Prompt: Jekyll & Hyde
Warnungen: Mord, Blut, minimal Splatter?!
Alistair stand seufzend vor seinem Spiegel und starrte angewidert hinein. Er wusste, dass er hübsch war.
Zumindest sagten die anderen ihm das immer. Er wäre so schön. Groß, schlank, die dunklen Haare, die sich bei feuchtem Wetter immer ein wenig wellten, die langen Wimpern und die smaragdgrünen Augen, die im Licht wie Juwelen funkelten. Die alabasterfarbene Haut, so samtig, weich und rein, dass selbst die Frauen neidisch waren.
Alistair sah das alles nicht. Alistair sah nur das Monster, welches Untaten begangen hatte und auch weiterhin beging, aber niemand durfte davon wissen. Niemand durfte wissen, welch ein Untier da unter seiner Haut schlummerte. Noch vermutete niemand, dass Alistair, der hübsche, liebreizende, sanftmütige Alistair das Monster war, welches seit Monaten an Vollmond die Tiere auf den Weiden riss, wenn er nicht gerade ein Kind aus einer Wiege stahl.
Der Vollmond zwang ihn dazu. Ließ aus einem unschuldigen jungen Mann an abscheuliches Monster werden. Alistair hatte davon gelesen. Das Jekyll & Hyde Syndrom, wie die Ärzte und Wissenschaftler es nannten war unheilbar. Einzig und allein ein Pflock durchs Herz, eine durchschnittene Kehle und eine Silberkugel durch den Kopf konnten die Betroffenen heilen.
Alistair wusste, dass er sich stellen sollte. Er wusste, dass er bis zum Aufgang des Vollmondes am Abend Zeit hatte sich zu stellen. Aber das Monster wehrte sich, zwang ihn vor dem Spiegel zu bleiben und starrte ihn aus seinen eigenen Augen an. Schon bald würde es die Kontrolle übernehmen und wieder morden.
“Alistair? Liebster? Wo seid ihr?”
Die Stimme von Rosalind hallte durch den Flur und kam immer näher. Alistair betete, dass noch Zeit genug war, aber als die Tür zu seinem Schlafgemach geöffnet wurde und er Rosalind ansah, da wusste er, es war zu spät.
“Lauf!”, versuchte er zu schreien, aber die Verwandlung ließ das Wort zu einem undeutlichen Laut verkommen.
Rosalind stand wie festgefroren in der Tür, schrie wie am Spieß, aber bewegte sich nicht.
Dann hörte das Schreien mit einem Mal auf und Alistair realisierte weshalb. Er hielt Rosalinds Kopf in der rechten Hand, die linke umklammerte ihre Schulter und eine Fontäne von Blut ergoss sich über seinen Leib. Das Monster … ER hatte Rosalind, seine geliebte Rosalind getötet. Er hörte jemanden die Treppe herauf eilen und schreien: “Es ist das Monster!!!”
Obwohl das Monster versuchte ihn von der Stelle zu bewegen, klammerte Alistair sich eisern an die Kontrolle seines Körpers. Er wollte nicht zulassen, dass er noch jemanden ermordete. Flehend blickte er seine Freunde an, die bewaffnet mit allem was sie brauchten den Gang entlang stürmten. Er ließ Rosalinds leblose Hülle fallen und kniete sich hin. Seine Klauen rissen sein eigenes Hemd auf und gaben den Blick auf die Brust frei. Er sah an die Decke, damit sie leichter an seine Kehle kamen und endlich, endlich kam der barmherzige Tod über ihn und erlöste ihn von seinem Leiden.
Alistair gab ein letztes geröcheltes “Danke” von sich, bevor die Silberkugel durch seine Schläfe drang und folgte seiner Rosalind in den Tod.
Er hoffte seine Freunde würden die Gnade haben ihn mit ihr an seiner Seite zu begraben.
Aber wenn nicht … nun … es wäre nicht mehr sein Problem.
Sein Leben, seine Qual war nun vorbei.
~Ende~