dieser, meiner, Stadt und dem Land, auf welchem wir uns befinden. Es waren meine Ahnen, die Hewe zu dem machten, was es vor meiner Ernennung war. Seither ist es meine Aufgabe, Land und Leute zu führen.«
Azil schwieg. Er lächelte auch nicht. Keine seiner Regungen, noch Gesichtszüge, verrieten, was er dachte.
»Es ist an der Zeit, den Leuten zu zeigen, wozu sie in der Lage und das sie dem wahren König Untertan sind.« Seine rechte Hand hob sich und donnerte einem Geheiß gleich auf die Tischplatte. Der Pokal hüpfte sogar leicht und der Inhalt dessen, begann kleinste Wellen zu schlagen. »Seht zu, dass eure Schiffe anlanden. Verstärkt jegliche Bemühungen. Ich will, dass Weiher von allen Seiten uneinnehmbar dasteht. Stellt erforderliche Posten und füllt die Reihen des Heeres. Schickt all jene Einheitsführer zu mir, die euren Worten nicht glauben schenken. Entweder sie entscheiden sich für mich und meine Sache oder verlassen die Wahrung Hewes.«
Der gänzlich in Schwarz gekleidete Soldat, Hauptmann Azil, erhob sich. Sein Kopf neigte sich. »Hoheit. Mit eurer Erlaubnis gehe ich dem sofort nach.«
»Kommandant?«
Gedanklich schimpfte er sich selbst einen Narren. Viel zu schnell hob er den Kopf und musterte seinen gegenüber. Den Blick finster und die Stirn in Falten.
»Ist das euer Blick? Euer wahrer Ausdruck ... Kommandant?«
Anstatt zu antworten, zwang er seine Züge sich zu glätten. Er straffte seine Schulter, so wie das ein guter Soldat immer tat und nahm Haltung an. »Nein, Hoheit. Wertet es als ein Versehen ... als Überraschung.«
»Sobald mir die unbestreitbare Sicherheit Weihers vorliegt, erwarte ich, das Hewe als Hafenstadt ebenso gesichert wird. Ich verlange Loyalität in jeder Stadt. In jedem Dorf und an jedem Hof; sei er auch noch so weit entfernt. Verkündet, dass die Regimenter und Bataillone Zulauf benötigen. Hewe rüstet sich zum Großkönigstum.«