Melinda seufzte leise. Der Dezember hatte sich mit seinem nasskalten Regenwetter nicht gerade beliebt bei ihr gemacht. Eher hatte er sie mit der ständigen frühen Dunkelheit und dem mangelnden Sonnenschein in eine Winterdepression gestürzt.
Trotz Adventskalender, passendem Kranz, Weihnachtsbaum und Duftkerzen wollte sich das Weihnachtsfeeling nicht einstellen und selbst einen Tag vor Heiligabend war sie absolut nicht in Stimmung am nächsten Tag mit der Familie zu feiern.
Stattdessen wollte sie sich am Liebsten in ihrem Zimmer einschließen und nie wieder rauskommen.
"Liebling, kommst du bitte mal", rief Tom, ihr Ehegatte, nach ihr.
Langsam atmete sie aus und schleppte sich aus der Küche hinüber zu ihrem Mann, der im Wohnzimmer stand.
"Ja, Tom?", fragte sie matt, schaffte es nicht einmal ihn anzusehen.
"Zieh Jacke und Schuhe an", forderte er sie auf.
"Warum? Ich will nicht mehr weg", hakte Melinda nach.
"Wir fahren weg", erwiderte Tom.
Melinda blinzelte. "Wohin?"
"Das wirst du dann sehen", murmelte er und küsste sie sanft auf die Wange. Er hielt zwei Taschen in den Händen und blickte sie auffordernd an.
Voller Widerwillen zog sie sich an und folgte Tom dann zum Taxi, welches vor dem Haus wartete.
*~*
Einige Stunden später lehnte Melinda mit dem Rücken an Toms Brust gelehnt und blickte aus dem Fenster der kleinen Blockhütte, die er gemietet hatte. Sie befanden sich mitten in der schwedischen Einöde und in wenigen Minuten würde die Sonne aufgehen.
Der Horizont erhellte sich langsam, färbte sich vom dunklen Blau über Violett und Rot und Orange und Gelb, während die Sonne aufging. Der Himmel war schwer von Wolken und einen Moment lang dachte Melinda, dass auch hier kein Schnee sondern Regen vom Himmel fallen würde, dann aber begannen mit einem mal große, weiße Flocken vom Himmel zu fallen.
Am Fensterrahmen hatten sich Eiskristalle gebildet und an der Regenrinne hingen Eiszapfen. Überhaupt herrschte außerhalb der Hütte eine winterliche Idylle, wie Melinda sie in ihrer Heimat vermisst hatte.
Auf ihrem Gesicht lag zum ersten Mal seit Wochen ein glückliches Lächeln und als ihr Blick zur Seite wanderte und sie den geschmückten Tannenbaum entdeckte, zog der Weihnachtszauber sie endgültig in seinen Bann und sie begann "Leise rieselt der Schnee" zu summen. Tom reichte ihr einen Becher mit heißem Kakao und wünschte ihr einen Frohen Weihnachtsmorgen.
Auch er lächelte und war froh, dass seine Frau endlich wieder lächelte.