„Su? … Su?! Dixon will dich sprechen, ist anscheinend wichtig.“ Matt stand in dem kleinen Futterraum, an der kleinen vergitterten Türe, die in den hinteren Bereich zu den Raubkatzen führte. Vorsichtig öffnete er die Türe und ging seufzend den Gang lang. Er konnte sich denken, wo sie war. Und tatsächlich, kaum bog er um die Ecke, sah er in die gelbbraunen Augen von Sahib dem Amur-Tiger, der mitten im Gang lang ausgestreckt auf der Seite lag und sich von Su bürsten ließ.
Abrupt blieb er stehen und sah zu seiner Freundin hinüber. „Irgendwann wird er dich umbringen Su. Er ist ein Tiger und kein Kuschelkätzchen.“
„Blödsinn. Vertrauen erzeugt Vertrauen. Ich habe ihn seit der ersten Minute mit der Flasche großgezogen, er würde mir niemals etwas tun.“
Matt seufzte und strich sich durch seine Haare. Er wusste, dass es absolut keinen Sinn machte mit Su über ihren geliebten Tiger zu sprechen. Wo sie war, war der Tiger und auch andersherum. Selbst hier im Zoo konnte sie keinen Schritt machen, ohne dass er sie nicht begleitete wie ein kleines Hündchen. Am Anfang hatten sie versucht ihn in seinem Gehege einzusperren, wenn Su arbeiten musste, doch er hatte sich die Pfoten wund gekratzt und sich heiser geschrien. Also hatten sie es nach einigen Tagen aufgegeben. Nachdenklich ließ er seinen Blick über den knapp drei Jahre alten Tiger gleiten. Mit einer Schulterhöhe von knapp etwas über einen Meter und stolzen zweihundertsechzig Kilo war er ein Prachtexemplar von Tiger und Su's ganzer Stolz.
Bei der Geburt hatte die Mutter alle Jungen tot gebissen und selbst Sahib hatten sie nur in der letzten Minute retten können. Er war halb tot und der Tierarzt hatte nur traurig den Kopf geschüttelt und gemeint, dass er nicht durchkommen würde. Doch Su hatte das nicht akzeptiert und nun lag er hier, stolz und groß und ließ seine Ziehmama keine Sekunde aus den Augen.
Langsam ließ Matt seinen Blick über Su gleiten die sich nun wieder auf Sahib konzentrierte und ihn mit energischen Bewegungen bürstete. Ihm schien das zu gefallen, denn er drückte seine riesigen Pfoten gegen die Wand und ließ ein zufriedenes, zumindest glaubte Matt das es zufrieden war, Schnurren hören. Su hatte ihre honigblonden Haare zu einem Zopf gebunden und diese ebenfalls noch in einen Knoten gepackt und hatte ein kleines Cappy auf. Ihre schlanke und zierliche Gestalt steckte in alten, abgewetzten Jeans und einem Armeeshirt, dazu trug sie weiche kniehohe Lederstiefel. Sie sah gerade mal wie sechzehn aus und nicht wie knapp fünfundzwanzig.
Matt seufzte, er verstand nicht, wie sehr Su diesem Tiger vertraute. Gott, er liebte ebenfalls seinen Job und die Raubkatzen, doch er würde ihnen niemals blind vertrauen. Es waren und blieben Raubkatzen, Tötungsmaschinen, die einen Menschen mit einem Prankenhieb umbringen konnten. Und obendrein, seit Su sich um den Tiger kümmerte, war ihre Beziehung mehr oder weniger auf Eis gelegt worden. Nicht das sie fest zusammen gewesen waren, oder das etwas gelaufen wäre, vielmehr war es Matt, der Interesse hatte und Su war auch ein- oder zweimal mit ihm ausgegangen. Doch bevor es hätte etwas werden können, war das mit der Tigergeburt dazwischen gekommen und seitdem zählte für Su nur noch Sahib.
Schlagartig stäubten sich seine Nackenhaare, als Su nun einfach die Schnauze von dem Tiger öffnete, hinein fasste und dann nach einer Zahnbürste griff und dem Tiger seelenruhig die riesigen Zähne putzte. „Gott Su.“
Su seufzte und ließ den Kopf von Sahib los, auffordernd klopfte sie ihm auf die Schulter und sofort sprang er auf und schüttelte sich. „Ich habe noch...“ Su sah auf die Uhr „...zwanzig Minuten Pause. Also was ist so wichtig Matt?“ Su sah zu ihm hoch und ließ langsam ihren Blick über ihn gleiten. Er war wirklich ein Blickfang mit seinen kurzen, gewellten braunen Haaren und den dunkelblauen Augen. Er war gut einen Kopf größer als sie und sportlich, dazu mehr als humorvoll. Vielleicht sollte sie nochmal mit ihm ausgehen, er hatte damals, als er von L.A. hierhergezogen worden war, Interesse an ihr gezeigt, zumindest hatte sie es angenommen, so oft wie er sie zum Essen einladen wollte und auch kein nein akzeptiert hatte.
Matt sah den Blick ihrer bernsteinfarbenen Augen und wie immer war er hin und weg von dieser Farbe, die ihn an einen weichen, alten Whiskey erinnerte. „Dixon will dich sprechen, es geht um ihn.“ Er deutete mit dem Kinn auf den Tiger, der ihn fixierte und sich dann neben Su setzte. Matt immer noch anstarrend, legte er eine riesige Pranke auf ihren Schoß und dann seinen Kopf auf ihre Schulter, seine riesige Schnauze nur Zentimeter von ihrem Gesicht entfernt. Matt biss die Zähne zusammen, wenn es nicht so gefährlich wäre, würde er lachen. Sahib benahm sich wie ein verliebter Gockel, der ihm klarmachen wollte, dass die Dame vergeben war.
Su griff automatisch nach oben und strich Sahib über seinen Nasenrücken, was er mit einem leisen „chrrrrmmmm“ erwiderte und genüsslich die Augen halb schloss. „Hat er gesagt, was er will?“
„Keine Ahnung, aber ich habe läuten hören, dass irgendwo ein neues Reservat aufgemacht wurde. Und das dort ein Zuchtprogramm für Amur-Tiger starten soll.“
Su runzelte die Stirn und schob den Tiger beiseite, während sie aufstand. „Das hab ich auch gehört, aber Pie kommt dafür nicht infrage. Er ist ja nicht mal alt genug, um sich zu paaren.“
„Ich habe doch keine Ahnung, geh einfach zu Dixon. Er will dich umgehend sprechen.“
Su seufzte und ging langsam Richtung Türe und bevor Matt reagieren konnte, drückte Pie ihn beiseite und schob sich hinter Su an ihm vorbei. Er würde ihr wieder folgen, wie ein Schatten und zum Vergnügen der Besucher, die sie von weitem sahen und Su und den Tiger liebten. Sie ging zwar nie nahe zu den Besuchern im Zoo, sie wollte keine Panik bei den Menschen auslösen, wenn sie sahen das ein Tiger frei herumlief, doch trotzdem warteten die Besucher förmlich darauf einen Blick auf die junge Frau und ihren Tiger zu erhaschen, wenn sie irgendwo langgingen.
Mehr als einmal hatten die Zeitschriften von Sahib und seiner Pflegerin berichtet, die beiden zu Hause und hier im Zoo besucht. Sahib war ein Magnet und das er lebte, ein Wunder. Matt ging ihnen langsam hinterher und sperrte gründlich die Tore zu dem Futterraum und dem hinteren Bereich bei den Raubkatzen zu. Die Vormittagsrunde war längst beendet. Die Tiere alle satt und zufrieden und dösten nun in der Mittagssonne. Erst am Nachmittag wurde es wieder ein bisschen hektisch, wenn alle Tiere zurück in ihre Käfige gingen und ihre abendlichen Portionen bekamen. Alle außer Sahib, der draußen neben Su liegen und dort sein Fleisch fressen würde. Wäre sie nicht da, würde er keinen Happen zu sich nehmen und nur unruhig hin und her laufen. Nicht, dass man Su irgendwann einmal, ohne den Tiger sehen würde oder andersherum.
Als der Tiger noch ein Baby war, hatte es niedlich ausgesehen, wie er neben ihr herumgelaufen war, doch jetzt wirkte es nicht wirklich niedlich, wenn Su mit Pie an ihrer Seite auf einen zukam. Matt strich sich durch die Haare und sah den beiden hinterher, die nun langsam über den kleinen Platz schlenderten. Su wirkte mit ihren knapp 1,60m neben dem riesigen Tiger mit seiner Schulterhöhe von knapp 1m noch kleiner und schlanker, als sie eh schon war und kopfschüttelnd sah er, wie sie beim Gehen gemütlich eine Hand auf dem Rücken des Tigers liegen hatte.
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Rick stand auf der Veranda des riesigen Hauses am Lake Minchumina in Alaska und sah über den See. Nachdenklich schlug er den Kragen seiner Jacke höher und rieb dann die Hände aneinander. Jetzt Ende Mai fing es schon an wärmer zu werden, doch es war immer noch kühl. Zum wiederholten Male fragte er sich, warum er ausgerechnet Alaska gewählt hatte für den Naturschutz und das Reservat. Gott, jeder Platz der Erde wäre wahrscheinlich besser als diese eisigen Gebiete hier oben. Die Tiger würden wahrscheinlich genauso paarungsbereit sein, wie er Lust auf einen Flirt hatte … also absolut null. Nicht, dass er Frauen nicht mochte, aber er hatte einfach keine Lust mehr, immer und immer wieder auf das gleiche Antworten-, oder sich gegen das Gleiche wehren zu müssen. Oder sich für eine Sache rechtfertigen zu müssen, mit der er absolut nichts zu tun hatte. Er hatte in den letzten Jahren die Erfahrung gemacht, dass früher oder später immer das gleiche Thema auf den Tisch kam und er hatte es einfach nur noch satt.
...du hast das Gebiet gewählt, weil es absolut abgelegen ist und es hier tausende Quadratkilometer gibt, die du nutzen kannst und die geschützt sind. Und dich hier absolut niemand kennt...
Seit vier Jahren arbeitete er nun mit dem Team, um alles vorzubereiten, die nötigen Papiere, Genehmigungen und Materialien zu bekommen. Und das Wichtigste, dieses verdammte Gebiet zu bekommen, sowie die nötige Unterstützung. Allein hätte er die riesigen Unkosten niemals stemmen können. Riesige Areale waren abgesteckt worden, wo die Tiger frei und doch geschützt umherziehen konnten. Sie hatten ihre festen Häuser in jedem Gebiet, wo sie gefüttert wurden und wo sie sich zurückziehen konnten und doch durften sie sich so bewegen, wie sie es wollten, waren nicht in enge Gehege wie in den Zoos gepfercht. Und das alles, um eine bedrohte Tierart zu schützen und zu züchten, die ihn seit Kindesbeinen an fasziniert hatte. Seufzend schaute er auf seine Uhr und vergrub dann die Hände tief in den Taschen seiner Jacke.
„Wolltest du nicht mit Frisco telefonieren, wegen dem Kater?“ Tina trat neben ihn und sah ihn fragend an, während sie an ihrem Kaffee nippte. „Die Gehege sind alle vorbereitet, die Weibchen kommen alle im Laufe der übernächsten Woche an. Die Mitarbeiter kommen alle nächste Woche und dann kann es langsam mit dem Eingewöhnen losgehen.“
Rick streifte seine Assistentin und Tierärztin mit einem kurzen Blick und sah dann wieder auf den See hinaus. „Dixon will mich anrufen, sobald er mit dieser Pflegerin gesprochen hat. Den Tiger, den wir wollen und der allen Ansprüchen entspricht, die wie für die Zucht haben, wurde wohl von einer Pflegerin von Hand aufgezogen und ohne die geht er wohl keinen Schritt.“
„Dann wird es Zeit die beiden zu trennen. Wir wollen den Kater, keinen Pfleger, davon haben wir hier genug.“
Rick sah weiter auf den See hinaus, der ruhig und sanft in einigen hundert Metern Entfernung gegen die Böschung lief und vergrub seine Hände noch tiefer in die Taschen seiner Jacke. „Ich weiß immer noch nicht, warum du unbedingt hier sein willst. Du magst keine Raubkatzen und lebst lieber in der Stadt. Du kannst auch von dort aus alles erledigen. Es reicht doch, wenn du für die gelegentlichen Untersuchungen rauskommst.“
„Stan ist hier, also bin ich auch hier.“
„Dein Mann pendelt Tina, er ist immer nur ein paar Tage hier, du bist dauernd hier.“
Tina zuckte mit den Schultern und trank langsam ihren Kaffee. Langsam ließ sie ihren Blick durch die Gegend gleiten. Rechts vom Haus waren die Garagen und etwas weiter weg ein Landeplatz für Hubschrauber und sogar eine Landebahn war dort, eine kleine Maschine, konnte dort ohne Probleme landen. Auf der anderen Seite des Hauses waren die verschiedenen kleinen Gebäude, wo die Tierpfleger und ganzen Angestellten wohnten.
Im Haupthaus in der ersten Etage wohnte nur Rick, die ganze untere Etage war umgebaut und diente als Essraum, riesige Küche und Gemeinschaftsräume.
Im Keller waren die Labore und die eigene kleine Tierarztpraxis untergebracht.
Zu Rick's Etage hatte keiner Zutritt, sie war privat und Tina wusste nur von den Bauplänen her, und einer schnellen Besichtigung, als er nicht dagewesen war, wie es dort oben aussah. Zwei riesige Schlafzimmer, ein großes Bad mit Whirlpool, ein großes Wohnzimmer mit offenem Kamin und eine kleine gemütliche Küche mit angrenzendem Esszimmer, dazu ein kleines gemütliches Büro. Mittlerweile war am oberen Ende der breiten gebogenen Treppe eine weitere Wand gezogen worden mit einer Tür, die per Zahlencode gesichert war, nun kam keiner mehr auf die obere Etage, es sei den Rick öffnete die Türe. Tina seufzte leise in sich hinein, sie verstand nicht, warum Rick so extrem auf seine Privatsphäre pochte, Ryan machte das auch nicht.
„Naja...“ Tina wich seinem Blick aus. „Wie geht es Ryan? Kommt er auch her?“
Rick warf ihr einen leicht spöttischen Blick zu und drehte sich dann um. „Ich glaube nicht, dass er herkommt. Er ist lieber in der Stadt. Wenn er sich aus Frisco wegbewegt, dann höchstens nach L.A. oder New York, vielleicht auch mal nach Detroit oder Dallas aber bestimmt nicht hierhin. Und ich kann gut darauf verzichten, dass er hier auftaucht.“
Mit langen Schritten ging er ins Haus und lief die Treppe nach oben. Leise schloss sich die Türe hinter ihm und mit zwei, drei Schritten ging er ins Wohnzimmer und zum Kamin. Flüchtig warf er ein neues Holzscheit auf das Feuer und ging dann in die Küche, um sich einen Kaffee zu kochen. Eigentlich brauchte er keinen Kamin anmachen, es waren überall Heizungen und das Haus war angenehm warm, doch er liebte das Knacken des Holzes und das Flackern des Feuers hinter der Absperrung.
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Su betrat das kleine Häuschen auf dem Zoogelände, wo das Büro des Direktors war, und hielt Pie, der ihr hinterher trottete die Türe auf. Die Sekretärin sah hoch und auf den Tiger und stöhnte auf. „Muss er unbedingt hier reinkommen? Geh am besten sofort durch, Dixon erwartet dich schon.“
„Danke.“ Su ging an dem Schreibtisch vorbei und hörte, wie Linn den Stuhl zurückschob, als Pie so dicht an ihrem Schreibtisch vorbeiging. Grinsend öffnete sie die Türe zum Büro und trat in das gemütliche Büro von Dixon. Seit fast zwanzig Jahren war er der Direktor des Zoos und jetzt gerade lehnte er hinter seinem Schreibtisch und sah zur Türe wo Su und Pie standen. Su stand noch in der Türe und Pie hatte seinen Kopf an ihr vorbeigeschoben und starrte den Direktor mit seinen gelbbraunen Augen an. Dixon seufzte innerlich auf, jedes Mal, wenn er den Tiger sah, hatte er das Gefühl, das dieser überlegte, ob er, Dixon, schmecken würde oder nicht. Er liebte Tiere, aber den Tiger so nahe und ohne Zaun, Glas oder sonst etwas bei sich zu haben, machte ihn jedes Mal aufs Neue nervös.
„Setz dich Su. Ich muss mit dir sprechen.“ Dixon warf einen nervösen Blick auf Sahib, doch der ließ sich einfach neben dem Stuhl fallen, auf dem sich Su gesetzt hatte und legte seinen Kopf auf ihre Füße. „Gott, weiß er eigentlich, dass er ein Raubtier ist und kein Hund?“
Su grinste und sah auf den Tiger hinunter, der die Augen geschlossen hatte und scheinbar gerade einschlief, nur sein Schwanz zuckte hin und her und zeigte, dass er genau aufpasste. „Ich habe keine Ahnung. Ich weiß nicht, warum er so anhänglich ist.“
Dixon verzog spöttisch die Lippen. „Wahrscheinlich, weil du ihn behandelst wie einen Hund und total verhätschelst.“ Er lehnte sich zurück und sah Su an. „Wie dem auch sei. Du hast schon von dem Zuchtprogramm gehört, das von einem Dr. Rick Anderson ins Leben gerufen wurde? Er kämpft seit vielen Jahren darum die Amur-Tiger zu erhalten und hat es jetzt geschafft, dass er die Genehmigung erhält ein Reservat und Naturschutzgebiet mit entsprechenden Zuchtprogrammen aufzubauen. Alle Nationen beteiligen sich finanziell an dem Projekt, doch er hat völlig freie Hand. Natürlich wird das Programm überwacht, das ist ja logisch, aber es wird keiner eingreifen oder sich in seine Arbeit einmischen.“ Dixon sah auf Pie und Su spürte ein unangenehmes Kribbeln im Nacken. „Seit vielen Jahren wird das Projekt schon vorbereitet und jetzt soll es bald losgehen.“
„Schön und gut, was hat das mit Pie oder mir zu tun?“
„Sahib … ist für die Zucht registriert und zugelassen und wurde von Dr. Anderson ausgewählt an dem Projekt teilzunehmen.“
„Nein!“ Su's laute Stimme ließ den Tiger aufschrecken, der den Kopf hob und sie vorwurfsvoll ansah. „Pie ist noch gar nicht geschlechtsreif und viel zu jung für ein Zuchtprogramm. Außerdem wissen Sie, dass er nirgendwo ohne mich bleibt. Wir können ihn ja nicht einmal für ein paar Stunden ins Gehege bringen, weil er dann sofort durchdreht.“
Dixon sah sie kühl an. „Susanne, Sahib gehört dem Zoo, auch wenn du ihn per Hand aufgezogen hast und er mehr ein Hündchen ist als ein Tiger. Er entspricht allen Anforderungen die Anderson stellt und dass er so zahm ist, macht sie Sache einfacher. Sahib wird an dem Zuchtprojekt teilnehmen. Das Einzige was ich dir anbieten kann ist, dass ich mit Dr. Anderson spreche und du Sahib begleitest. Da er ohne dich eh durchdreht, ist das sowieso zwingend erforderlich.“
Su streichelte automatisch den Tiger, der den Kopf auf ihren Schoß gelegt hatte und leise brummte. „Ich habe hier ein Leben, einen Job … warum unbedingt Pie? Wo soll das überhaupt stattfinden? Können wir ihnen später nicht einfach ein paar … Samen schicken?“
Dixon seufzte genervt auf. „Da oben gibt es ein riesiges Areal wo die Tiger herumlaufen können, frei und doch beschützt und gefüttert. Vielleicht wird das Kätzchen dann endlich mal ein bisschen selbstständiger und hängt dir nicht mehr an der Schürze. Dein Lohn wird weitergezahlt, weil du dich um Sahib kümmerst. Alles andere muss mit Dr. Anderson besprochen werden. Es gibt keine Diskussion Su. Das Thema ist beschlossen und fertig.“
Su wurde blass und hatte Mühe, ihre Stimme nicht wütend klingen zu lassen. „Wo zum Teufel ist … da oben?“
Dixon sah sie wieder spöttisch an. „Hab ich das nicht gesagt? Es ist in Alaska am Lake Minchumina.“
„Al … aska?! Das ist jetzt nur ein Scherz, oder? Wir sollen von Frisco nach Alaska umziehen? Wo man sich selbst im Sommer den Arsch abfriert?“ Su sah geschockt auf den Mann, der hinter seinem Schreibtisch saß und sie zufrieden angrinste.
„Du kannst gerne hierbleiben, dann fliegt Sahib allein. Wenn dir das lieber ist?“ Als Dixon ihren Blick sah, nickte er zufrieden. „Das dachte ich mir. Ich werde Anderson deine Nummer geben damit er dich anrufen kann. Alles was es zu klären gibt, klärst du mit ihm. Zumindest was deine Unterkunft und deinen Job betrifft, alles was den Transport von Sahib betrifft, kläre ich soweit mit ihm, sodass du dann mit dem Tiger rüber fliegen kannst.“
Geschockt sah Su ihren Chef an und konnte nicht fassen, was sie gerade gehört hatte.
„Du kannst dann gehen. Mach Feierabend und kümmere dich um alles. Ab heute bist du freigestellt. Zunächst einmal für zwei Jahre. Dann sehen wir weiter. Da du am Projekt mitwirkst, ist dein Lohn sichergestellt. Und jetzt solltest du gehen, du hast genug zu erledigen. Ich glaube Anderson will Sahib so schnell wie möglich da oben haben.“
Immer noch fassungslos stand Su auf und verließ das Büro, mit langen Schritten überquerte sie den Vorplatz und ging auf ihren Pick-up zu. Kaum öffnete sie die Fahrertüre, sprang Pie mit einem Satz hinten auf die Ladefläche und machte es sich dort gemütlich. Lang ausgestreckt und den Kopf auf den Rand von der Ladefläche gelegt, wartete er, dass die Fahrt losging. Autofahren bedeutete immer Spaß.
Su wollte gerade einsteigen als Matt auf sie zukam. „Su? Was ist los? Was wollte Dixon?“
„Mich und Pie nach Alaska verfrachten, in ein Zuchtprogramm für Tiger.“ Su presste wütend die Lippen zusammen und Matt sah sie fassungslos an.
„Du gehst weg? … Wann?“
„Keine Ahnung Matt. Ich soll erst mit diesem bescheuerten Projektleiter sprechen.“
„Soll ich heute Abend...“ Matt sah sie an und ließ den restlichen Satz offen als Su mit dem Kopf schüttelte.
„Ich wäre heute Abend wahrscheinlich keine nette Gesellschaft Matt.“ Su stieg in den Wagen und Matt drückte langsam die Türe zu, bevor er einen Schritt zurücktrat und sie nur schweigend ansah.
Su lächelte ihn kurz an und startete den Wagen, langsam fuhr sie vom Platz und lenkte den Wagen durch das kleine Nebentor am Zoo, um hinüber zum Great Highway zu fahren, wo sie ein kleines Grundstück mit Haus hatte. Alles in allem waren es vielleicht gerade mal zehn Minuten Fußweg, doch laufen und das mit einem Tiger, der einem wie ein Schatten hinterherlief, war selbst für Kalifornische Verhältnisse, leicht seltsam.