In den ersten Wochen gewöhnte ich mich dann zügig an meine Umgebung. Die Großeltern waren sicher eine Hilfe für die geplagten Eltern. Früh war aber klar, dass die Betreuung von mir, nicht familiär geschultert werden wird. Kinderkrippe und Kindergarten wurden die erstem Etappen auf dem Weg einer gesellschaftlichen Bildung!
Meine Tage im „Kindergarten Balbinka“ (einem kleinen, ich glaube mich zu erinnern, Entenküken russischer Bauart), waren dufte. Eine wirklich bedarfsgerechte Rundumbetreuung für Kinder. Über die Motive zur Installation eines solchen Systems, kann man immer noch spekulieren. So gab die Staatsführung den werktätigen Frauen die Möglichkeit, die sozialen und familiären Arbeiten nach der Arbeit zu erledigen. Denn auch in der real existierenden sozialistischen Welt der siebziger Jahre, wurde der Großteil dieser Arbeiten von den Müttern erledigt. Gefehlt hat mir nix und rückwirkend betrachtet, kann ich für mich behaupten, nicht gelitten zu haben. Eingeschworen auf ein arbeitsreiches Leben in der sozialistischen Umgebung wurden die Kinder in unserer Einrichtung unter anderem von Onkel Erdbeer, dem Hausmeister. Ein lieber netter älterer Mann in Blaumann-Latzhose mit furchtbar ausgebeulter Brusttasche und ganzjährig in Filzstiefeln. Er hatte umgeben von lauter jungen Frauen, die immer mal wieder etwas von ihm wollten, seinen wahren Platz in der Gesellschaft gefunden. Schon allein, dass ich mich an ihn und nicht an die aufopfernd arbeitenden Frauen für die Alltagsbetreuung (vor Hunger und Durst plärrende Rotznasen mit vollen Windeln und aufgeschlagenen Knien) erinnern kann, spricht für die „Qualitäten „ des Mannes. Er zeigte uns neugierigen Steppkes, wie man richtig Rasen mäht, das Gras zusammen recht, Lichterketten aufhängt und repariert, Planschbecken aufstellt und füllt, sich ab und an für die Damen unsichtbar macht und seine Geheimnisse im Heizungskeller hat. Nach nur 3 Jahren in der Erziehungsanstalt, war man(n) dann fähig, alles folgende zu ertragen. Von den Frauen lernte man so etwas wie gemeinschaftlich auf das Töpfchen zu gehen (obwohl man noch nicht unfallfrei gehen kann), sich in einer Reihe anzustellen und wie man sich die Schuhe zubindet. Die Gewichtung überlasse ich dem Betrachter. Bei Ausflügen in die Umgebung lernte man die Nachbarschaft kennen. Vorbei am Getränkestützpunkt, der von einer unterschiedlich großen Gruppe durstiger, rauchender und quatschender Männer gesäumt wurde, schlawenzelten wir durch die Kleingärten der Stadtrandsiedlung. Der Tag endete nicht bevor wir auf allen nicht enden wollenden Wegen das Revier markiert hatten. Dort wurde das kartographische Grundwissen angelegt, welches man bei den Jahre später stattfindenden Fluchten vor den Gartenbesitzern, bedarfsgerecht abrufen konnte. Die Münder waren rot von Erdbeersaft. Mir kam zu Gute, dass ich so dünn war. War ich doch einer der wenigen, die auch mit einer großen, reifen Erdbeere in der Faust, die Hand durch den Maschendrahtzaun zurückziehen konnte, ohne die Frucht vollständig zu zerquetschen.
Im Essensraum der Balbinka gewöhnte man sich auch von Grund an an die Gemeinschaftsverpflegung. Nicht das ich noch bleibende Geschmäcker auf meiner Zuge spüre, nein, aber so manchmal erinnere ich mich an die Konsistenz und die Farbe des Essens. Der Mörtel der für den Bau der Stalinallee gebraucht wurde, stand da gerne Pate. Egal, Hungerhaken wie ich war, habe ich alles immer aufgegessen. Nur den Kuchen, den es manchmal gab, wollte ich nie. Jeder selbstgebackene Sandkuchen im Buddelkasten, hatte eine größere Anziehungskraft auf mich. Den Weg zum Kindergarten bestritten wir in der letzten Kindergartenzeit dann auch Alleine, wenn mich nicht alles täuscht. Es waren ja nur gefühlte 150 m und da ich ja meinen Zimmergenossen fast wie einen Schatten dabei hatte und der den gleichen Weg hatte, konnte da nicht mehr viel schief gehen. Junge Eltern der Jetztzeit werden Schnapsatmung bekommen, bei dem Gedanken sie könnten ihre Kinder allein gehen lassen. Andere Zeiten, andere Orte.