Lisa ging durch das Gate und sah sich nervös um. Sie sollte doch eigentlich abgeholt werden, doch sie sah niemanden. Langsam ging sie zum Schalter und wartete auf ihr Gepäck, bei diesem kleinen Flugplatz gab es kein Gepäckband wie in L.A. oder Anchorage. Während sie wartete, ließ sie ihren Blick wieder durch die kleine Halle gleiten. Es waren nur wenige Passagiere nach Fairbanks geflogen und alle waren schon mehr oder weniger weg. Zwei Leute standen noch hinter ihr in der Warteschlange und einer vor ihr.
Keiner schien auch damit zu rechnen abgeholt zu werden, langsam sah sie sich weiter um und sah dann den Mann, der sich hinten an die Wand gelehnt hatte und gemütlich einen Kaffee trank, während er die Schlange am Schalter scheinbar prüfend beobachtete. War das Rick Anderson? Louis hatte ihr nur eine flüchtige Beschreibung gegeben, doch sie traf einigermaßen auf ihn zu. Knapp ein Meter und fünfundachtzig groß, hellbraune Haare, sportliche Figur.
Dankend nahm sie ihren Koffer und ging langsam auf den Mann zu, während sie den Koffer hinter sich herzog.
„Mr. Anderson? Rick Anderson?“
Der Mann sah sie kurz prüfend an und nickte dann. „Bin ich, ja. Sie sind dann also Mrs. Lisa Baker? Willkommen in Alaska.“ Seine Stimme klang leicht spöttisch, doch warm und tief. „Nennen Sie mich Rick, tun alle.“ Er beugte sich vor und nahm ihren Koffer.
„Danke Rick. Dann sag bitte Lisa.“ Lisa lächelte ihn an und Rick nickte kurz. „Ich hoffe, ich mache dir nicht zu viele Umstände und bringe nicht zu viel durcheinander.“ Langsam ging sie neben ihm her.
Rick zuckte mit den Schultern. „Wir sind kein Hotel Lisa. Wir bauen ein Reservat für Tiger auf und planen eine Zucht. Es sind zwei Häuser auf dem Gelände für die Angestellten, jeder hat dort ein eigenes Zimmer mit kleinem Bad. Das steht dir zur Verfügung.“
„Das reicht mir schon, ich bin nicht verwöhnt … Vielleicht kann ich mich ja irgendwie nützlich machen? Ich will nicht einfach nur herumsitzen, dann werde ich wahnsinnig.“
„Eventuell kannst du Joan und Doreen helfen, keine Ahnung. Die beiden sind im Haupthaus und halten alles am Laufen.“ Das erste Mal huschte ein kleines Lächeln über sein Gesicht und Lisa nickte leicht.
„Deine Familie?“ Lisa sah ihn von der Seite an, doch er trug keinen Ring und plötzlich sah sie seinen abschätzenden Blick. „Entschuldigung, geht mich natürlich nichts an. Hat Louis dir gesagt, warum ich eine Zeitlang wegwollte?“
„Louis? Ich kenne keinen Louis. Mein Vater hat mich angerufen und um einen Gefallen gebeten.“
„Oh, dann hat mein Cousin wohl deinen Vater angerufen und der dann dich.“ Stirnrunzelnd sah sie auf den Boden und ging langsam weiter. Woher kannte Louis Rick's Vater und wer war das überhaupt? Ein Klient? Gott, hoffentlich gab es nun keinen Ärger für Louis. Nachdem sie ihn schluchzend angerufen und alles erzählt hatte, hatte er zig Mal gefragt ob sie sich sicher sei, dass sie wegwollte und dann alles für sie geregelt.
Rick sah sie von der Seite heran. Klein, mehr als kurvig mit schulterlangen, rotbraunen Locken und großen grünen Augen. Aber selbst mit diesen mörderischen High Heels war sie nur ein Gartenzwerg. Rick schätzte sie höchstens auf ein Meter sechzig, wenn nicht sogar noch kleiner. „Wie weit ist die Schwangerschaft? Man sieht noch nichts … und ich hoffe, du hast noch etwas anders mit als diese Dinger da, die du Schuhe nennst. Stiefel oder Turnschuhe. Da Draußen sind fast alles nur Wald und Feldwege. Keiner trägt da solche Schuhe.“
„Ich bin im dritten Monat...“ Lisa seufzte leise. Gott sei Dank sah man noch nichts, sonst hätte Bryan vielleicht etwas geahnt, so musste sie nun sein Gesicht nicht sehen, wenn er den Brief las und erfuhr, dass sie schwanger war. Sie wollte nicht sein entsetztes Gesicht sehen, der kurze Blick hatte voll und ganz gereicht. „...und ja, ich habe noch andere Schuhe. Aber eigentlich trag ich die so gut wie nie.“
Rick sah kurz den traurigen Ausdruck auf ihrem Gesicht und fragte sich erneut, warum sie sich versteckte. Kopfschüttelnd seufzte er innerlich auf und schob dann die Türe zum Rollfeld auf. „Wir fliegen noch knapp eine Stunde zum Lake Minchumina. Genug Zeit mir zu erzählen, warum du dich verstecken willst.“ Er sah kurz ihren entsetzten Blick und verzog spöttisch den Mund.
„Ich will mich nicht verstecken, ich brauche nur etwas Zeit zum Nachdenken und einen sicheren Platz.“
„Also doch verstecken, sonst könntest du auch zu Hause bleiben.“ Spöttisch sah er sie an und Lisa merkte, wie sie rot wurde. „Der Vater des Kindes … weiß er das du schwanger bist? Hat er Schluss gemacht? Oder will er dir das Kind wegnehmen, wenn es da ist? Ist er ein Krimineller? Ich habe kein Bock auf Stress hier draußen Lisa.“
„Was?...“ Lisa sah Rick erschrocken an und schüttelte dann energisch den Kopf. „Nein! … Der Vater ist kein Krimineller. Und nein er hat nicht Schluss gemacht, ich bin gegangen, weil … ich das Gefühl hatte, das er kein Kind will. Die Schwangerschaft war nicht geplant und...“
Rick öffnete die Türe des Hubschraubers und half ihr hinein und verstaute ihren Koffer, bevor er um den Heli herum ging und einstieg. Sorgfältig half er ihr, die Kopfhörer aufzusetzen und setzte sich dann seine auf. Mit geübten Griffen überprüfte er kurz alle Instrumente und startete dann den Motor. Kurz hielt er mit dem Tower Rücksprache und grinste zufrieden als er umgehen Starterlaubnis erhielt.
„Also hast du ihn verlassen, ohne dass er eine Chance hatte etwas zu sagen?“ Rick bemühte sich um einen gleichgültigen Ton, doch Lisa hörte genau den leicht verächtlichen Unterton heraus.
Lisa schloss kurz die Augen, als der Helikopter abhob und versuchte sich zu beruhigen. Nicht nur wegen dem unbekannten Flug und weil ihr gerade übel wurde, sondern auch wegen dem Ton des Mannes.
„Schau auf dem Horizont, wenn dir schlecht wird. Geht vielen so, wenn sie das erste Mal mit einem Hubschrauber fliegen. Das ist, weil man den Boden sieht.“
„Ich habe ihn nicht verlassen Rick … ich will ihn nur nicht zwingen Vater zu sein, wenn er das nicht will.“ Lisa sah angestrengt auf den Horizont und versuchte ihren rebellierenden Magen zu beruhigen.
„Natürlich … und deshalb nimmst du ihm auch die Chance, dass er vielleicht Vater sein möchte? Indem du dich verkriechst? Was ist, wenn er vielleicht ein Kind wollte? Oder nur etwas Zeit brauchte, um sich an den Gedanken zu gewöhnen?“
„Du kennst weder ihn noch mich, Rick.“
„Nein, aber ich bin ein Mann und weiß, wie ich reagieren würde, wenn so etwas wäre … und ehrlich gesagt Lisa … ich wäre, nach dem ersten Schock, stinksauer, wenn meine Frau oder Freundin verschwinden würde und einfach für mich entscheiden.“
...du bist auch kein U.S. Marshal der Undercover in einem MC ist...
Lisa sah aus dem Fenster und schloss kurz die Augen. Hatte sie vielleicht doch falsch reagiert? Nein, das glaubte sie nicht. Wieder sah sie Bryan's entsetzten Blick und schluckte entschieden die Tränen herunter, während sie nachdenklich und fast zärtlich über das kleine Tattoo strich.
Rick warf ihr einen kurzen Blick zu und sah auf das Tattoo, er hatte keine Ahnung was da stand, er konnte es weder entziffern noch genau lesen, dafür war es zu klein und zu verschnörkelt und sah für ihn auch eher nach einer Fremdsprache aus, doch ihr Blick und ihre Berührung des Tattoos sagte ihm genug.
„Du liebst ihn, ja?“
Lisa sah erschrocken zu Rick, der sie prüfend ansah, bevor sie wieder aus dem Fenster schaute. „Mehr als alles andere … er ist … mein Leben.“ Sie spürte, wie ihr wieder die Tränen in die Augen stiegen und Rick konzentrierte sich schweigend auf den Flug, er hatte die Tränen in ihren Augen glitzern sehen.
Nachdenklich sah er auf die Instrumente und korrigierte etwas die Höhe, bevor er seinen Gedanken nachhing. Er verstand nicht, wie sie ihren Mann oder Freund verlassen konnte, wenn sie ihn so liebte und wenn der Kerl sie auch liebte, … würde er sich nicht über ein Kind freuen? Er wüsste hundertprozentig, dass er … vielleicht nach einem kurzen Schock, sofern es nicht geplant gewesen wäre … sich auf ein Baby freuen würde. Stirnrunzelnd sah er vor seinem inneren Auge ein kleines, winziges Mädchen mit honigblonden Haaren mit einem Tiger toben, während er zusah. Kopfschüttelnd vertrieb er das Bild...
...was zum Teufel?...
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Su packte das Stück Fleisch fester und trug es nach draußen, wo Pie schon sehnsüchtig wartete und unruhig hin und her lief.
„Mein Gott, du benimmst dich, als würdest du verhungern. Du hast heute schon mehr als sonst bekommen.“ Grinsend legte Su das Fleisch auf den Boden und gab ihm das Kommando zum Fressen, als sie plötzlich einen Hubschrauber hörte. Rick kam also aus Fairbanks zurück.
Nachdem sie am späten Vormittag erneut in die Küche gekommen war, hatten Tina, Joan und Doreen schon am Tisch gesessen und Kaffee getrunken. Während Joan freundlich lächelte, blieb Doreen's Gesicht ausdruckslos und irgendwie traurig und Tina warf ihr wie immer einen bitterbösen und wütenden Blick zu.
Joan hatte ihr die Kaffeekanne zugeschoben und sich dann zurückgelehnt und Su angesehen. „Beachte die beiden Damen hier einfach nicht. Tina ist sauer, weil Rick mit Diego die Zäune abreitet, anstatt mit ihr und Doreen ist eh seit gestern schief drauf.“
Tina fauchte wütend auf und Doreen verzog spöttisch den Mund. „Tina will nicht die Zäune abreiten, sie will wahrscheinlich Rick reiten. Nicht wahr, Mrs. Winter?“
Su sah Doreen erschrocken an und sah aus den Augenwinkeln wie Joan's Kopf ebenfalls herrumfuhr und sie ihre Tochter entsetzt ansah. Scheinbar waren so Worte von Doreen absolut neu.
„Sagt die Richtige.“ Tina fauchte Doreen an und warf ihr einen wütenden Blick zu.
„Zumindest bin ich nicht verheiratetet und schmeiß mich an einen anderen Mann ran.“
„Ich bin getrennt verdammt...“
„Jetzt plötzlich? Warum? Weil Rick gesagt hat, er fängt nichts mit einer verheirateten Frau an? Du bist einfach nur erbärmlich.“
Tina und Doreen gifteten sich weiter an und Joan sah verzweifelt zu Su, die die Augen schloss und versuchte nicht hinzuhören. Gott, es war einfach nur furchtbar ... Plötzlich drehten sich die beiden zu Su um.
„Du bist das alles schuld, seit du hier bist, stiftest du nur Streit, warum verkriechst du dich nicht wieder in das Loch aus dem du gekommen bist?“
Su wollte gerade etwas sagen, als Joan das Wort ergriff und wütend aufsprang. „Es reicht jetzt langsam verdammt. Ihr beide kennt Rick schon ewig. Wenn er auch nur das geringste Interesse an einer von euch gehabt hätte, hätte er in all den Jahren bestimmt schon einmal etwas unternommen. Also hört endlich auf, verflucht und zugenäht. Ihr streitet euch um einen Mann, der kein Interesse an euch hat und verdammt nochmal obendrein euer Chef ist. Höre ich noch ein Wort, fliegt ihr beide aus der Küche und dem Haus raus, klar?“
Am Mittag, war Rick dann, ohne ein Wort, mit dem Heli nach Fairbanks geflogen. Su schüttelte den Kopf und vertrieb die Gedanken an den ungemütlichen Morgen. Während Pie sein Fleisch fraß, beobachtete sie, wie der Heli auf dem Landplatz sanft aufsetzte. Sie sah, wie die Rotoren sich langsam beruhigten und Rick dann heraussprang und um den Hubschrauber herumging und jemanden beim Aussteigen half. Und da Männer kaum Hilfe beim Aussteigen brauchten, musste das wohl eine Frau sein. „Toll, noch mehr Haremsdamen? Dann ist es ja hier bald gar nicht mehr zum Aushalten … Komm Pie, wir gehen spazieren, bevor mir schlecht wird.“
Su drehte sich um und marschierte den Weg entlang, den sie gestern schon einmal Richtung Wald genommen hatte. Pie sah sie vorwurfsvoll an, sah dann zum Landeplatz als hätte er genau verstanden, was Su gesagt hatte und lief ihr dann schnell hinterher.
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Rick packte Lisa's Koffer und ging dann langsam Richtung Haus, während Lisa auf den nun hier unpassenden Schuhen neben ihm herlief.
„Ich glaube, hier sind wirklich Stiefel oder Turnschuhe besser.“ Seufzend sah sie auf den schmalen Weg, der, wenn auch platt getreten, dennoch unbefestigt war und bei Regen wohl aus einem einzigen Schlammweg bestehen würde.
Rick warf ihr einen kurzen spöttischen Blick zu. „Hab ich doch gesagt...“ Er wollte gerade etwas hinzufügen, als sein Blick auf Su fiel, die sich gerade umdrehte und Richtung Wald schlenderte.
Lisa keuchte überrascht auf als sie seinem Blick folgte. „Ist das ein … Tiger? … Ein freilaufender Tiger? … Oh scheiße.“ Sie sah zu Rick und sah seinen Blick, den er der Frau und dem Tiger hinterherwarf. Neugierig und dann mit einem wissenden Lächeln, sah sie schnell von ihm zu der Frau und zurück zu ihm und wollte gerade etwas sagen, als er ihr zuvorkam.
„Das ist O'Brien und der Tiger heißt Pie. Glaub mir, um den Tiger musst du dir weniger Sorgen machen als um sie. Sie ist der bissigere Teil der beiden.“ Rick sah ihr immer noch hinterher und Lisa sah ihn prüfend an.
„Ich verstehe...“
Plötzlich wurde sein Blick wieder spöttischer, als er auf die drei Frauen sah, die aus dem Haus getreten waren, als sie den Hubschrauber gehört hatten. „Das sind Joan und ihre Tochter Doreen und Tina Winter unsere Tierärztin. Die Männer sind wahrscheinlich noch unterwegs, die lernst du dann beim Essen kennen.“
Nachdenklich sah er von Lisa zu Tina und zurück. „Tina? Pack bitte deine Sachen und ziehe in eines der Zimmer in den Häusern. Lisa bekommt das Haus.“
„Das ist nicht nötig Rick.“ Lisa sah ihn erschrocken an und Tina schnappte empört nach Luft.
„Das ist nicht dein Ernst, oder? Du holst deine Freundin her und ich soll auch noch das Haus räumen?“
Doreen sah ihn entsetzt an. „Freundin?“
Rick atmete genervt tief ein und schloss kurz die Augen. „Joan, Tina, Doreen das ist Lisa. Sie wird hierbleiben und sie braucht das Haus, keine Widerrede Tina. Und ja … EINE! Freundin, nicht meine Freundin, klar? Himmelherrgott nochmal. Langsam hab ich echt die Schnauze voll.“ Er sah zu Joan, die ihn kurz musterte und dann Lisa ansah. Ihr prüfender Blick wurde sanfter, als sie Lisa die Hand hinhielt.
„Herzlich willkommen Lisa.“
Tina sah immer noch empört zu Rick der sie warnend ansah. „Ich habe etwas gesagt Tina, also bitte.“
„Ich brauche das Haus wirklich nicht Rick, ein Zimmer reicht mir, ich will niemanden vertreiben.“ Lisa sah von einem zum anderen und fragte sich was hier los war. Die beiden jüngeren Frauen himmelten Rick an, die ältere sah ihn an als wäre es ihr Sohn und Rick hatte einen Blick hinter der Frau mit dem Tiger hergeschickt, als wäre er ihr am liebsten hinterhergelaufen. Lisa seufzte innerlich, von wegen verstecken und nachdenken. Es sah gerade nicht so aus, als wäre es hier ruhig genug dafür.
„Siehst du, ich kann das Haus behalten.“ Triumphierend sah Tina Rick an und zuckte dann unter seinem eisigen Blick zusammen.
„Die Diskussion hatten wir schon Tina. Und ich habe kein Bock auf eine weitere. Ich habe eine Entscheidung getroffen und fertig. Bis zum Abendessen bist du umgezogen. Lisa, ich lasse den Koffer erst einmal hier auf der Veranda stehen. Ich bringe dein Gepäck nachher in das Haus! Wenn ihr mich bitte entschuldigen würdet? Ich brauche eine Dusche. Joan, führe Lisa bitte herum, ja?“
Mit langen Schritten stürmte er ins Haus und die Treppe hinauf. Kaum war die Türe entriegelt, schlüpfte er schon hindurch und warf sie krachend hinter sich zu. Kurz schloss er die Augen, bevor er mit langen Schritten in sein Zimmer stürmte und sich frische Sachen schnappte. Er brauchte eine Dusche … eine lange, lange heiße Dusche oder noch besser eine entspannende Stunde im Whirlpool.