So sehr ich auch versuche ihr zu widerstehen – es gelingt mir nicht. Die Anziehungskraft nach unserem ersten Kuss ist schlicht und ergreifend zu stark. Streng genommen habe ich mir geschworen niemals etwas mit meinen Zielpersonen anzufangen, wozu auch das Küssen zählt. Trotz allem halte ich sie nun fest an meinen Oberkörper gedrückt und spüre ihre weiblichen Rundungen an meiner nackten Haut, gleichzeitig unterdrücke ich ein animalisches Knurren, welches mir in der Kehle aufsteigt und aus meinem Mund entkommen will. Bisher habe ich bei noch keiner Frau einen solchen Drang empfunden wie ein Tier zu knurren und sie nie wieder loslassen zu wollen. Irgendwas rührte Rilana Myers in meinem Inneren, indes ich mir unsicher bin ob ich diese Anomalie gut oder schlecht finden soll.
Eine Frau an meiner Seite bedeutet zeitgleich, dass ich eine Achillesferse habe, die offensichtlich nach außen hin zu erkennen wäre. In meinem Berufsfeld nicht unbedingt von Vorteil, denn gleichbedeutend bringe ich meine Partnerin in Gefahr und nicht nur mich selbst. Exakt diese Konstellation habe ich in der Vergangenheit vermieden, wobei mein Entschluss nun spürbar ins Wanken gerät. Rilana ist die Frau, die wie für mich gemacht scheint, ohne es selbst zu wissen. Dennoch kann ich mich nicht dazu durchringen, etwas Ernstes mit ihr anzufangen. Um sie nicht in unnötige weitere Gefahr zu bringen und um mich nicht ablenken zu lassen. Zu gefährlich sind oftmals die Situationen, in die ich mich zum Teil freiwillig begeben muss.
Meine Zunge fährt sanft über ihre volle Unterlippe, bittet um Einlass in ihren Mund, damit sie noch mehr als nur ihre süßen Lippen erkunden kann. Leise Seufzend kommt Rilana der stummen Bitte nach und teilt ihre Lippen, damit ich meine Zunge in ihren heißen Mund gleiten lassen kann. Sie gibt, scheinbar unbewusst, zarte leise Laute der Zufriedenheit von sich und ich umfasse mit einer Hand ihren Nacken, damit sie mir nicht doch noch entwischt. Zu sehr will ich in diesem Augenblick diesen Kuss mit ihr. Nichts anderes ist derzeit von Bedeutung, nur ihre Bedürfnisse zählen. Eine ihrer Hände spielen nun zaghaft mit meinen Haaren und ich kann mir ein leises und zufriedenes Brummen nicht verkneifen.
Nach einigen Minuten des leidenschaftlichen Küssens lechzen meine Lungenflügel nach Sauerstoff und widerwillig löse ich mich langsam von Rilanas Lippen. Innerlich zähle ich rückwärts, von zwanzig auf null, und öffne dann meine Augen. Was ich sehe, bringt mich nur noch mehr an den Rand des Wahnsinns: ihre Lippen sind rot, feucht glänzend und geschwollen von unseren Küssen. Meine Badeshorts werden vollends ausgefüllt und ich muss mich zusammenreißen, damit ich sie nicht direkt auf dem Jetski nehme, beziehungsweise sie in eine abgelegene Bucht bringe und das tue, was ich mir in meiner regen Fantasie gerade ausmale. Tief atme ich durch und betrachte weiterhin ihr gerötetes Gesicht, während sie unterdessen ihre Augen geschlossen hält.
„Bist du okay?“, frage ich besorgt nach und überlege, ob ich eventuell zu forsch vorgegangen bin.
„Ja. Ja, ich bin okay. Alles gut. Ich -“, antwortet sie mit belegter Stimme und räuspert sich dezent, bevor sie ihre Augen öffnet und mich aus dunkelgrünen Augen anschaut.
Vermutlich starre ich sie wie eine Schlange an, welche versucht ihr Mittagessen zu hypnotisieren, was mir in diesem Moment allerdings schlicht und ergreifend egal ist, denn dieser Anblick ist das Schönste was ich bisher gesehen habe. Klingt es kitschig, wenn ich jetzt denke, dass sie die schönste Frau ist, die ich jemals gesehen habe? Wenn ja: es ist mir vollkommen gleichgültig.
Mich trifft es wie der Schlag, als mir auffällt das ich mich verliebt habe. In die Frau, die ich beschützen soll.
„Was ist?“, möchte sie deutlich verunsichert von mir wissen und ich blinzle einmal.
„Mir ist nur gerade aufgefallen, dass du die schönste Frau bist, die ich in meinem bisherigen Leben gesehen habe, Rilana Joyce Myers“, gebe ich frei von der Leber zu und schenke ihr ein halbes Grinsen.
Nun blinzelt sie mich überrascht an und ihr Blick huscht zu meinem Mund, bevor auch sie grinst. Ihr Gesicht nimmt einen Hauch Röte an und ich beuge mich vor, dabei meine rechte Hand an ihre Wange legend, um ihr einen Kuss auf die Nasenspitze zu geben.
„Warum bist du so verlegen?“
„Nun… bisher habe ich selten Komplimente über mein Aussehen bekommen. Ich denke, ich muss mich erst an solche gewöhnen. Und dann ausgerechnet von dir.“
„Ausgerechnet von mir? Was genau meinst du damit?“, hake ich mit hochgezogener Braue nach.
„Ich bin lediglich dein Job. Und dann… küssen wir uns und du machst mir Komplimente.“
Ah. Daher weht der Wind also. Sie ist weder Komplimente gewöhnt, noch versteht sie, warum ich plötzlich auf ihre Nähe aus bin und mich offener ihr gegenüber zeige. Duncan hat durchaus recht damit, wenn er sagt das ich selten lächle oder lache. Normalerweise bin ich ernster und lasse Menschen, die in einen Auftrag involviert sind, nicht an mich heran. Sie bleiben auf mindestens einen Meter Abstand – es sei denn, ich muss sie körperlich schützen, dann wird diese Regelung außer Kraft gesetzt. Rilana hat es geschafft meinen harten Schutzpanzer zu unterwandern und zu meinem weichen Kern zu kratzen, den ich gut versteckt habe. Mich verwundert, dass sie meinen Schutzpanzer nicht geknackt, sondern ihn nur wie ein Trojanisches Pferd umgangen ist. Jede andere Frau hätte versucht ihn zu zerstören, um an den heiß begehrten Kern zu gelangen.
„Du bist eine ganz besondere Person, die meine Schutzmauern abgerissen, meinen Schutzpanzer unterwandert und mein Innerstes erweicht hat. Herzlichen Glückwunsch“, lache ich leise und sie bekommt große Augen.
„Ich? Ich habe doch überhaupt nichts gemacht.“
„Findest du nicht? Dann bist du ein noch größerer Ninja, als ich dachte. Ich bin kein sonderlich umgänglicher Mensch, Rilana. In der Regel bin ich der typische Einzelkämpfer, was in meinem Job auch besser ist. Sonst bringe ich unnötig jemanden unschuldiges in Gefahr.“
„Nicht sonderlich umgänglich? Ich weiß ja nicht von wem du da sprichst: du bist es definitiv nicht“, empört sie sich.
„Nein?“
„Nein! Ich kann mich super mit dir unterhalten und mittlerweile lächelst du mal, oder lachst über unterhaltsame Dinge. Ein großer Schritt in die richtige Richtung, findest du nicht auch?“
„Wenn du das sagst“, kommentiere ich ihre Aussage, lapidar mit der Schulter zuckend.
Sie schlägt mir leicht gegen exakt diese Schulter und versucht mich gespielt böse anzuschauen, was ihr deutlich misslingt. Irgendwie wirkt ihr böser Gesichtsausdruck eher niedlich. Aber das werde ich ihr ganz sicher nicht verraten. Niemals. Ich stelle sie mir als ein kleines plüschiges gelbes Küken, mit großen Kulleraugen und einem Buttermesser, welches mit dem Flügelchen umfasst wird, vor. Und genau dieses Küken versucht bitterböse zu schauen.
„Sage ich. Darf ich den Jetski zurückfahren?“
„Klar“, gebe ich ihr zur Antwort, umfasse ihre Taille mit beiden Händen und drehe sie zwischen meinen Beinen um, damit sie richtig herum am Steuer sitzt.
Ich rutsche näher an ihren Rücken und ihren verdammt sexy Hintern heran, um mich an ihr festzuhalten, während sie schon den Jetski startet und dann ordentlich Gas gibt, was mich grinsen lässt. In ihr steckt auf jeden Fall eine Abenteurerin, so viel ist sicher. Damit mir ihre Haare nicht ins Gesicht peitschen, lege ich mein Kinn auf ihre linke Schulter und genieße ihre Nähe, nebst ihrem süßen Duft, der mir um die Nase weht.
Ich bin mir nicht sicher, ob ich das Wagnis eingehen und mich auf sie einlassen soll, oder ob ich in den nächsten Tagen wieder ein wenig Abstand wahre, um sie nicht unnötig in zusätzliche Gefahr zu bringen. Das Letzte was ich möchte, ist das sie noch mehr durchmachen muss als jetzt bereits.