Back in Berlin
Nach meinem zweijährigen Auswärtsspiel, kam ich zurück nach Hause. Nein, kam ich nicht! Ein zu Hause gab es emotional nicht, oder nicht mehr. In den elterlichen Haushalt einfügen, nachdem man schon zwei Jahre entwachsen war, ging irgendwie nicht mehr. Nicht das das falsch verstanden wird, ich mochte meine Eltern immer und tue das noch heute. Um so richtiger war es, mich nur noch ab und an sehen zu lassen. Passender Weise gab es da die Möglichkeit in das Mädchenzimmer der jungen Frau zu ziehen, die das auch so wollte. So war ich dann endgültig raus, aus dem Haus. Eine Wohnungssuche gestaltete sich aufwendig. Da ich nicht heiraten wollte (wen auch?), schien der einzige Weg zu sein, eine Ausbauwohnung zu beantragen. So bekam ich über das nächste halbe Jahr hin mehre „Angebote“ für die ersten eigenen vier Wände. Was ich unter dem Begriff Ausbauwohnung angesehen hatte, entsprach oft nur dem Begriff vier Wände. Eine Wohnung am Helmholzplatz in der es nach mindestens halbjährigem abhanden sein eines Daches nun so ziemlich alles andere was eine Wohnung ausmacht auch abhanden war, war nur die Spitze des Eisberges. Andere Wohnungen waren zum Beispiel, Wohnung im 4. Obergeschoss Toilette im Keller, eine an sich intakte Wohnung direkt an der Berliner Mauer ohne Erlaubnis Besuch zu empfangen oder eine Wohnung Hinterhaus 3. Treppe links mit dem Haken, der 87 jährigen Nachbarin ein gemeinsames Klo ohne Licht auf der unbeheizten halben Treppe zu haben…..SEHR NEIN! Die erste Wohnung mit Innentoilette hab ich dann genommen. Lage und Zustand waren mir schnuppe. Es hätte schlimmer kommen können, Im P-Berg mit 30,50 Mark Miete und eben soviel Quadratmetern. Ja, ich musste alle Rohrleitungen, Klo, Waschbecken und Duschkabine neu installieren und die gesamte Elektrik erneuern, den Ofen reinigen, Malern und und und , aber dafür war es meine, mit grade 18 einhalb! Irgendwie hab ich auch alles mit Unterstützung meines sozialistischen Betriebes, meiner Freunde und der Familie geschafft! Alles ohne Führerschein, denn den konnte ich erst 1990 im Sommer, Gott sei Dank, noch ohne Probezeit machen. Andere waren in den Vorwende-wirren auf der Straße oder eingeknastet, ich steckte bis spät in der Nacht im Blaumann, schraubte, stemmte, verschmierte oder pinselte vor mich hin. Ein halbes Jahr nach Erstbesichtigung hatte ich meine Zelte in Marzahn endgültig abgebrannt.Und um DIE ÄRZTE zu zitieren, „und dann kam die Wende , war einfach zu Ende! ….Und ich find es wirklich stark, das ich das noch erleben darf“ Hipp hipp Hurra !!!! Irgendwann wird jeder gefragt, wo warst du als…? Und ich kann nur sagen, ich hab´s verschlafen. Am Freitag des 10. November machte ich früh um halb sechs das Radio an um wach zu werden und hörte LIVE-Berichte von der Berliner Mauer direkt von der Bornholmer Brücke. Nun war man in diesen Tagen schon einiges an Überraschungen und medialen Fehlinformationen auf allen Seiten gewohnt (z. B. Matthias Rust auf dem Roten Platz oder die Entführung eines Mitropakellners nach Wien mit einer Mentholzigarette oder gefälschte Kommunalwahlen in der DDR), aber was ich da hörte war wirklich unglaublich und wo war die Bornholmer Brücke? Scheinbar am Ende der mir bekannten Straße, hinter dem Ende der Welt, da musste eine Brücke sein! Ich schaltet den Fernseher ein, das zu dieser Zeit glaubhafteste Medium. Der unsägliche Schabowski wurde dauernd gezeigt und tausende vor Glück taumelnde Menschen, die irgendwo aus Westberlin zurück kamen, eine gänzlich neue Situation. Ich trank mein Tee aus und fuhr schnell zur Arbeit um Bescheid zu sagen, dass ich heute nicht komme. Telefone waren ja nicht wirklich verfügbar. Am gleichen Tage reihte ich mich in die Massen an der Oberbaumbrücke ein. Wie und wohin das Gedränge führen würde, war mir nicht klar. Es ging in Richtung Westen und das war wohl in diesen Stunden nicht gänzlich falsch. So drängte ich mich vorbei an den überforderten Grenzkontrollen der DDR. Die Frage drängte sich mir auf, hätte es die selbe Ansammlung von Menschen schon viel eher (Jahre) gegeben und der physische Druck tausender Menschen auf ein bisschen Maschendraht und gleichaltrige Milchreisbubies über mehre Stunden, Tage und Wochen, hätte es einen Schabowski gar nicht mehr bedurft. Eine kurze Runde in Kreuzberg, Begrüßungsgeld eingesammelt und dann zurück in meine brandneue Wohnung. Wer nicht alles seinen Senf abgegeben hat, an diesem Tag. Alle wussten es besser was nun der nächste Schritt sein muss. Es wuchs zusammen, was zusammen gehörte. An manchen Stellen langsamer als an anderen. Und an manchen Orten, sieht man die Stellen des Zusammenwachsens immer noch deutlich, fast wie eine Narbe. Mit den Nachwendewirren, ging natürlich der Betrieb in dem ich so fürchterlich schuftete in die Knie. Rechtzeitig setzte ich auf Privatwirtschaft und verdiente von einem auf den anderen Tag, zwar immer Mark, aber dafür doppelt so viel, Tendenz sehr schnell steigend. Eine Woche nach der Aushändigung meines Autoführerscheins, bekam ich einen wunderbar verranzten T2 Bus als Firmenwagen. So konnte ich die Beulen und Kratzer, die eine Fahranfänger so macht, dem allgemeinen Arbeitsstress zuschieben und insgesamt verschandelten sie den Eindruck des Fahrzeugs nicht mehr. Geld verdienen, Geld ausgeben, Zeit mit Kumpeln verbringen, schmerzliche Erfahrungen mit der Liebschaft machen. D-Mark, Deutschland einig Vaterland, unbeugsame Kraft eines jungen ausgebildeten Mannes am richtigen Ort zur richtigen Zeit. Alles fühlte sich unglaublich echt und unmittelbar an. Scheinbar gab es den gesellschaftlichen Wandel nur für mich allein. Die Zeit in der ersten Privatfirma nährte sich dem Ende. Der Herr Chef ist ein wenig abgehoben und nicht mehr eifrig am täglichen Geschäft interessiert gewesen. Als ich dann das zweite mal mit einem ungedeckten Lohn-Check zur Bank geschickt wurde, war dann für mich Schluss. Ein Blick in die Zeitung und ein einziger Anruf, bescherte mir ein neues Arbeitsverhältnis. Und das erste mal merkte ich, dass es eben doch nicht egal war, ob man da auf dem Zeugnis Einsen oder Vieren vorzuweisen hatte. In der neuen Firma konnte ich lernen, wie das alte Westberlin funktioniert hatte. Seilschaften und Geklüngel waren wichtiger als Kompetenzen und Qualitäten. Eine relativ junger Kollege, zu dem noch doofer Ossi, durfte nicht gleich alles richtig machen. Zu mindestens sollte er es nicht. So wurde ich von einigen ALTEN HASEN auf Abstand gehalten. Nach einigen Zeit merkte ich, dass ich mich in der mir zugeteilten Rolle merklich unwohl fühlte. Ackerwanze vier in Kolonne fünf, war nicht mein Ding. Auch wenn es fair bezahlt wurde, gingen mir die Gespräche im Bauwagen und die Abläufe während der Arbeit zunehmend gegen den Strich. Irgendwie war ich mit Anfang zwanzig noch lange nicht in der Rolle, die ich für mich unbewusst gesucht habe. Somit musste ich die sichere Einnahmequelle in den Wind schießen und sehen was da draußen noch so auf mich wartet. Arbeit gab es genug. Mann musste nur den richtigen Dreh finden, sich an einer möglichst auskömmlichen Stelle in das System ein zu bringen. Es waren wilde Zeiten und ich war jung, idealistisch, naiv aber ideenreich und so krallten die Zwillinge gemeinsam (denn der andere wurde Zimmermann) die Chance zu Gründung der eigenen Klitsche!