Nach dem ich Rilana den Fluchtweg gezeigt habe, teilt sie mit mit das sie duschen geht und ich zeige ihr wo sie frische Badelaken findet. Gedankenverloren stehe ich nun in meiner Küche am Herd und koche ein paar Nudeln mit Tomatensauce für uns. Irgendwie eigenartig. Bisher habe ich nie wirklich für jemand quasi fremden gekocht. Natürlich habe ich schon Freunde bekocht und wir haben gemeinsam gegessen – niemals jedoch für einen Gast. Mich verwundert selbst das ich sie als einen Gast in meinem Haus bezeichne. Theoretisch ist sie das, allerdings ist sie auch mein Auftrag. Und eine Zielperson sollte nicht in meinem Haus unterkommen. Die ganze Sache hat sich über die Tage hinweg zum Selbstläufer entwickelt, stelle ich kopfschüttelnd fest und würze die Sauce, welche ich selbst zubereitet habe. Von fertigen Produkten halte ich nicht sonderlich viel als Fitnesstrainer. Viel zu viel Zucker und künstliche Zusatzstoffe.
Bevor ich sie höre oder sehe, spüre ich ihre Anwesenheit und ein Schauer rinnt über meinen Körper. Was zur Hölle ist das?
„Oh – es gibt selbst gekochtes Mittagessen?“, fragt sie neugierig und kommt näher.
„Nudeln mit Tomatensauce, ja.“
Sie tritt neben mich und wirft einen Blick in den Topf mit Sauce, in der ich gerade rühre und grinst erfreut. Ihre dunklen Locken sind noch leicht feucht, ebenso weist das locker um ihren Oberkörper sitzende, hellblaue Shirt dunkle Stellen auf. Ihre langen schlanken Beine stecken in schwarzen Leggins, ihre Füße sind nackt. Noch jemand der gern ohne Schuhe und Socken durch die Gegend läuft. Routiniert nehme ich die Töpfe von den Kochfeldern, nachdem ich diese ausgestellt habe und nehme zwei Teller aus dem Küchenschrank, um Nudeln auf diese zu schaufeln. Danach gebe ich die Tomatensauce darüber und hole den Parmesan aus dem Kühlschrank, nebst Reibe, um ihn über meine Portion zu zerreiben.
„Auch welchen?“
„Gern. Extra viel, bitte. Ich bin ein Käseholiker“, grinst sie mich an.
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Rilana steht mit einem Geschirrtuch bewaffnet neben mir und wartet darauf, dass ich ihr das gespülte Geschirr überreiche, damit sie es abtrocknen kann. Sie hat sich stur durchgesetzt und sich nicht davon abbringen lassen mir zu helfen. Wenn sie mir schon auf der Tasche liegen müsse, dann würde sie mir auch helfen wo sie kann, war ihre Aussage mit einem entschlossenen Funkeln in den grünen Augen. Schulterzuckend habe ich es schlussendlich so hingenommen und ihr das Trockentuch in die Hände gedrückt, damit sie etwas zum Helfen hat. Die zwei Teller und das Besteck samt Gläser sind schnell gespült und abgetrocknet, weswegen ich noch immer nicht ganz verstehe, warum sie unbedingt helfen wollte.
Etwas unsicher schaut sie mich nun an und ich ziehe fragend eine Augenbraue in die Höhe, weil sie nichts sagt.
„Ähm… ich habe meinen Ebook-Reader nicht mitgenommen im Eifer des Gefechts und ich… hm, würde mich gern etwas beschäftigen. Kann ich den Fernseher eventuell in Beschlag nehmen?“, rückt sie mit der Sprache raus. „Wenn es nicht stört, natürlich.“
„Ich habe ein Tablet was ich aktuell nicht nutze, sollte das weiterhelfen. Darauf sollte man lesen können, denke ich. Ansonsten steht der Fernseher zur freien Verfügung. TV schaue ich recht selten.“
„Ah, okay. Wenn es wirklich in Ordnung ist, dann nehme ich gern das Tablet. Lesen ist mir tatsächlich lieber als vor der Flimmerkiste zu sitzen, muss ich gestehen.“
Mit langen Schritten begebe ich mich zum Schreibtisch, welcher im Wohnbereich unter dem Fenster steht und öffne eine der vier Schubladen, um mein Tablet herauszuziehen und es einzuschalten. Der Akku ist noch voll und ich drehe mich zu ihr um, damit ich es ihr in die Hand drücken kann, da sie mir gefolgt ist. Ihre Augen strahlen und ich komme nicht umhin ihre Freude zu teilen. Komische Sache eigentlich – wieso freue ich mich, weil sie sich freut? Unmerklich schüttle ich meinen Kopf, um die Gedanken zu verjagen und streiche mit mir der rechten Hand durch die Haare. Mich verwirren diese spontanen Empfindungen und Gedankengänge gelinde gesagt etwas und damit weiß ich nicht recht umzugehen.
„Ich setze mich auf die Terrasse und genieße das Wetter ein wenig. Dann störe ich nicht.“
„Wie kommen Sie auf diese Idee?“
„Nun… ich weiß nicht“, zuckt sie unentschlossen mit den Schultern und schaut mich an.
„Ich werde einige Telefonate führen und geselle mich dann einfach dazu.“
Mit einem kurzen Nicken macht sie sich auf den Weg nach draußen und ich rubble mir mit beiden Händen durch mein Haar, schnaufend, weil ich völlig überflutet werde mit neuen, unbekannten Eindrücken. Bisher hatte ich mich an und für sich für einen normalen Durchschnittskerl gehalten, den nichts mehr aus den Socken haut. Da habe ich mich anscheinend geirrt. Rilana Myers macht etwas mit mir und ich weiß verdammt noch mal nicht was das ist. Und ich bin mir nicht sicher, ob ich es herausfinden möchte oder einfach dabei belassen sollte.
Um auf andere Gedanken zu kommen schnappe ich mir mein Smartphone und erledige ein paar Telefonate, damit sichergestellt wird, dass die Wohnung von Rilanas Freundin nicht erneuter Rattenmord-Tatort wird. Jemand soll ab und an nach dem Rechten schauen, möglichst unauffällig. Soweit ich informiert bin, weiß May nichts von dem Personenschutzauftrag, was möglichst lang so bleiben soll. Je weniger Menschen davon wissen, umso besser für mich und meinen Auftrag. In einem weiteren Telefonat stelle ich sicher, dass meine Firma auch ohne meine Anwesenheit rund läuft. Bisher gab es niemals Probleme, wenn ich für längere Zeit abstinent gewesen bin. Auch jetzt scheint laut Rücksprache alles wie geschmiert zu laufen und ich bin beruhigt als ich das Smartphone auf den Küchentresen lege und mich zu Rilana auf die Terrasse geselle.
Sie hat es sich auf eine der Sonnenliegen bequem gemacht, das Tablet liegt neben ihr auf der Liegefläche, direkt daneben steht zu meinem Leidwesen meine Nachbarin Elena und ich stöhne innerlich genervt auf. Was macht die denn hier?
„Ich habe dich hier noch nie gesehen. Wer bist du und wo kommst du her?“, versucht sie gerade Rilana auszuquetschen und mache die wenigen Schritte auf die mir zugewandte Seite des Liegestuhls, bevor eine Antwort erfolgen kann.
„Das ist Rilana und sie wohnt bei mir“, antworte ich an ihrer Stelle knapp. „Ich kann mich im Übrigen nicht daran erinnern, dich eingeladen zu haben.“
Elenas blaue Augen blitzen mich missbilligend an und sie lächelt gezwungen. Ihr scheint es ganz und gar nicht in den Kram zu passen das eine Frau sich in meinem Haus aufhält. Dieses Frauenzimmer hat irgendwelche Besitzansprüche an mich und ich weiß nicht, wie sie auf diesen Trichter kommt. Bisher habe ich sie mehr als abweisend behandelt, oder einfach ignoriert. Nichts, was ihr Hoffnung machen könnte – zumindest nicht in meiner Welt.
„Eine Frau, die ich noch nie hier gesehen habe, lebt von heute auf morgen bei dir?“
„Ja. Und ich wüsste nicht, was dich das angeht, denn ich bin dir keinerlei Rechenschaft schuldig. Du bist meine Nachbarin, mit der ich rein gar nichts zu schaffen habe“, weise ich sie auf das Wesentliche hin. „Wenn du jetzt bitte wieder gehen würdest.“
Ein wenig damenhaftes Schnaufen kommt aus ihrer Richtung und sie schaut mich zornig an, die Hände dabei in die Hüften gestemmt.
„Ich habe deine Blicke gesehen, wie du mich beobachtest, wenn ich mich auf meiner Terrasse sonne oder ins Wasser gehe. Tu nicht so, als hättest du keinerlei Interesse an mir“, faucht sie mich nun schrill an. „Du willst mich, gib es endlich zu, Herrgott nochmal!“
Herrje. Was ist plötzlich in diese Frau gefahren? Man könnte sie mir auf den Bauch binden und sie würde beim Duschen irgendwann rostig abfallen. Elena Graham ist überhaupt nicht mein Typ und lässt mich absolut kalt. In jeglicher Hinsicht. Sie ist eine Person, die man mit einem Teelicht röntgen könnte. Und das ist weder toll noch sexy.
Rilana erhebt sich geschmeidig von der Liege, in meine Richtung, dreht sich zu Elena um und lehnt sich dabei eng an meine linke Seite, den Arm um meine Mitte schlingend. Ihren Kopf lehnt sie seitlich gegen meine Schulter und ich versuche mich nicht zu versteifen, was seltsam rüberkommen dürfte. Noch vermute ich nur was sie vor hat und bin neugierig, ob ich recht habe. Ihr fruchtig-süßer, aber nicht aufdringlicher Duft steigt mir in die Nase und ich muss mich zusammenreißen, damit ich nicht leise knurre wie ein Tier.
„Wie kommst du darauf das Cal auf dich scharf ist, wenn er doch mit mir glücklich ist?“, mischt sie sich fast schon schnurrend ein. „Warum sonst hat er mich wohl gefragt, ob ich endlich bei ihm einziehen möchte?“
Sanft legt sie ihre linke Hand flach auf meinen Bauch und schaut lächelnd zu mir hoch. Schlagartig wird mir warm und ich drehe meinen Kopf leicht zu ihr herunter, damit ich ihren Blick erwidern kann. Ich kann mir nicht helfen, aber ein Lächeln macht sich auf meinem Gesicht breit. Rilanas Augen weiten sich fast unmerklich etwas und sie strahlt direkt noch mehr als vorher bereits.
„Das kann jeder behaupten“, kommt es schnippisch von meiner nervigen Nachbarin. „Als ob er mit dir was anfangen würde.“
Augenblicklich versteift Rilana sich und ich werfe Elena einen warnenden Blick aus zusammengekniffenen Augen zu. Sie hat gerade unwissend einen scheinbar wunden Punkt bei Rilana gefunden und das gefällt mir zu meiner Verwunderung ganz und gar nicht.
„Und das weißt du woher?“, verlange ich mit dunkler Stimme und unterdrückter Wut.
„Hast du Augen im Kopf, Calin?“, giftet sie mich verständnislos an.
„Allerdings. Und ich sehe, dass Rilana die wundervollste Frau ist, die mir jemals begegnet ist. Sie hat weibliche Rundungen, die jeden Mann um den Verstand bringen können, Wahnsinnsaugen, ein hübsches Gesicht, Haare, in denen man seine Hände vergraben will“, führe ich grollend aus und drehe meinen Kopf langsam wieder in die Richtung der von mir beschriebenen Person. „… und verlockende Lippen, die zum Küssen förmlich einladen.“
Noch während ich die letzten Worte ausspreche, senke ich meinen Kopf, Rilana dabei wie gebannt in die Augen schauend und treffe mit meinem Mund den ihren, während ich meine Augen schließe. Mein kompletter Körper steht von jetzt auf gleich in Flammen und ich kann nicht anders: ich drehe mich vollends zu ihr um, ziehe sie fest an meinen Körper, meine linke Hand lasse ich in ihre seidigen Haare wandern, welche sie offen trägt und schlinge meinen rechten Arm besitzergreifend um ihre Taille, damit sie mir nicht entwischen kann – sollte sie dieses vorhaben.