Am Brunnen wusch sich Njellen Hände und Gesicht. Dann nahm er den Korb. Der Wächter, und sein Panther, begleiteten ihn aus dem Dorf hinaus. Nachdem sie ein Stück gegangen waren, blieb Njellen stehen. Er sah zu dem Wächter. Eigentlich wollte er sich bedanken. Doch bevor er etwas sagen konnte, meinte der Panther: »Ich denke er sollte nicht noch länger warten müssen. Was gerade passiert ist, zeigt doch deutlich, dass er ihn braucht. Und am besten noch heute.«
»Du hast recht, ja. Aber er selbst hat um eine kleine Pause gebeten. Du weißt, er ist grade erst zurückgekehrt.«
»Wenn wir ihm schildern, wie dringend er gebraucht wird?«
»Ich habe es bereits weitergegeben. Jetzt liegt es an ihm.«
Als die beiden schwiegen, kam Njellen endlich zu Wort. »Danke für eure Hilfe«, sagte er leise. »Aber ich glaube, dass ich jetzt noch ein größeres Problem mit ihnen habe als zuvor.«
»Das wird sich zeigen«, meinte der Panther ruhig.
»Du solltest erst mal nach Hause gehen. Deine Familie wartet auf dich«, sagte der Wächter.
Ehe Njellen noch etwas sagen konnte, waren beide, in einem hellen Licht, verschwunden. Und so machte er sich auf den Weg. Die Sonne war inzwischen aufgegangen und ihre Strahlen fielen durch die Zweige der Bäume. Njellen öffnete die Tür und betrat die Küche. Die anderen warteten bereits auf ihn. Er stellte den Korb auf den Tisch und setzte sich anschließend.
»Ist alles in Ordnung?«, fragte Astor besorgt.
»Ja. Warum fragst du?«
»Weil du Blut auf deiner Kleidung hast«, antwortete der Hund.
Hellen, welche grade den Korb auspackte, wandte sich um. »Was ist passiert?«, fragte sie.
Njellen zögerte. Doch dann meinte er: »Das Übliche eben. Die Jungen aus dem Dorf hatten es mal wieder auf mich abgesehen.«
»Du musst dich wehren. Lass sie nicht immer auf dir herumtrampeln«, sagte Trakner.
»Wie soll ich mich den wehren?«, entgegnete Njellen. »Die haben alle ihre Tiere bei sich. Was soll ich da denn machen? Am besten, ich bleibe einfach fern vom Dorf.«
»Fürs erste, ist das bestimmt das Schlauste, was du machen kannst«, meinte Hellen.
Und genau das tat Njellen auch. Die nächsten vier Tage verließ er das Haus nicht. Meist blieb er auf seinem Zimmer. Lag auf dem Bett und saß am Fenster. Am Abend des vierten Tages, der Abend, bevor er volljährig werden würde, sprang er plötzlich auf und eilte aus dem Haus. Astor rief ihm etwas hinterher, doch Njellen verstand ihn nicht. Sein Weg führte ihn hinein in den Wald. Als er ihn erreicht hatte, verlangsamte er seine Schritte. Wie hatte er die Andeutung des Wächters überhören können? Er hatte sich doch mit seinem Panther darüber unterhalten, dass er einen Partner bekommen sollte. Njellen lief durch den Wald. Er achtete kaum darauf, wo ihn seine Füße hintrugen. Doch plötzlich blieb er stehen. Er hatte Schritte gehört. Angestrengt lauschte er. Die Person, welche da durch den Wald lief, versuchte gar nicht leise zu sein. Er krachte durch den Wald. Genau auf ihn zu. Njellen sah sich um. Da packte ihn jemand von hinten und hielt ihn fest. Es waren die Kinder aus dem Dorf.
»So du Missgeburt«, zischte ihm einer ins Ohr. »Das du nicht mehr ins Dorf kommst, war ja klar. Also haben wir hier auf dich gewartet.«
Ein anderer trat vor ihn. »Oh. Er hat immer noch keinen Partner«, sagte er mit gespielt schlechter Traurigkeit.
Njellen sagte nichts. Er bereitete seinen Geist darauf vor, die Schmerzen zu ignorieren, die sie im zweifelsohne zufügen würden. Die Tiere der Jungen hielten sich in den Schatten der Bäume versteckt. Einer der Jungen zog ein Messer. »Wir sollten dir die Ohren stutzen. Dann siehst du nicht mehr ganz so hässlich aus«, meinte er. Die anderen lachten. Der Junge mit dem Messer trat auf Njellen zu. Doch plötzlich hielt er inne. »Ne«, meinte er. »Dann sieht ja keiner mehr, was für ein Scheusal du bist.«
»Wir könnten ihm etwas auf die Stirn ritzen«, meinte der, der Njellen festhielt.
»Oder vielleicht«, sagte eine knurrende Stimme, »lasst ihr ihn einfach los.«
Alle sahen auf. Der Wächter und sein Panther waren wieder da. Die Jungen wichen zurück. Nervös sahen sie sich um.
»Ihr braucht nicht nach ihnen zu suchen«, meinte der Panther mit kalter Stimme. »Wir haben ihnen des Status als Seelentier aberkannt. Sie sind wieder normale Tiere und direkt geflohen. Und ihr werdet auch keine neuen mehr bekommen.«
Diese Worte saßen tief. Die Jungen sahen mit entsetztem Blick zu dem Wächter auf.
»Wir haben euch beim letzten Mal gewarnt«, sagte dieser. »Da ihr nicht hören wolltet, haben wir gehandelt. Und jetzt ab mit euch.«
Das ließen sie sich nicht zweimal sagen. Die Jungen rannten davon. Der Panther sah ihnen nach. Als sie außer Sicht waren, meinte er glucksend: »Die werden Augen machen, wenn ihre Tiere zu Hause auf sie warten.«
Der Wächter seufzte. »Ich hoffe sie haben es jetzt kapiert«, meinte er. Dann wandte er sich an Njellen. »Ich habe mir schon Sorgen gemacht, du hättest unseren Hinweis nicht mitbekommen.«
Njellen sah zu ihm auf. Er wusste nicht, was er sagen sollte. Der Panther trat zu ihm. »Bist du in Ordnung?«, fragte er.
»Ja. Aber was macht ihr hier?«
»Wir haben auf dich gewartet«, meinte der Wächter.
»Warum?«, fragte Njellen verdutzt.
»Weißt du«, begann der Wächter, »es ist immer etwas kompliziert, wenn ein Halbling ein Seelentier bekommt. Deswegen sind wir Wächter beim Aufeinandertreffen dabei.«
Njellen sah ihn an. »Ich bekomme einen Partner?«
»Komm mit«, sagte der Panther. »Er wartet auf dich.«
Der Wächter führte ihn durch den Wald, bis hin zu einer Lichtung. Dort hatten sich die anderen versammelt. Drei Männer und eine Frau. Jeder hatte ein Tier an seiner Seite. Der Rothaarige und sein Panther gesellten sich zu ihnen. Njellen blieb am Rande der Lichtung stehen. Hinter den Wächtern hervor trat ein Tier. Es hatte weißes Fell und eine weiße Mähne. Seine großen Pfoten machten keinen Laut auf der Lichtung. Langsam trat Njellen vor. Er sah fragend zu den Wächtern auf. Doch diese standen nur ruhig da, fast so, als ob sie nicht anwesend wären. Njellen sah wieder zu dem Tier. Der weiße Löwe stand nun vor ihm. Obwohl er müde aussah, lächelte er. »Freut mich dich kennenzulernen«, meinte er. Seine Stimme war ruhig aber kraftvoll. »Mein Name ist Lefkó.«
Keuchend tauchte Lefkó im Reich der Wächter auf. Sein weißes Fell war blutverschmiert. Er sah zu den Wächtern auf. Seine Stimme brach, als er sagte: »Ich konnte ihn nicht mehr retten. Ich habe versagt.«
Die Frau kniete sich zu ihm nieder, da Lefkó, mit geschlossenen Augen, einfach da lag. Sie wusch das Blut aus seinem Fell und murmelte dabei leise. Als Lefkós Fell wieder weiß war, trat sie zurück. Doch der Löwe regte sich nicht. Er lag einfach nur da. Nun trat der Wolf auf ihn zu. Leise redete er auf den Löwen ein. Dieser hob leicht den Kopf. »Ihr wusstet, dass es so enden wird, oder?«
»Ich habe es befürchtet«, antwortete der Älteste.
Lefkó stöhnte auf und sein Kopf sank auf seine Pfoten. Der Wolf legte sich neben ihn.
»Du bist nicht Schuld, an dem was passiert ist, Lefkó«, sagte der Älteste mit Nachdruck.
Lefkó stöhnte nur. »Wisst ihr was das für ein Gefühl ist, wenn dein Seelenpartner, vor deinen Augen in Stücke gerissen wird und du nur zusehen kannst?«
»Würde mich nicht wundern, wenn Brogern seine Finger im Spiel hatte«, meinte die Frau.
Lefkó sah sie an. »Warum sind die Menschen so dämlich?«, fragte er.
»Warum kann ich nicht sagen, aber aus diesem Grund haben wir ihnen euch zur Seite gestellt.«
Lefkó verdrehte die Augen. »Wie lange noch?«, fragte er dann.
»Du möchtest aufhören?«, harkte der Rothaarige nach.
»Versteht mich bitte mich falsch, aber einigen Menschen ist einfach nicht mehr zu helfen.«
»Ist in Ordnung Lefkó«, der älteste sah ihn mit einem ernsten Blick an. »Aber erlaube mir die Frage. Möchtest du ganz aufhören, oder nur nicht mehr an der Seite eines Menschen sein?«
Lefkó sah ihn an. »Es ist wieder ein Halbling geboren worden?«, fragte er.
»Er ist schon fast volljährig.«
Lefkó kratze sich hinterm Ohr. Man konnte sehen, dass mit sich kämpfte. Schließlich meinte er: »Na gut. Da ich ja zurzeit der Einzige bin, welcher dazu in der Lage ist, und es für Halblinge eh schon schwer genug ist, werde ich es tun. Aber ich brauche wenigstens etwas Erholung. Und wenn ich anschließend immer noch genug habe, dann bitte ich euch, meinen Vertrag aufzulösen.«
»Ist in Ordnung. Allerdings«, Lefkó sah den ältesten misstrauisch an, »wirst du dich nicht ganz so lange Erholen können, wie du es gerne getan hättest, da er bereits in fünf Tagen volljährig wird.«
Lefkó seufzte. »Na schön. Aber dann lasst mir wenigstens die vier Tage.«
»Auf die paar Tage, kommt es jetzt auch nicht mehr an«, meinte der Rothaarige. »Ruh dich aus großer.«
Lefkó zog sich in einen kleinen Raum zurück und legte sich dort nieder. Seine Gedanken drehten sich im Kreis. Ein Mal noch. Ein Mal würde er es auch noch schaffen. Und Halblinge waren ihm eh lieber als Menschen. Die waren nicht so von sich eingenommen. Ein Halbling wäre ein schöner letzter Partner. Auch, wenn seine Seele vermutlich bereits voller Narben war. Doch dies war bei Halblingen ja leider normal. Und Schuld waren wieder die Menschen. Lefkó drehte sich auf die andere Seite und döste ein. Doch viel zu früh wurde er von der Frau wieder geweckt. Lefkó sah sie an und gähnte.
»Tut mir leid, dass ich die aufwecke, aber die vier Tage sind um.«
Lefkó streckte sich und folgte dann der Frau. Sie führte ihn zurück zu den anderen Wächtern.
»Wie fühlst du dich?«, fragte der Rothaarige.
»Müde. Aber sonst geht es mir gut.« Lefkó streckte sich nochmal.
»Sehr schön«, meinte der Älteste, »dann wollen wir dich mal zu ihm bringen.«
Die Wächter stellten sich im Kreis um Lefkó. Ein blaues Licht umschloss sie. Als es wieder verschwand, befanden sie sich auf einer Lichtung im Wald. Der Rothaarige und sein Panther verschwanden im Wald. Als sie kurz darauf wiederkamen, war noch jemand bei ihnen. Lefkó erkannte sofort, das dies der Halbling war. Halb Mensch, halb Elf. Lefkó trat hinter den Wächtern hervor und ging auf ihn zu. Der Halbling sah fragend zu den Wächtern. Doch diese taten so, als ob sie nicht anwesend waren.
»Freut mich dich kennenzulernen«, meinte Lefkó mit ruhiger aber kraftvoller Stimme. »Mein Name ist Lefkó.«
Njellen sah Lefkó sprachlos an. Er wusste einfach nicht, was er sagen sollte. Der Löwe lächelte. »Ich hoffe, du bist nicht enttäuscht«, meinte Lefkó.
Endlich fand Njellen seine Stimme wieder. »Ganz im Gegenteil«, sagte er. »Ich bin überglücklich.«
Der Löwe trat noch einen Schritt auf ihn zu. In seinem Blick lag plötzlich etwas Trauriges. »So viel Leid«, murmelte er.
Njellen sah in verständnislos an. Lefkó stand nun so dicht vor ihm, dass er sein Spiegelbild in den dunklen Augen des Löwen sehen konnte.
»Deine Seele hat schon so viel Leid erfahren«, sagte Lefkó leise.
»Du kannst meine Seele sehen?«
»Sehen und spüren. Und ich denke, es wird Zeit, dass wir deine Seele vor Brogern schützen.«
Lefkó legte seine Vorderpfoten auf Njellens Schulter. Und dann fiel der Löwe durch ihn hindurch. Njellen wandte sich um. Lefkó saß hinter ihm.
»Was war das?«, fragte Njellen. Er fühlte sich merkwürdig. Er konnte nicht genau sagen was, aber etwas war anders.
Lefkó sah ihn an. »Wie füllst du dich?«, fragte er.
»Schwer zu sagen. Irgendwie komisch.«
»Das ist normal«, meinte der Löwe. »Normalerweise verbringt man auch etwas Zeit mit seinem Partner, bevor man die Seelen verschmilz. Aber da du ja morgen bereits volljährig wirst, blieb dafür leider keine Zeit.«
»Was genau meinst du mit Seelen verschmelzen?«, fragte Njellen.
»Du sagtest, du fühlst dich komisch? Das liegt daran, dass du nun auch meine Gefühle spürst. So wie ich deine spüre«, Lefkó gähnte. Dann meinte er. »Wie sieht's aus? Wollen wir nach Hause?«
Njellen sah zu den Wächtern auf, doch diese waren nicht mehr anwesend. Also nickte er und die beiden machten sich auf den Weg durch den Wald. Lefkó schritt neben Njellen her. Beide schwiegen, bis Lefkó plötzlich stehen blieb. Njellen wandte sich fragend zu ihm um.
»Ist das wahr?«, fragte der Löwe.
Njellen sah ihn verdutzt an. »Was meinst du?«
Lefkó trat wieder neben ihn. Während sie weitergingen, meinte er: »Als dein Seelenpartner, kann ich mir deine Erinnerungen ansehen, um dich noch besser kennenzulernen.«
»Und was hast du gesehen?«, fragte Njellen, unsicher, ob er die Antwort wirklich wissen wollte.
»Du hast also ständig Ärger mit den Menschenkindern?«
»Die wollen mich einfach nicht in Frieden lassen. Nur, weil ich ein halber Elf bin«, antwortete Njellen wütend.
»Mach dir darüber keinen Sorgen mehr«, meinte Lefkó. »Die werden dich nicht länger belästigen.«
»Meinst du?«, Njellen sah in skeptisch an.
»Solange ich bei dir bin, wird dir niemand mehr etwas antun. Und jetzt lass uns weitergehen.«
Njellen sah Lefkó von der Seite an. Der Löwe schritt neben ihm durch den Wald.
Als sie das Haus erreichten, war der Mond bereits aufgegangen und keiner war mehr auf. Njellen und Lefkó stiegen leise die Treppe hinauf und verschwanden in Njellens Zimmer.
»Wo darf ich mich hinlegen?«, fragte Lefkó. »Ich bin tot müde.«
»Wo immer du magst«, antwortete Njellen ihm, während er ins Bett stieg. Lefkó legte sich neben das Bett, schloss die Augen und schlief auf der Stelle ein. Njellen jedoch blieb noch lange wach. Er saß auf dem Bett, die Augen auf Lefkó gerichtet. Wie die anderen wohl auf den Löwen reagieren würden? Ob die Kinder aus dem Dorf ihn nun wirklich in Frieden ließen? In Gedanken verloren, schlief Njellen schließlich ein. Vermutlich lag es an dem, woran er vorm Einschlafen gedacht hatte. Jedenfalls träumte ihm, er sei selbst ein Seelentier. Jedoch musste er mit ansehen, wie sein Seelenpartner von einem Greif in Stücke gerissen wurde. Er selbst konnte nicht eingreifen, da ein zweiter Greif ihn zu Boden drückte und sich dessen Krallen in seine Seite Borten. Njellen schreckte aus dem Schlaf. Schwer atmend und mit kaltem Schweiß bedeckt lag er da. Langsam setzte er sich auf.
»Tut mir leid, dass du meinen Traum mit geträumt hast«, sagte Lefkó, welche Njellen besorgt anschaute.
»Dein Traum?«, Njellen starte ihn an. »Das hast du geträumt?«
»Das war«, sagte Lefkó langsam, »mein Seelenpartner, bevor ich zu dir kam.«
Njellen erschrak. »Wie konnte es dazu kommen?«, fragte er, doch Lefkó schüttelte nur den Kopf. Njellen strich ihm vorsichtig über den Kopf. »Ist schon okay. Das geht mich ja auch nichts an.«
»Tut mir leid, dass du das gesehen hast.«
»Ist so etwas normal?«, wollte Njellen wissen. »Ich meine, dass man die Träume des anderen miterlebt?«
»Hin und wieder kommt so etwas vor. Aber das ist eher selten. Meistens, wenn es sehr emotionale Träume sind.«
»Darf ich noch eine Sache zu dem Traum fragen?«
Der Löwe sah Njellen an, dann nickte er.
»Das waren doch Greife, oder? Wo bitte leben die den noch. Ich dachte die wären ausgestorben.«
»Nein. Sind sie nicht«, etwas Schweres lag in Lefkós Stimme. »Die wenigen, welche noch existieren, leben verstreut in den Bergen. Meistens sind sie paarweise unterwegs.«
»Verrätst du mir, wie ihr da reingeraten seid?«
»Nein. Eigentlich hättest du das gar nicht sehen sollen«, Lefkó sah ihn mit ernstem Ausdruck an.
»Schon in Ordnung«, Njellen legte sich wieder nieder. Lefkós Blick ruhte einen Moment auf ihm, dann legte sich der Löwe wieder und schloss die Augen.
Als am nächsten Morgen die Sonne aufging, und ihre ersten Strahlen das Land erhellten, erwachte Njellen. »Es war ein Traum«, dachte er bei sich. »Ich habe geträumt, dass die Wächter mir einen Seelenpartner gegeben haben.« Njellen setzte sich auf und zuckte kurz zusammen. Lefkó lag neben dem Bett. Als Njellen zusammenzuckte, sah er auf.
»Du gewöhnst dich dran«, meinte Lefkó mit einem Lächeln.
Njellen stieg aus dem Bett und kleidete sich ein. Zusammen mit Lefkó stieg er die Treppe hinunter und betrat die Küche. Hellen, Trakner und Namidha saßen bereits am Tisch. Auch Schattenschwinge und Astor waren anwesend. Als Njellen und Lefkó hereinkamen, sahen die anderen auf. Zunächst herrschte Stille. Dann kam Astor langsam zu ihnen herüber und musterte den Löwen genau. Auch Schattenschwingen kam zu ihnen herüber. Lefkó sah auf den Flügel, welcher etwas abstand. »Wenn Ihr erlaubt, meine Dame, kann ich Euren Flügel wieder heilen«, sagte Lefkó sanft.
Schattenschwinge landete vor ihm. »Wie denn?«, fragte sie.
Lefkó beugte sich vor. Er berührte den Flügel mit der Pfote. Als er sie zurückzog, war der Flügel wieder grade. Schattenschwinge schlug mit den Flügeln und flog einmal durch den Raum. Dann kam sie wieder zurück.
»Ales in Ordnung?«, fragte Lefkó nach.
Schattenschwinge nickte. »Ich danke dir.«
Namidha sah Lefkó bewundert an. Dieser lächelte ihr zu.
»Wie kommt es, dass du Heilungsmagie beherrscht?«, fragte Astor.
Lefkó wandte sich zu ihm um. »Das liegt daran, dass Njellen diese Gabe besitzt. Wie ihr ja wisst, kann er aber nur Menschen heilen und keine Tiere. Ich wiederum, kann nur Tiere heilen und keine Menschen. Seine Gabe hat sich auf mich dupliziert, als wir unseren Seelen verschmolzen haben.«
»Ihr habt eure Seelen bereits verschmolzen? Wann habt ihr euch den kennengelernt?«, fragte Schattenschwinge.
»Gestern Abend«, antwortete Lefkó. »Es blieb nur leider keine Zeit mehr uns richtig kennenzulernen, da er ja heute das siebzehnte Lebensjahr vollendet hat.«
Namidha sah die ganze Zeit wie gebannt auf den Löwen. Als Lefkó sie ansah, wandte sie rasch den Blick ab. Als der Löwe einen Schritt auf sie zu trat, knurrte Astor leicht. Lefkó wandte sich zu ihm um. »Glaubst du ernsthaft, ich würde ihr etwas tun?«, fragte er.
»Nun ja. Wir kenn dich ja noch gar nicht.«
»Ist schon gut, Astor«, meinte Trakner, »lass ihn ruhig.«
»Ich finde es gar nicht so schlimm, dass Astor etwas misstrauisch ist«, meinte Hellen.
Lefkó sah zu Trakner auf. »Ich finde Astors verhalten angemessen«, sagte er, »Ihr kennt mich ja nicht.«
Njellen setzte sich an den Tisch und Lefkó legte sich neben seinen Stuhl.