Am liebsten wäre Cedrik händchenhaltend mit ihr zu den Felsen gegangen. Er wusste jedoch nicht so recht, ob er sie damit nicht überforderte. Daher verzichtete er darauf, sondern begnügte sich damit, dicht neben ihr herzugehen.
Der Weg zur Stelle mit dem Abstieg war glücklicherweise nicht weit. Cedrik hätte sie wohl erst nach einiger Suche wiedergefunden, aber Arella kannte diese Umgebung natürlich wie ihre Westentaste. Sicher führte sie ihn zu den Felsen und begann sofort, hinabzuklettern.
Der Mann hätte ihr gerne geholfen, war jedoch zu sehr damit beschäftigt, selbst sicher unten anzukommen. Peinlich genug, dass die Frau ohne Zögern vor ihm den Abstieg begonnen hatte. Sie war geschickt und sicher unterwegs, so dass er sogar Schwierigkeiten hatte, nicht den Anschluss zu verlieren. So dauerte es auch nicht lange, bis er den Strand unten entdecken könnte. Allerdings war es noch ein ganzes Stück bis zu ihrem Ziel.
Eine Weile später hörte er sie auch schon lachend rufen: „Cedrik! Ich bin schon unten, hörst du? Als Zauber bist du eine ganz schöne Schnecke, weißt du das?“
Das lies er sich natürlich nicht zwei Mal sagen und legte einen Zahn zu. Er würde ihr schon zeigen, was er draufhatte.
Vor lauter Eile achtete Cedrik jedoch nicht mehr auf die Beschaffenheit des schmalen Pfades. Und so kam es, wie es kommen musste - er rutsche auf dem Geröll auf und kam ins Straucheln. Recht unelegant rutschte das letzte Stück nach unten, begleitet von kleinen Steinchen und einer großen Staubwolke. Und das auch noch auf dem Allerwertesten.
„Cedrik!“ Ein kleiner hoher Angstschrei entwich ihr, ehe sie auf ihn zueilte.
Als sie ihn erreicht hatte war der Magier war bereits dabei, den unerwünschten Dreck aus seinen Kleidern zu klopfen.
„Um alles in der Welt – ist dir etwas passiert?“
Ein schiefes Grinsen war die Antwort. „Nein, keine Sorge. Ich weiß, warum ich keine Roben trage.“
„Und es ist wirklich alles in Ordnung?“ Noch immer war sie beunruhigt.
Er schüttelte noch einmal an seinen Ärmel. „Nur Schmutz, keine Sorge.“
„Oh Cedrik, es tut mir leid. Das ist alles meine Schuld. Ich hätte dich nicht herausfordern sollen. Schließlich kennst du den Weg nicht. Es tut mir leid.“
„Mach dir keine Vorwürfe, ich bin selbst schuld.“, wiegelte er ab. „Und es ist ja nichts weiter passiert.“
In diesem Moment bewegte sich der Stoff seines Hemds und der Leuchtgrimm schlüpfte aus seinem Kragen.
Er leichte schwach von einem dunklen Gelb.
Nun war es Cedrik, der unruhig wurde. „Herbert?“
Zu beider Erleichterung änderte der Kleine erneut seine Farbe und glühte nun blau. Ein Zeichen, dass er sich bereits wieder von seinem Schreck erholt hatte.
„Es geht ihm wieder gut, oder Cedrik?“
„Ja, keine Angst. Sonst würde er nicht schon wieder in dieser Farbe leuchten“, beruhigte er.
Wie um die beiden zu beruhigen, begann der kleine helle Ball nun, einige Purzelbäume zu schlagen. Kleine Funken flogen dabei aus seinem Fell und stiegen einige Meter nach oben Richtung Himmel, ehe sie erloschen.
„Siehst du, Arella? Er freut sich, dass ihm nichts passiert ist.‘
„Gott sei Dank seid ihr beide wohlauf.“
Der Mann lächelte. „Ich bin Zauberer, schon vergessen?“, scherzte er.
„Nein, auch wenn du wirklich nicht so aussiehst. Eher wie ein Strauchdieb, mit all deinen Messern und Dolchen“, erklärte sie lachend.
„Hm ja – erwischt.“ Er bemühte sich, seinen Kopf ruhig zu halten, da Herbert gerade auf seinen Haaren Platz genommen hatte. „Aber es lässt sich so angenehmer reisen. Glaub mir, ein Magier mit Leuchtgrimm erweckt viel zu große Aufmerksamkeit. Davon abgesehen ist eine Robe einfach unpraktisch.“
„Aber du könntest dich doch wehren, wenn dich jemand angreift, oder Cedrik?“, wollte sie leicht besorgt wissen.
„Ich bin kein Kampfmagier aber ja, könnte ich.“ Wieder erschien kurz das eigentümlich blaue Leuchten in seinen Augen, dass sie schon so oft an ihm beobachtet hatte.
Beide schwiegen kurz, dann fragte sie vorsichtig: „Musstest du das schon mal, Cedrik?“
„Mein Leben verteidigen, meinst du?“
Sie nickte nur stumm.
„Ja.“, erwiderte er knapp. „Aber komm, lass uns einige Meter zusammen gehen.“
Er wollte nicht darüber reden. Es hätte sie nur erschreckt, wenn sie gehört hätte, wie er seine Feinde im Kampf besiegt hatte.
Und er wollte alles, nur nicht, dass sie sich vor ihm fürchtete.
So nahm er stattdessen wieder ihre Hand und gemeinsam gingen sie Richtung Wasser.
Hier am Meer ging immer ein leichter Wind. An diesem Tage war es sogar windiger als üblich. Das hinderte jedoch beide nicht daran, einträchtiger nebeneinander zu stehen und das Treiben der Wellen zu beobachten.
„Dieser Ort ist einfach wunderschön, Arella. Bist du oft… Herbert, Au, was machst du denn da?!“
„Ganz offensichtlich versucht er, sich ein Nest in deinen Haaren zu machen.“, lachte sie und kicherte weiter, als sie seine Frisur betrachtete. Der Grimm hatte sich ein wenig unter einige Haarsträhnen eingegraben, die sich nun wie eine Beule hervorwölbten. Da der junge Mann dort die Haare wie üblich mit seiner Spange hinten zusammengebunden hatte, wirkte das besonders auffällig. Gut konnte man auch das grüne Leichten erkennen „Macht er das öfter?“
„Eigentlich nicht. Kannst du ihn herausholen?“
„Da komme ich schlecht ran.“
Der Zauberer nickte kurz, dann ging er doch tatsächlich vor ihr auf die Knie. „So besser?“
„“Ähm ja“, stammelte sie.
Es fühlte sich auch für ihn ungewohnt an, in dieser demütigen Geste zu verharren. Und Alissa war ihm so nahe, was ihn mehrmals schlucken ließ.
Und dass sie ihm nun so durch die Haare strich, machte es nicht besser.
„Ich bekomme ihn nicht zu fassen“, seufzte sie.
Herbert schien dies tatsächlich als eine Art Spiel anzusehen. Zumindest bewegte er sich nun unter Cedriks Haaren, sobald sie ihm zu nahe kam. Ihr Hände wanderten so auf seinem Kopf herum, fassten ohne Erfolg unter die Haare. Was den Zauberer wiederum nötigte, ein genießerisches Seufzen zu unterdrücken.
„Ich erwische ihn einfach nicht“, beschwerte sie sich. „Vielleicht kannst du die Spange lösen und ihn vorsichtig herausschütteln?“
„Das könnte ich“, antwortete er mit seltsam rauer Stimme. „Aber du musst mir versprechen, dich nicht zu fürchten.“