Kapitel 3
Inzwischen war die Sonne untergegangen, es blieben noch wenige Minuten Tageslicht. Die anderen waren bereits gegangen, Adele saß allein mit Yuna auf der Bank. Sie strich ihrer Freundin sanft durch das blonde Haar.
»Ich mache mir Sorgen um Leo. Man sieht ihm an, wie sehr ihn das alles mitnimmt«, sprach Yuna plötzlich.
Adele nickte. »Ja, da hast du recht. Doch ich glaube daran, dass Leo stark ist und bleibt. Er schafft das. Er ist ein würdiger Anführer und noch besserer Freund. Mit keinem anderen würde ich in den Krieg ziehen wollen.«
»Ich hoffe, dass alles gut geht und wir uns danach erholen können«, sagte Yuna. Auch ihr setzte der bevorstehende Krieg zu. Seit mehren Wochen wälzte sich Adeles Freundin im Bett herum und konnte sich erst entspannen, wenn Adele sie eng an sich zog.
Adele selbst machte sich ebenso Sorgen, sprach jedoch nicht darüber. Sie wollte nicht Öl ins Feuer gießen. Es reichte, wenn Yuna schlecht schlief und sich den Kopf zerbrach. Es nützte sowieso nichts. Mehr als sich vorbereiten und trainieren konnten sie nicht. Der Krieg war unberechenbar, niemand wusste, was passieren würde. Diese Ungewissheit, sie machte Adele fertig. »Bestimmt«, sprach sie dennoch möglichst überzeugend. Bevor Yuna etwas erwidern konnte, erhob sich Adele. »Komm mit.« Sie nahm Yunas Hand und zog sie sanft mit sich. Yuna lächelte leicht und folgte ihr in den Park. Sie gingen zu einer großen Linde, die mit ihren herzförmigen Blättern am Tag angenehmen Schatten spendete. Der Baum stand in voller weißer Blüte, was bei Sonnenschein zahlreiche Insekten anlockte.
Dieser Platz hatte eine besondere Bedeutung für Adele.
*
Es hatte geschneit. Die weiße Decke hüllte das ganze Land ein. Flocken tanzten vom Himmel hinunter, segelten zu Boden. Adele mochte den Winter, doch vor allem das friedliche Zusammensein mit ihren Freunden und die Lieder, die gesungen wurden. Das Essen war ebenfalls nicht zu verachten; diverse Süßspeisen kamen zum Einsatz, angefangen von Kuchen und Stollen bis hin zu Plätzchen und Keksen. Der Duft von Zimt erfüllte die Luft.
Allerdings lag Adele trotzdem etwas auf dem Herzen. Es handelte sich dabei nicht um den neuen Herrscher, der die Macht ergriffen hatte-ihr war bewusst, dass Aaron Ärger machen würde-nein, sie hatte ein ganz anderes Problem…Yuna. Zuerst war alles normal gewesen. Yuna hatte auf ihre Akademie gewechselt und sich schnell mit Ilay und Adele angefreundet. Doch je länger sie Zeit mit ihr verbracht hatte, desto mehr wurde Adele bewusst, dass ihr das nicht reichte. Sie wollte mehr. Mehr als Freundschaft. Was sie zum Verzweifeln brachte. Zwar hatte sie schon eine Beziehung gehabt, doch Yuna, sie war etwas Besonderes. Adele wusste nicht, wie sie es ausdrücken sollte, zwischen ihnen passte es einfach. Auf eine ganz andere, tiefere Art, als in der vorherigen Beziehung. Nur, sie hatte keine Ahnung ob Yuna ebenso empfand. Ja, Yuna hatte ebenfalls Interesse an Frauen, doch das hieß gar nichts, schließlich konnte sie genauso gut eine andere anziehend finden. In ihrer Verzweiflung hatte sie sich Leo anvertraut, der ihr verständnisvoll zugehört hatte und ihr Mut machte. Später hatte sie es auch Ilay und Flo erzählt. Dennoch konnte Adele sich nie überwinden Yuna ihre Gefühle zu offenbaren.
Adele seufzte, schüttelte leicht den Kopf, um wieder in die Gegenwart zurück zu kommen. Sie lief gerade Richtung Park, wo ihre Freunde auf sie warteten. Sie trafen sich zu einer Schneeballschlacht. Adele grinste. Das war genau ihr Ding. So konnte sie ihre Energie und die Frustration endlich loswerden. Bald schon war sie vollkommen im Kampf drin und verdrängte jegliche Gedanken an Yuna.
Ilay duckte sich, formte rasch einen Schneeball und traf Leonhard damit an der Schulter. »Hey! Das wirst du noch bereuen!«, schrie Leo und grinste.
Florian seinerseits pirschte sich an Leo heran. Dieser merkte es und stürzte sich auf ihn. Beide landeten im Schnee. Währenddessen hatte sich Ilay ein neues Ziel gesucht; Yuna.
Adele lächelte leicht. Ihre Freunde so ausgelassen zu sehen half ihr sich zu entspannen. Natürlich stellte sie sich auf die Seite von Yuna und half ihr gegen Ilay. Der Schwarzhaarige reklamierte: »Zu zweit auf Einen? - Echt unfair!«
»Das Leben ist nicht fair«, sprach Adele.
»Na wenn das so ist; zur Hilfe!«, schrie Ilay, während er von Schneebällen beschossen wurde.
Florian und Leonhard hörten auf sich zu bekriegen und kamen nun auf Adele und Yuna zu. Obwohl Adele sich wehrte, wurden sie und Yuna immer mehr zum Stamm der Linde gedrängt.
Direkt unter einen Mistelzweig. Adele hätte schwären können, dass der Zweig am gestrigen Tag noch nicht da gewesen war.
»Ihr wisst wie unsere Tradition lautet«, sprach Florian und grinste.
Sicher hatte er das geplant! Und nicht nur er…wenn Adele so in die Runde schaute; Ilay und Leo grinsten ebenfalls. Verschworene Truppe! Wie konnten sie ihr nur sowas antun?! Was wenn Yuna…, wenn sie nicht dasselbe empfand wie Adele für sie? Schon beim bloßen Gedanken krampfte sich alles in ihr zusammen und ihr wurde übel. Adele war überfordert, sie konnte sich nicht rühren, geschweige denn Yuna anschauen, die nahe bei ihr stand.
»Ich habe Leo um Hilfe gebeten, damit ich den Mut aufbringen kann, dir meine Gefühle zu zeigen«, offenbarte Yuna.
Das riss Adele aus ihrer Starrte und sie schaute Yuna überrascht an. »Du…hast Gefühle für mich?«
»Ja. Schon länger. Ich habe Ilay davon erzählt und er meinte, das beruhe auf Gegenseitigkeit, aber…ich habe mich einfach nicht getraut es dir zu sagen«, gestand Yuna und errötete.
»Oh. Verstehe. Dann…ich habe mich ebenfalls nicht getraut«, meinte Adele. Sie streckte ihre rechte Hand aus, strich Yuna vorsichtig über die Wange, diese schmiegte sich leicht in ihre Hand und lächelte. Yunas blaue Augen strahlten.
Adele durchflutete pures Glück. Sie konnte es einfach nicht glauben. Es war als würde sie sich in einem wunderschönen Traum befinden, aus dem sie nie wieder aufwachen wollte, nur dass dieser Traum Realität war.
»Küsst ihr euch nun?«, fragte Florian nach dem sie eine gefühlte Ewigkeit dagestanden waren und sie tief in die Augen gesehen hatten.
»Nichts lieber als das.« Yuna trat näher an Adele heran, woraufhin sich ihr Herzschlag noch mehr beschleunigte, als ohnehin schon. Tausend Gedanken rasten ihr durch den Kopf.
In dem Moment wo sich ihre Lippen trafen, war plötzlich Stille. Alles in Adele kribbelte. Sanft erwiderte sie den Kuss. Es war einfach unbeschreiblich. Nie hatte sie sich glücklicher gefühlt, als würde sie Fliegen und Fallen zugleich. Ein Fall in rosarote Wattewolken.
*
»Wir sind jetzt seit zwei Jahren zusammen. Zwei wundervolle Jahre«, sprach Adele.
Yuna nickte. »Ich bin wirklich froh, dass damals unsere Freunde nachgeholfen haben.»
»Oh ja. Sonst hätte es noch ewig gedauert.« Adele trat auf Yuna zu und küsste sie sanft.
Yuna lächelte, sie erwiderte den Kuss und Adele zog sie in ihre Arme.
»Egal was auch geschehen wird, wir werden zusammen sein und bleiben. Ich werde dich immer finden. Nichts kann uns trennen, nicht einmal der Tod«, sprach Adele entschlossen.
»Auf immer und ewig.«