Kapitel 5
Sein Schwert war mit Blut getränkt, die Dämonen hatten sich förmlich auf ihn gestürzt. Leonhard war keine andere Wahl geblieben, als sich zu wehren. Zu töten, wieder und wieder und noch war er Aaron nicht begegnet. Gerade zog er sein Schwert aus dem leblosen Körper eines Dämons, da rannte jemand mit voller Wucht in ihn hinein. Leonhard taumelte, konnte jedoch das Gleichgewicht wieder finden. Ganz anders war es dem Dämon ergangen. Dieser war auf den Boden gefallen, rappelte sich eilig auf und starrte ihn aus großen, angsterfüllten Augen an. Leonhard hielt sein Schwert in der Hand, griff jedoch nicht an. Er war jung und offensichtlich ein Halbblut, da er nur das Kettenhemd trug und auch das Schwert war einfach. Die schwarzen Haare waren wirr und die Augen von einem Moosgrün. Die Hand des Dämons, mit der er das Schwert hielt, zitterte stark. Er schien in einer Schockstarre gefangen zu sein. »Geh!«, forderte ihn Leonhard dazu auf.
Der Dämon zuckte zusammen. »Geh. Das hier ist nicht der richtige Ort für dich«, wiederholte Leonhard, dieses Mal sanfter.
Der Dämon blinzelte, schien erst jetzt zu realisieren, dass sie nicht allein auf dem Schlachtfeld waren und sich bereits weitere Dämonen näherten. »D…danke«, stotterte er ungläubig und ergriff die Flucht. Am liebsten wäre Leonhard ebenfalls davongerannt, was niemals in Frage kam. Er war nicht feige und nicht umsonst der Anführer der Helden. Leonhard kämpfte nicht für den Sieg, sondern um die Menschen zu beschützen und wenn es sein Leben kostete, dann war es so.
Drei tote Dämonen und zwei Prellungen später sah er Ilay, Adele und nicht weit von ihnen entfernt York liegen. Die Tatsache, dass seine Freunde zurückkehren würden, minderte den Schmerz, der sein Herz wie einen Dolch durchstieß, in keinster Weise. Trauer erfüllte ihn, raubte ihm für einen Moment den Atem. Zugleich brandete Wut siedend heiß in ihm hoch; York. Hatte der General seine Freunde auf dem Gewissen?! Für einen Augenblick wollte er sein Schwert nehmen und auf den General einstechen. Die tiefe Trauer und die flammende Wut waren einfach zu viel. Leonhard zwang sich durchzuatmen. Er hatte keine Ahnung was vorgefallen war und weshalb. Es stand ihm nicht zu einfach auf York wütend zu sein.
Wenige Sekunden zu spät bemerkte Leonhard den Angriff auf seine linke Seite. Die Rüstung hielt zwar die Klinge davon ab einzudringen, aber die Härte des Schlages richtete dennoch Schaden an. Das war mindestens eine Prellung, wenn nicht ein Bruch der Rippen. Noch dazu war er aus dem Gleichgewicht geraten. Im Krieg die Aufmerksamkeit an einem anderen Ort zu haben, und sei es nur für Sekunden, konnte fatal enden. Der nächste Schlag traf den linken Arm. Dort wo bereits ein Teil der Rüstung fehlte. Dass der Schnitt nicht bis auf den Knochen und noch weiter ging, war dem Kettenhemd geschuldet. Weh tat es trotzdem sehr und es knackte ekelhaft. Leonhard biss die Zähne zusammen. Der Arm war definitiv gebrochen. Er duckte sich schnell weg, als nächstes wäre sein Kopf an der Reihe gewesen. Nein, danke.
»Knapp, knapp. Nächstes Mal treffe ich. Wenn ich dich umgebracht habe, stecke ich deinen Kopf auf das Schwert und lasse mich feiern«, feixte der Dämon mit den zwei verschiedenfarbigen Augen.
»Träum weiter.« Leonhard wollte den Dämon gerade angreifen, als Aaron sich einen Weg durch die Menge bahnte. »Zur Seite«, befahl der Fürst dem Dämon mit den verschiedenfarbigen Augen. Dieser wich zurück. Kein Wunder, sonst wäre er einfach abgestochen worden. Leonhard fiel auf, dass Aaron beim linken Bein hinkte. Neben ihm stand Rubika, Alexiels Cousine. Sie war schlank und hatte dasselbe schwarze Wellenhaar wie Alexiel. Von besagtem General selbst fehlte jede Spur.
Sehr beunruhigend. Leonhard wäre es lieber gewesen drei Gegner zu haben. Ihn beschlich eine böse Vorahnung. Was immer auch Alexiel trieb, es war nichts Gutes.
»Endlich treffen wir uns persönlich«, sprach Aaron. »Ich muss sagen, ich bin positiv überrascht von York. Der Kampf gegen Adele und Ilay hat mir super gefallen. Da hat er ganze Arbeit geleistet. Dafür hat er eine Belohnung verdient-richtest du ihm das aus, wenn du ihn im nächsten Leben triffst?«
Also doch York. Anscheinend hatte ihn Leonhard falsch eingeschätzt. »Richte es ihm selbst aus.«
»Ich werde nicht sterben, Leonhard.«
Diese Arroganz. Einfach ekelhaft. »Wie du meinst.«
Ohne Vorwarnung griff Aaron an. Leonhard blockte ab. Dabei hatte sich sein Schwert automatisch dem des Gegners angepasst. Das tat es immer. Jedes hochwertige Schwert-egal ob von einem Dämon oder einem Helden-hatte verschiedene Tricks auf Lager. Leonhards konnte sich sehr gut anpassen. Es veränderte Form und Größe, je nach Gegner. Es konnte zu einem Dolch werden, zu einem Katana usw. Aarons Schwert war prunkvoll. Etwas anderes hätte nicht zum Dämonenherrscher gepasst. Am goldenen Knauf mit Juwelen besetzt. Die Klinge war nicht silbern, sondern golden und es war breit und lang mit Zacken. Wenn die Klinge die Haut durchdrang, war die Blutung an dieser Stelle unstillbar. Es war also ein sehr gefährliches, heimtückisches Schwert.
»Sag nicht, du willst dich bloß verteidigen. Aber wahrscheinlich bleibt dir nichts anderes übrig, wenn all deine Freunde tot sind«, provozierte Aaron.
Leonhard wusste, dass der Dämonenfürst ihm einfach Schmerz zufügen wollte. Körperlich und emotional. Er war ein Sadist und tat nichts lieber als Salz in die Wunde zu streuen.
»Sag nicht, du hast Rubika als Zuschauerin mitgebracht. Das wäre doch langweilig«, meinte Leonhard. Und richtig, die Dämonin griff in diesem Moment an. Natürlich war ein fairer Kampf ein Fremdwort für Aaron. Was anderes hatte er nicht erwartet.
Beide zugleich abzuwehren war Schwerstarbeit. Leonhard musste viel ausweichen und konnte selbst nicht angreifen. Es sah schlecht aus. Besonders mit seinem gebrochenen linken Arm. Es war nur eine Frage der Zeit bis Aaron, Rubika oder beide trafen. Zwei starke Dämonen auf einmal waren einfach (zu) viel. An Alexiel, der bestimmt bald wieder auftauchen würde, durfte der Held nicht mal denken.
»Warum hat mich niemand eingeladen-das sieht nach Spaß aus!«, ertönte plötzlich eine Stimme von rechts. Florian! Leonhard konnte nicht mit Worten beschreiben, wie froh er war Florian zu sehen. Sein Freund sah mitgenommen aus, die Rüstung hatte mehrere Schrammen und Teile davon fehlten ganz. Trotzdem lächelte er.
Rubika und Aaron waren weniger begeistert. Rubika knurrte tief.
»Sah aus als könntest du Hilfe gebrauchen«, bemerkte Florian lässig. »Wo hast du deinen Hund gelassen, Aaron?« Damit war Alexiel gemeint.
»Das geht dich gar nichts an.«
Einen seiner Freunde hier zu haben, gab Leonhard neue Hoffnung. »Übernimm Rubika.«
Florian nickte, wandte sich sogleich der Dämonin zu.
Leonhard hatte keine Zeit sich mit Florian zu beschäftigen, Aaron drosch auf ihn ein. Es war offensichtlich, dass der Dämonenfürst vor Wut kochte. Die Schläge waren hart und Leonhards rechter Arm begann weh zu tun. Doch es gab auch Positives; jetzt wo er es nicht mehr mit zwei Gegnern zugleich zu tun hatte, konnte Leonhard auch Mal angreifen. Was er sogleich tat. Aaron wich zu spät zurück und ein Schnitt zog sich quer über seine rechte Wange. »Wie kannst du es wagen!«, schrie er außer sich. Aarons Hiebe wurden unkoordiniert, er wies immer mehr Lücken in der Verteidigung auf. Sehr gut. Die blinde Wut schien Aarons Schwäche zu sein. In diesem Moment hatten der Dämonenfürst und Caius viel Ähnlichkeit zueinander. Leonhard setzt nach. Treffer. Beim rechten Arm. Aaron attackierte, Leonhard blockte.
»Verdammter Bastard! Warte nur! Ich werde dir das Herz rausreißen und essen, du wirst elendig verrecken, ich werde…«
Leonhard hatte eine Stelle gefunden, wo Aarons Rüstung nicht mehr intakt war. Beim Bein. Er tat es nicht gerne, doch er musste es ausnutzen. Leonhard stach zu. Aaron schrie schmerzerfüllt auf und knickte ein. Das war seine Chance! Leonhard holte aus und…»das würde ich an deiner Stelle nicht tun, Leo. Außer du willst, dass Yuna stirbt. Wobei mir das egal wäre«, erklang Alexiels Stimme.
Gutes Timing, das musste man ihm lassen. Leider bluffte der General nicht. Yuna befand sich tatsächlich in seiner Gewalt und Alexiel hielt ihr das Schwert an die Kehle. »Nimm keine Rücksicht auf mich, töte Aaron!«, sprach Yuna. Das Schwert ribschte an ihrem Hals und Blut floss. »Ruhe!«, knurrte Alexiel und bohrte seine Krallen in eine ungeschützte Stelle von Yunas Arm. Yuna biss die Zähne zusammen, um nicht aufzuschreien. Leonhard war verzweifelt. Egal was er auch tat, Yuna würde sterben. Er wusste es. Alexiel hielt sich nicht an Abmachungen. Es wäre besser, wenn Leonhard Aaron umbrachte. Er konnte nicht. Nie könnte er einen seiner Freunde für den Sieg opfern, selbst wenn sie das so wollten. Leonhard zog widerwillig sein Schwert zurück
»Brav«, lobte Alexiel.
Yuna ließ den Kopf hängen. Das blonde Haar fielen ihr wirr über die Schultern.
Aaron hatte sich wieder erhoben. Wut lag in seinen Augen und pure Schadenfreude.
»Und jetzt, knie nieder«, befahl Alexiel.
Leonhard zögerte.
»Wird’s bald oder soll die liebe, nette Yuna leiden?!«
Er fragte sich was mit Florian los war. Ob er überhaupt noch lebte. Ob Rubika noch lebte? Vermutlich nicht. Florian hätte Alexiel sicher angegriffen.
Yuna schrie auf. Dieser Mistkerl!
Leonhard kniete nieder.
»Warum nicht gleich so«, sprach Aaron zufrieden. »Du hattest sowieso nie eine Chance gegen mich. Nach deinem Tod werde ich alles an mich reißen. Auch die Dörfer und Städte der einfachen Menschen. ALLES wird mir gehören. Ich werde die Helden töten und die anderen versklaven. Eine perfekte Welt«, schloss Aaron.
»Und ich werde dich aufhalten. Auch wenn ich heute hier sterbe. Wir werden uns wiedersehen, Aaron«, verkündete Leonhard.
»Ja, nur wird es dann zu spät sein.«
»Es ist nie zu spät. Außerdem können dich auch andere aufhalten. Mich braucht es dazu nicht.«
»Schluss jetzt, genug Zeit vergeudet. Nun stirbst du!« Aaron trat vor und hob das Schwert. Die blutige Klinge blitzte im Sonnenlicht.
Leonhard atmete tief ein und aus. Versuchte sich zu beruhigen. Er würde seine Freunde wiedersehen. Nicht sofort, da er in einem neuen Körper erwachen würde und zu Anfang keinerlei Erinnerungen an jetzt hatte. Daran wer er wirklich war. Es würde mühsam werden und erst nach bis nach würde er körperlich und auch psychisch wieder zu sich selbst werden. Das war leider jedes Mal so. Es dauerte eine gewisse Zeit, ehe die Erinnerungen, der Charakter und die Fähigkeiten zurückkamen. Ilay. Hoffentlich hatte er keine zu allzu große Angst gehabt. Zum Glück würden sie sich wieder begegnen. Leonhards Blick fiel noch kurz auf Yuna und dann…war es vorbei. Aarons Schwert durchtrennte seinen Hals. Der Kopf fiel runter und der Körper prallte auf die Wiese.
*
Pure Euphorie flutete seine Adern. Endlich, Leonhard war tot! Ein breites, dreckiges Grinsen stand auf seinen Lippen. Dass Aaron nur dank hinterhältiger Tricks gewonnen hatte, interessierte den Fürsten nicht im Geringsten. Ein Sieg war ein Sieg, punkt. Alexiel grinste ebenfalls. »Was meinst du, soll ich Leonhards Kopf über meinem Bett aufhängen?«
»Hmm. Der wird anfangen zu stinken, leider. Aber ein Gemälde davon wäre was«, überlegte Alexiel.
»Da hast du recht.«
Yuna liefen Tränen hinunter und sie schluchzte.
»Ach. Keine Sorge, du kannst ihm Gesellschaft leisten«, sprach Alexiel und schnitt ihr die Kehle durch. Dann ließ er sie wie einen Kartoffelsack zu Boden fallen. Aaron lachte. »Das war wirklich gut.«
»Das hier ist auch wirklich gut.« Aaron hatte die Heldin zu spät bemerkt, die sich an Alexiel herangeschlichen hatte. Er kannte ihren Namen nicht. Sie trieb ihr Schwert in Alexiels Hals. Blut spritzte. Alexiel hatte die Hand an seinen Hals gepresst, röchelte. Kein schöner Anblick.
Verdammt. Das hätte wirklich nicht sein müssen. Aarons Laune war getrübt. Er hatte mit Alexiel feiern wollen und nun sowas.
»Sieht nicht gut aus«, bemerkte Aegir, der sich von rechts genähert hatte. Aaron nickte. Die Heldin lächelte und wollte sich auf Aaron stürzen. Aegir ging dazwischen. Wie fast immer wirkten seine Bewegungen elegant, als würde er tanzen und nicht kämpfen. Aegir brauchte nur wenige Schläge. Was auch daran lag, dass sein Schwert im Stande war jede Rüstung zu durchschlagen, egal wie stark. Eine sehr hilfreiche Fähigkeit.
»Ich habe den Kampf gegen Leonhard gesehen. Der Anführer der Helden ist wirklich stark», sagte Aegir.
»Er hat verloren«, meinte Aaron verächtlich.
»Stimmt. Doch nur wegen deinem miesen Spiel mit Yuna. Alexiel hat ihn erpresst.«
Aaron schaute zu ihm. Aegirs Tadel hatte ihm nicht gefallen. »Was soll das heißen?!«
»Genau das, was ich sagte; ich finde nicht, dass du den Sieg verdient hast, Aaron.«
»Wie kannst du es wagen!«
Doch da hatte Aegir schon die Distanz zu ihm überbrückt und hielt Aaron das Schwert an die Kehle. Aaron wollte sich wehren, doch er kam nicht gegen Aegir an. »Du bist so unfassbar arrogant. Weißt du, ich hatte die ganze Zeit über nur ein Ziel im Kopf; dich. Leonhard ist mir um einiges sympathischer. Denkst du nur weil dein Vater den Krieg der Adelshäuser für sich entscheiden konnte, würde ich dir folgen?« Aegir lachte. Grausam und kalt. »Nein. Ich habe nur gewartet. Auf die Gelegenheit dich ein für alle Mal zur Strecke zu bringen. Nun ist meine Zeit gekommen und ICH werde alles an mich reißen.«
-»Nein, ich werde dir den Kristall nicht nehmen, denn ich will dich finden und jagen im nächsten Leben. Wo bliebe denn da sonst der Spaß? Wieder finden, wieder töten. Bis bald, Aaron.«
Aaron konnte es nicht fassen. Mit allem hatte er gerechnet, doch nicht damit. Verrat. Und das von seinem eigenen General. Er war fassungslos, wütend, verzweifelt und enttäuscht zugleich. Doch lange Zeit darüber nachzudenken hatte er nicht, denn Aegir zögerte nicht und brachte ihn um.