„Und du bist dir wirklich sicher, dass du dieses Risiko eingehen willst, Cal?“, höre ich Fiona fragen, während Duncan mich mit hochgezogenen Augenbrauen mustert. „Das ist ein echt heftiger Plan, den du da ausgeheckt hast.“
„Vollkommen sicher. Ich merke, wie schlecht es Rilana geht und ich muss handeln, sonst gibt Nazari gar keine Ruhe. Sie soll sich nicht ihr restliches Leben ständig umdrehen, oder sich über die Schulter schauen müssen. Und ich kann nicht immer an ihren Fersen haften. Mit Freundinnen soll sie auch allein ins Café oder shoppen gehen können. Ohne mich um sich zu haben. Jeder Mensch braucht Zeit für sich allein und Freunde“, führe ich ernst aus und mache eine unbestimmte Geste mit meiner Hand in der Luft, um das ganze zu unterstreichen.
„Verständlich. Aber willst du wirklich Köder spielen? Wie willst du das Rilana erklären?“, mischt Duncan sich ein. „Wo ist sie überhaupt?“
„Sie wollte duschen und sich dann mit ihrem eBook-Reader aufs Bett legen und lesen. Da sie dabei gern Kopfhörer auf den Ohren hat und vollkommen in die Welt des jeweiligen Buchs abtaucht, können wir uns ungestört unterhalten.“
„Ah. Und wie genau sieht der Masterplan bezüglich Rilana nun aus?“
„Ich wollte dich bitten, mit ihr etwas zu unternehmen. Du bist, genau wie ich, sehr gut ausgebildet und kannst sie bestmöglich schützen. Derweil werde ich mit mit Nazari treffen und ihn entweder dazu bringen, dass er sich selbst stellt, oder ihm eine Kugel zwischen die Augen jagen“, beantworte ich Duncans Frage und nehme einen Schluck aus meiner Bierflasche.
„Das klingt so, als ob du eine Spazierfahrt unternehmen willst“, wirft Fiona ein und verzieht dann ihren Mund mit Widerwillen. „Dabei könnte der Fall eintreten, dass du einen Menschen töten musst.“
„Nicht einfach, aber notwendig. Außerdem habe ich durch eine Vereinbarung mit unserem Kontaktmann bei den Cops sozusagen den Freifahrtschein. Anders werden selbst die den Kerl nicht los. Niemand anderes würde diese Erlaubnis erhalten, also muss ich den Lockvogel spielen. Es führt kein Weg daran vorbei.“
„Was, wenn der Plan schief geht und er dich erwischt? Wenn du… stirbst?“
Nachdenklich schaue ich Fiona an, die eine berechtigte Frage stellt, über die auch ich lang nachgedacht habe. Sollte mir etwas passieren, wäre Rilana weiterhin in Gefahr und eine Person weniger für sie und ihren Schutz da. Ich weiß, Duncan und auch Fiona würden sich um sie kümmern und sie beschützen, aber ich würde mit meinem Tod Rilanas Herz in tausend Einzelteile zerbrechen. Ihr wehtun, obwohl das nicht meine Absicht ist. Seufzend presse ich mit Daumen und Zeigefinger meine Nasenwurzel kurz zusammen und massiere sie dann, da sich Kopfschmerzen breit machen.
„Ihr werdet sie beschützen, sollte es mich erwischen. Stellt ihr eine neue Identität, bringt sie… Bringt sie zu meinen Eltern in die Highlands. Dort kann ihr nichts passieren, dafür sorgt mein Vater. Man wird sich um sie kümmern, ihr wird es gut gehen. Sie soll nicht an meinem Tod zerbrechen, wenn mir wirklich etwas geschehen sollte“, gebe ich nach kurzem Schweigen zurück und fange die entsetzten Blicke von beiden auf.
„In deine Heimat? Zu deinen Eltern?“, keucht Fiona. „Aber sie wissen doch nichts über Rilana! Sie werden Fragen stellen – was sollen wir ihnen erzählen, Cal?“
„Ich habe mit ihnen gesprochen. Sie wissen was Rilana mir bedeutet. Wie sehr ich sie liebe und das ich sie um jeden Preis beschützen muss. Und sie haben mir zugesichert, dass sie sich um ihre Schwiegertochter in spé kümmern werden. Natürlich haben sie versucht, mir das Ganze auszureden und wollten mich überzeugen, dass ich mit ihr zu ihnen komme… Aber das möchte ich ihr nicht antun. Ihre Familie lebt hier. Mutter und Schwester haben ihren Lebensmittelpunkt in Miami und Umgebung. Das kann ich nicht verlangen.“
Duncan und Fiona wechseln einen bedeutungsvollen Blick und sehen mich dann ernst an, bevor beide fast synchron nicken. Ihnen ist bewusst, wie viel diese besondere Frau mir bedeutet und wollen mich unterstützen. Auch, wenn es vielleicht meinen sicheren Tod bedeuten sollte. Niemand weiß, wie der Plan schlussendlich enden würde. Gehe ich als Gewinner hervor, oder wird es mich mein Leben kosten? Innerlich seufzend vertreibe ich diese melancholischen Gedanken und leere die Glasflasche in meiner linken Hand in einem Zug, um sie auf den Tisch vor mir abzustellen.
„Wir werden dich und auch Rilana mit aller Kraft unterstützen, Cal. Mach dir keine Gedanken. Deinem Mädchen wir nichts passieren so lang wir in ihrer Nähe sind“, versichert Duncan mir lächelnd und boxt mir kumpelhaft gegen den rechten Oberarm.
„Danke. Ihr wisst gar nicht, wie viel mir das bedeutet“, lächle ich erleichtert und wende meinen Kopf zur Treppe, da ich Rilanas Schritte auf dem obersten Teil hören kann.
„Hey ihr zwei“, grüßt sie überrascht und lächelt, als sie meine beiden Freunde entdeckt. „Ich habe euch überhaupt nicht kommen hören, sorry.“
„Alles gut. Cal erwähnte, dass du Musik hörst und liest. Da hast du das Klingeln schwerlich hören können“, grinst Duncan sie an.
Ich strecke mit einem liebevollen Blick meine rechte Hand nach ihr aus und sie kommt zu mir, so dass ich ihre Taille mit meinem Arm umschlingen und sie seitlich auf meinen Schoß ziehen kann, sie mit den Armen fest umschlingend. Sie grinst mich an und gibt mir einen Kuss auf die Wange, um sich dann leicht an meine Brust zu lehnen. Ihr Blick wandert zu unseren Besuch und Finoa blitzt mich schelmisch an, ihre Mundwinkel zucken verdächtig, was mich ahnen lässt das sie amüsiert ist. Man kennt mich nicht grinsend, lächelnd und liebevoll im Umgang mit einer Frau. Oder generell. Es muss für alle Beteiligten ungewohnt sein, mich so zu erleben.
„Wie geht es dir, Ri?“, fragt sie nun meine Freundin und lächelt. „Hast du dich von den beiden Übergriffen erholt? Ich hoffe, Cal behandelt dich ordentlich?“
„Danke, mir geht es wieder gut. Der blaue Fleck am Kinn ist auch vollständig verschwunden in den letzten Tagen. Und Calin ist immer gut zu mir. Niemals würde er mir schaden oder mich schlecht behandeln. Mach dir keine Sorgen, Fiona.“
„Sollte er aufmucken, pack ihn einfach bei den Eiern. Damit kriegst du ihn auf jeden Fall“, lacht Duncan und ich schaue ihn amüsiert an.
„Ich glaube, da hat sie ihn ganz oft“, kichert Fiona und bufft Duncan mit dem Ellenbogen in die Seite, der sich mit gespielt schmerzverzerrtem Gesicht die getroffene Stelle reibt.“
„Schwester Rabiata ist wieder unterwegs. Urgh“, feixt er grinsend und Fiona rollt mit den Augen, was Rilana zum Lachen bringt.
Mein Herz zieht sich kurz zusammen, während ich daran denke, dass ich ihr glockenhelles Lachen in naher Zukunft vielleicht nie wieder würde hören können. Schnell schiebe dich diesen Gedanken in die hinterste Ecke meines Kopfes und stimme zaghaft in das allgemeine Gelächter ein.