"Kann er sich an irgendetwas erinnern?"
Die Frage hallte durch den Raum, prallte auf meine Trommelfelle. Ich hörte die Worte. Verstand, was sie bedeuteten, und maß ihnen doch keinerlei Bedeutung zu. Sie betrafen mich nicht.
Ich presste meine Finger gegen meine Schläfen, da mein Kopf schmerzte.
"Nein. Tut mir leid. Er kann uns nicht sagen, wer er ist oder was mit ihm passiert ist."
Die Stimme vor der Tür und ihre Aussage sollten mich vermutlich verunsichern, taten es aber nicht. Es war, als spräche man nicht über mich, obwohl man es tat.
"Sir?"
Eine Hand berührte meinen Unterarm. Ich zuckte zurück, starrte die Frau in Weiß mit vor Schreck geweiteten Augen an und ich spürte, wie mein Gesicht sich verzog, weil mein Schädel durch die Bewegung stärker brummte.
"Sir, haben sie Schmerzen?"
Ich brauchte einen Moment, bevor ich meine Stimme fand.
"Ja"
Sie lächelte mich an.
"Ich gehe den Doktor fragen, ob ich ihnen etwas dagegen geben darf."
Ich konnte ihrem Blick nicht standhalten und blickte stattdessen hinab auf meinen Schoss, wo meine Hände nun ruhten, obwohl ich sie lieber wieder gegen meine Schläfen gepresst hätte. Meine Lider senkten sich einen Moment später und ich lehnte mich zurück gegen das hochgestellte Kopfteil des Bettes.
Mein Atem ging ruhig und langsam katalogisierte ich die kleineren und größeren Stellen an meinem Körper, die mir Schmerzen verursachten. Der Mann, der vor der Tür sprach, hatte von Prellungen und Schürfwunden gesprochen. Das waren dann wohl die blauen und roten Stellen an meinem Körper.
Ich hörte, wie die Frau in Weiß den Mann ansprach und ihn wegen eines Mittels gegen die Schmerzen fragte. Die Antwort registrierte ich jedoch nicht mehr, denn die sich öffnende Tür lenkte mich ab.
Jemand betrat den Raum und trat an mein Bett.
"Jeremy?", sprach man mich an.
Ich öffnete langsam meine Augen und sah mich einer Frau mit dunklem Haar gegenüber. Ich blinzelte langsam.
Bin ich das? Ist mein Name Jeremy?
Ich stellte mir diese Frage, fand aber keinerlei Antwort darauf. Daher sah ich die Frau nur ausdruckslos an.
"Jeremy, nun sag doch was", flehte die Frau mich an, aber ich wandte meinen Blick ab und schloss meine Augen wieder.
Der Mann und die Frau in Weiß kamen wieder in den Raum. Ich hörte sie reden, aber ich wollte nur meine Ruhe. Der Mann jedoch forderte meine Aufmerksamkeit.
"Sir, ich werde ihnen nun eine Injektion geben", sagte er.
Ich blinzelte und nickte langsam, um meine Erlaubnis zu geben.
Die Nadel biss in meine Armbeuge und der pochende Schmerz in meinem Kopf ließ langsam nach.
Ein Seufzen der Erleichterung perlte über meine Lippen.
"Jeremy!"
Die dunkelhaarige Frau sprach mich wieder an. Sie glaubte wohl wirklich, dass mein Name Jeremy war.
Ich antwortete nicht, sah nur dabei zu, wie der Mann und die Frau in Weiß sie aus dem Raum brachten. Ich hörte sie aufgeregt vor der Tür tuscheln.
"In seinem Kopf ist Tabula Rasa. Wir sind erstaunt, dass er überhaupt versteht, was um ihn herum vorgeht", hörte ich den Mann sprechen.
Tabula Rasa, der ursprüngliche Zustand der Seele vor ihrem Geprägt werden durch Eindrücke und Erfahrungen oder auch etwas, was durch nichts mehr vorgeprägt ist und einen Neubeginn ermöglicht.
Woher dieser Gedanke kam, wusste ich nicht, aber es ließ mich lächeln. Zum ersten Mal seit ich hier erwacht war.
"Können sie sich wirklich an nichts erinnern?", fragte die Frau in Weiß, als sie wieder in den Raum kam.
"Tabula Rasa … daran erinnere ich mich", murmelte ich leise und ließ mich dann von den Schmerzmitteln in den Schlaf hinüber tragen.
Das Letzte, was ich hörte, war die Frau in Weiß, die dem Mann sagte, dass ich wusste, was Tabula Rasa bedeutete.