Kapitel 16
Sie saßen zusammen unter der Linde, als Senta plötzlich aufblickte, ein strahlendes Lächeln auf den Lippen. »Linus!«, rief sie und sprang förmlich auf die Beine. Was?! Simon konnte es einfach nicht glauben, musste sich selbst von der Tatsache überzeugen, dass sein Freund zurück war. Er erhob sich ebenfalls, drehte sich um und … erblickte Linus. Er war wirklich hier! Ungläubig starrte er ihn an. Linus‘ schwarzes Haar war nicht mehr stumpf, die Wangen waren leicht gerötet und das Funkeln in seinen Augen war zurück.
Natürlich hatte sie Michelle darüber informiert, dass es Linus zum Glück stetig besser ging, aber ihn jetzt wieder zu sehen, war dennoch eigenartig. Das letzte Mal … Simon schluckte hart. Linus war kreidebleich gewesen, kaum bei Bewusstsein, er … lag im Sterben.
Während er selbst noch einen Moment brauchte, waren Senta und Lennox bereits bei Linus angelangt und hatten ihn in eine herzliche Umarmung gezogen.
Simon fühlte wie sich ein breites Lächeln auf seinen Lippen ausbreitete, während er sich endlich in Bewegung setzte. »Schön, dass du hier bist«, sprach er schliesslich, kaum einen Meter von Linus entfernt.
»Danke. Das freut mich auch sehr. Ich dachte schon, ich würde euch nie wieder sehen…«
»Verkraftest du noch eine weitere Umarmung?«, schlug Simon neckisch vor.
»Klar doch.«
Linus schloss ihn in seine Arme und das ziemlich kräftig. Das hatte Simon nicht erwartet. Allgemein war die Heilung erstaunlich schnell von statten gegangen. Und das nachdem bereits sämtliche Ärzte die Hoffnung aufgegeben hatten. Normalerweise war die Transfusion die letzte Möglichkeit, die allerletzte Chance. Scheiterte sie, war der Held dem Tode geweiht.
»Es ist echt erstaunlich wie schnell du dich von allem erholt hast«, meinte in diesem Moment Lennox, der scheinbar genau dasselbe wie er dachte.
Linus löste sich von ihm, nickte. Einen Augenblick schaute er in den blauen Himmel und seine Gedanken schienen weit weg zu sein. »Erklären kann sich das niemand. Ich müsste tot sein.«
»Zerbrich dir nicht den Kopf darüber. Du bist wieder gesund, das ist alles, was zählt«, sprach Senta ermutigend.
»Vielleicht«, erwiderte Linus, in seinem Gesicht ein gequälter Ausdruck. Er versuchte es mit einem Lächeln zu kaschieren, das seine Augen nicht erreichte. Wind kam auf, blies ihm eine schwarze Strähne ins Gesicht.
Simon wollte gerade nach dem Grund fragen, doch wieder kam ihm Lennox zuvor: »Was ist denn los? Hast du Schmerzen?«
»Nein. Das nicht, aber ich … ich fühle mich anders.« Linus pausierte, setzte sich ins Gras. »Es ist, als hätte sich etwas verändert. In meinem Inneren.«
Hmm. Seltsam. Jetzt wo es sein Freund erwähnte … Simon fühlte sich auch etwas eigenartig. Seit einigen Tagen war sein Liebeskummer plötzlich besser geworden. Praktisch aus dem Nichts, nachdem er mehrere Jahre lang gelitten hatte. Woher das wohl kam? Weshalb konnte er auf einmal besser damit umgehen? Eigentlich hätte ihn die Nachricht, dass sich Lennox mit einem Dämon treffen wollte, wie ein glühendes Messer in seine Brust bohren müssen, doch angefühlt hatte es sich wie ein Nadelstich. Verwirrt runzelte Simon die Stirn. Weshalb nur?
… »Ich spüre eine Wut tief in mir und diese Unruhe, ich kann nachts nicht mehr richtig schlafen«, offenbarte Linus verzweifelt.
Verdammt. Er war so sehr in seine eigenen Überlegungen vertieft gewesen, dass er gar nicht mitbekommen hatte, was Linus zuvor gesagt hatte.
»Vielleicht ist das deine Art die Erlebnisse der letzten Monate zu verarbeiten«, sagte Senta.
» Vielleicht? Ich weiss es nicht.« Linus schaute zu Lennox, der sich ihm gegenüber ins Gras gesetzt hatte. »Hast du irgendwelche Nebenwirkungen gespürt? – Ich meine vom Dämonenblut in deinem Organismus? Dass es dich auf irgendeine Weise beeinflusst oder verändert hat?«
Lennox legte den Kopf schief, auf seiner Stirn bildeten sich Falten. Dann schüttelte er den Kopf. »Es hat mich nicht charakterlich verändert. Klar, ich habe andere Kräfte, aber ich bin als Halbdämon keine andere Person. Es hat mich auch nicht aggressiv gemacht oder derartiges. Ausserdem … ich dachte dein Körper hätte die Transfusion abgelehnt?«
Linus liess entmutigt den Kopf hängen. »Ja, das dachte ich auch. Zumindest haben das die Ärzte gesagt. Es ist auch alles wieder entfernt worden und die Krankheit schneller fortgeschritten. Ich war kaum noch bei Bewusstsein.« Linus schluckte hart. »Absolut jeder dachte, dass ich diese Welt verlassen würde.«
Eine Weile schwiegen alle betroffen.
»Anders gefragt; merkst du denn etwas? Theoretisch müsstest du nun ein Halbdämon sein«, stellte Lennox klar.
Das stimmte. Daran hatte Simon gar nicht gedacht. Interessiert schaute er Linus an.
»Weiss nicht? Wie gesagt es ist alles entfernt worden. Sie mussten mir auch ein Gegenmittel geben, weil ich das Blut ja nicht vertragen habe und irgendwelche dämonischen Fähigkeiten, nee. Zumindest bislang nicht. -Vielleicht kommt das noch?«
Lennox wirkte skeptisch, nickte jedoch.
In diesem Moment gesellte sich Wanda zu ihnen. »Hallo. Ich störe doch nicht, oder?«
»Nein. Setz dich ruhig zu uns«, bestätigte Linus, der scheinbar froh war die Unterhaltung fürs erste unterbrechen zu können.
*
»Schön, dass es dir wieder besser geht«, sprach Wanda direkt. Nein, sie meinte das nicht ernst. Erstens kannte sie diesen Linus kaum und zweitens verabscheute sie die Tatsache mit gleich zwei Halbdämonen an der Akademie sein zu müssen zutiefst. Leider fehlte es an Alternativen. Ausserdem war da Senta. Sie unterdrückte ein Seufzen. Was man nicht alles dafür tat, um einen guten Eindruck zu schinden.
»Danke«, meinte Linus freundlich.
Ihr Blick wanderte automatisch zu Senta. Zwar wusste Wanda, dass Lennox bereits jemanden für eine mögliche Dreierbeziehung ins Auge gefasst hatte, aber aufgeben würde sie deshalb nicht. Senta sollte erkennen, dass sie definitiv die bessere Wahl war, als dieser vermaledeite Halbdämon namens Raymond.
»Ich habe heute Zeit. Was meinst du, wollen wir zusammen lernen?«
Senta schenkte ihr ein fröhliches Lächeln. »Sehr gerne.«
Nach der Schule wartete sie auf Senta. Auf dem Gelände der Akademie trainierten etliche Schüler weiter. Zu zweit oder in Gruppen hatten sie sich auf der Wiese aufgestellt und veranstalteten Übungskämpfe. Andere repetierten zusammen den Stoff aus dem Unterricht, klärten offene Fragen. Nein, das waren nicht alles Streber, denn es fanden jeden Monat harte Prüfungen statt. Wer versagte, musste Nachhilfe nehmen. Man wurde dann in jenen Fächern speziell gefördert und das nach der Schule, wenn die anderen Freizeit hatten oder am Wochenende. Nein, danke. Darauf konnte Wanda guten gerne verzichten, zumal sie ihre eigenen Pläne verfolgte.
Endlich erschien Senta. Wurde auch Zeit! Sie hatte besseres zu tun, als sich die Beine in den Bauch zu stehen. Ihr warmes Lächeln entschädigte jedoch für einiges. Wanda konnte nicht anders, sie musterte ihre Freundin genauer. Die blaue Uniform betonte ihre schlanke Figur zusätzlich, das lange braune Haar war zusammen gebunden- was Wanda sehr missfiel, warum nur?! – doch am auffälligsten war und blieb ihre herzliche Ausstrahlung.
Verdammt! Warum nur stand sie auf diesen ekelhaften Dämon? – Gemeint war natürlich Lennox. Wut durchfuhr sie, wie eine glühende Klinge. Giftige Galle schoss ihr die Kehle hoch, die sie mühsam wieder runterschluckte. Senta sollte ihr eine Chance geben, nicht diesem Raymond. Doch Wanda wäre nicht Wanda, wenn sie sich durch die Tatsache, dass Senta bereits vergeben war, entmutigen lassen würde. Nein, jetzt erst recht! Sie würde sie um den Finger wickeln, bis sie ihr gehörte, ihr allein.
»Danke, dass du auf mich gewartet hast«, sprach Senta zu ihr.
»Ist doch selbstverständlich.«
Sie verliessen das Gelände der Akademie, dessen Ausgang streng bewacht wurde, und schlugen einen Kiesweg ein, der nach einer Weile durch den Wald führte. Wanda mochte die Stille des Waldes, die einzig durch die Geräusche der Tiere unterbrochen wurde. Ein Zwitschern da, ein Rascheln dort, mehr nicht. Sie versuchte Senta nicht zu offensichtlich anzustarren, die freudenstrahlend vom bestandenen Geschichtstest erzählte.
… »Und ich dachte schon, ich müsste Nachhilfe beziehen. Es war echt zum Verzweifeln, diese viele Fakten und Daten sind mir einfach nicht in den Kopf gegangen.«
Wanda nickte. »Das stimmt. Der letzte Test war schon herausfordernd.« Sie betraten eine kniehohe Wiesen, bei der die Wildblumen sich sanft im leichten Wind wiegten. Insekten schwirrten umher, sie verscheuchte eine Biene, die ihr eindeutig zu nahe gekommen war. Diese Viecher sollten ihr bloss vom Leib bleiben! Zu ihrem Glück bogen sie bald auf einen weiteren Kiesweg ein und Sentas Haus kam in Sicht. Es war ganz aus Holz mit eckigen Fenstern und einem hohen Giebeldach. Rote Geranien standen auf den Fensterbänken und der Veranda, was Wandas Geschmack traf.
»Sind deine beiden Brüder auch Zuhause?«, erkundigte sie sich.
»Im Moment nicht. Aber Lars kommt in ein paar Stunden wieder zurück.«
»Verstehe.« Beste Voraussetzungen also. Das liess Wanda grinsen. Zeit, um ihren Plan in die Tat umzusetzen und Senta Schritt für Schritt näher zu kommen.
Sie betraten das Haus, durch den Gang ging es ins Wohnzimmer, wo sie sich an einen grossen hölzernen Tisch setzten.
»Willst du was zu trinken?«
»Nein, danke. Vielleicht später.« Wanda packte die Geschichtsbücher aus und einen Block, gefolgt von zwei Stiften. Senta indessen kam mit einem Glas Wasser zurück, setzte sich in einem angemessenen Abstand neben sie. Zu viel Abstand! Sie begannen über die Hausaufgaben zu diskutieren, dabei lehnte sich Wanda immer wieder etwas näher zu Senta, welche nicht zurückwich. Sie musste sich ein triumphierendes Lächeln verkneifen. Als nächstes griff sie aus Versehen gleichzeitig nach dem Leuchtstift wie Senta, ihre Hände berührten sich. Ein leichtes Prickeln breitete sich in ihrer Hand aus. »Entschuldige.«
»Ach macht doch nichts. Das kann passieren«, erwiderte Senta.
Sie lernten noch eine halbe Stunde, anschliessend wechselte sie wie beiläufig das Thema. »Ich habe gehört, du und Lennox -ihr- sucht noch jemanden, um eure Beziehung vollständig zu machen.«
»Ja, das ist richtig«, stimmte Senta zu. »Ich weiss, das wirkt auf einige seltsam, da wir bereits länger zusammen sind, aber wir sind uns beide einig, dass wir gerne zu dritt wären.«
»Verstehe. Sucht ihr eigentlich einen Mann oder eher eine Frau?«
»Das Geschlecht ist nicht ausschlaggebend für uns. Wichtig ist, dass die Person gut zu uns beiden passt.« Senta nahm einen weiteren Schluck vom Glas Wasser, das bereits zu Dreivierteln leer war. »Im Moment trifft sich Lennox mit Raymond, einem Halbdämon. Er hat ihn in Meruan auf dem Markt kennengelernt und schwärmt seither von ihm. Vielleicht wird das ja was werden?« Dabei lächelte sie.
Wanda wollte ruhig reagieren, auch wenn sie innerlich vor Wut nur so schäumte. Ein verdammter Dämon, ist das wirklich dein Ernst?! Doch das tat sie nicht. Stattdessen sagte sie verächtlich: »Ein Halbdämon? Sowas Minderwertiges kommt für euch in Frage? Das kann ich wirklich nicht nachvollziehen.«
Senta starrte sie fassungslos an.
Wanda war genauso erschrocken, wo war denn das hergekommen?! Warum hatte sie ihre Gedanken laut ausgesprochen, das passte gar nicht zu ihr, wo sie sich nur allzu gerne durch Lügen und Betrug alles zurechtbog.
»Das … ist das deine Meinung?«, würgte Senta hervor, musterte sie eingehend, so als ob sie sich noch nie zuvor gesehen hätten.
Wanda wollte widersprechen. Wollte ihren Fehler ausbessern, das Beste aus der Sache machen, doch sie konnte nicht. Es war, als hätte eine fremde Macht die Kontrolle über ihren Körper und Geist an sich gerissen, die sie Zwang die Wahrheit zu erzählen. »Ja, das ist es. Dämonen sind unsere Feinde. Ich kann auch Lennox nicht ausstehen, traue ihm keinen Millimeter weit.«
Auf einmal war es vorbei und sie hatte die Kontrolle wieder zurück, doch der Schaden war bereits angerichtet. Senta erhob sich vom Stuhl, wich zurück. Enttäuschung und Wut standen ihr deutlich ins Gesicht geschrieben. »Ich bitte dich zu gehen, Wanda. Jemand mit einer solch rassistischen Einstellung will ich nicht in meinem Haus haben.«
»Ich … ich weiss ehrlich nicht, was in mich gefahren ist«, stotterte Wanda, die diese plötzliche Übernahme selbst nicht verstehen konnte.
»Das ist mir egal. Du hast eine Grenze überschritten und ich will, dass du gehst, jetzt.«
Vollkommen verwirrt stolperte Wanda aus Sentas Haus, sich nur allzu bewusst, dass das Band der Freundschaft zwischen ihnen am heutigen Tag zerstört worden war.
Mehrere Tage später mühte sich Wanda immer noch damit ab, die Scherben ihres Ausrutschers zu beseitigen. Leider war das ausgesprochen schwierig. Senta zeigte sich ihr gegenüber distanziert und auch Lennox’ Blicke liessen Böses erahnen. Es war echt zum Haareraufen! Nach wie vor konnte sie sich nicht erklären, was plötzlich über sie gekommen war und was schlimmer war, sie hatte weitere solcher Ehrlichkeits-Anfälle erlitten.
Man denke nur mal daran, was geschehen würde, wenn sie plötzlich von ihrem Pulverschmuggel berichtete -eine echte Horrorvorstellung, bei der sich ihr Magen zu einer Kugel zusammenkrampfte.
Trotzdem machte sie weiter, Wanda konnte -oder eher wollte- Yuri nicht allein lassen. Natürlich hatte sie ihm nicht von ihrem Problem erzählt, sonst hätte der sie wohl hochkant rausgeschmissen, was sie nicht auch noch gebrauchen konnte.
Also stand sie nun mit dem gestohlenen Pulver in voller Montur vor der Türe und klopfte. Nachdem Yuri den Code gehört hatte, öffnete er und musterte sie ausgiebig, so als wäre ihr ein zweiter Kopf gewachsen oder die Nase ausgefallen. Vielleicht auch beides.
»Was ist?«, zischte sie ungehalten und versuchte sich an ihm vorbei zu quetschen, ohne Erfolg, woraufhin Wanda Yuri mit Blicken erdolchte.
Yuri zwirbelte sich den Bart auf der rechten Seite, während er sie abermals betrachtete. »Etwas ist anders an dir, bereits seit mehreren Tagen.«
»Das bildest du dir bloß ein, kommt sicher von der Überarbeitung.« Zum Glück war ihr die Lüge glatt über spröden Lippen gekommen.
Er kratzte sich am Kopf, gab ein »hmm«, von sich und machte ihr endlich den Weg frei. »Möglich.«
Gleich hinter ihr wurde die Türe geschlossen und verriegelt.
Sie musste sich zusammenreissen, um nicht erleichtert zu seufzen. Wanda machte sich auf den Weg zum Regal, wo das Pulver in Dosen aufgereiht war, da klopfte es.
»Ich nehme nicht an, dass du noch jemanden erwartest, oder?« wollte Yuri wissen und griff bereits nach seinem Schwert.
»Nein«, sie hatte die Zähne fest zusammengebissen, zog ebenfalls das Schwert. Wenigstens hatte sie die Maske noch nicht abgezogen, sodass sie niemand erkennen konnte. Nur… wer konnte es überhaupt sein? Denn Aegirs Schergen hätten bestimmt nicht geklopft. War ihr ein Schüler von der Akademie gefolgt? Nein, das hätte Wanda sicher gemerkt.
Wer denn dann?!
Es half alles nichts, nach mehrmaligem Klopfen war klar, dass die Person nicht einfach wieder verschwinden würde. Yuri pirschte sich an die Türe heran, bereit zum Angriff, Wanda folgte ihm dicht auf dem Fersen. Die Türe wurde entriegelt, dann einen schmalen Spalt aufgeschoben.
Wanda erhaschte einen Blick auf eine … Dämonin? Ihr entglitten die Gesichtszüge. Was?
»Jetzt kommt schon, lasst mich rein, ich werde euch auch nicht fressen, versprochen« meinte diese sogleich genervt.
»Bist du allein?«, hakte Yuri nach.
»Nein. Ich komme mit einer Armee und werde euch stürmen. Nur komisch, dass ihr all die Schritte nicht gehört habt, was?« Ihre Worte trieften geradezu vor Sarkasmus.
Wanda reichte es, sie riss unwirsch die Türe auf, woraufhin die Dämonin sie breit angrinste. »Na geht doch.«
Die Frau trug eine rote Uniform mit eingesticktem Wappen, das einen fünfzackigen Stern zeigte. Sie wusste, dass ihr das Wappen etwas sagen sollte, doch ihr Verstand weigerte sich die Information auszuspucken. Sicher war nur eines; diese Dämonin gehörte dem Adel an und war vermutlich reinblütig. Die Frau hielt auf Yuri zu, der sie widerwillig den Raum betreten liess, denn diese Diskussion auf dem Gang zu führen war keine gute Idee, zumal ihr Standort weiterhin geheim bleiben sollte.
Wanda schloss die Türe, starrte die Frau weiterhin an, die ihre schwarzen Haare zurück strich und interessiert alles musterte.
Zwar war sämtliches Pulver in den Dosen verstaut worden, abgesehen von der Dosis in ihrer Hosentasche, aber das gefiel ihr trotzdem nicht. Die Dämonin durfte auf keinen Fall herausfinden, was sie hier fabrizierten.
»Ein wenig dürftig, muss ich sagen. Dafür, dass ihr Yaka-Wurzel stehlt und bunkert, ist das nicht gerade der sicherste Ort, nicht?«
Wanda nahm alles zurück. Die Frau wusste bereits Bescheid! Sie musste ihr bis hierher gefolgt sein, wie auch immer sie das angestellt hatte, ohne dass Wanda das bemerkt hatte…
Yuri begriff sofort, ging auf die Frau zu, bereit zum Kampf.
Die Dämonin seufzte. »Das würde ich an eurer Stelle lassen.«
»Und weshalb?!«, fauchte Wanda ungehalten.
»Das hat mehrere Gründe. Erstens würde ich hier alles abfackeln, bevor ihr auch nur daran denken könnt mich zu überwältigen. Zweitens bin ich reinblütig- mindestens einer von euch wird ganz bestimmt sterben. Drittens – und am wichtigsten – ich bin nicht euer Feind.«
»Warte, was?«, sprach Wanda perplex.
»War ich zu schnell? Mein Fehler.« Die Dämonin grinste böse.
»Du bist nicht unser Feind? Wie das?«
»Weil ich euch helfen kann und will. Sagen wir es so; ich habe selbst noch eine Rechnung mit den Reinblütern offen.«
»Aber du bist selbst reinblütig«, warf Yuri ein.
»Richtig. Nicht von diesem Leben. Alles andere geht euch nichts an. Auf jeden Fall habe ich rein gar nichts dagegen dem Herrscher eins auszuwischen. Eigentlich war ich auf der Suche nach dem Untergrund und bin dann zufällig auf euch gestossen.«
»Untergrund?«, kommentierte Yuri verwirrt.
»Ist das euer Ernst? Was lernt ihr eigentlich noch an der Akademie!«, beschwerte sich die Frau empört. »Der Untergrund = Die U-Hydras. Klingelt da was?«
Wanda nickte. Das tat es tatsächlich. Im Unterschied zu den Hydras, die momentan munter umher mordeten vertraten die U-Hydras- der Untergrund- noch die ursprünglichen Werte. Nämlich sich für die Rechte der Halbdämonen einzusetzen OHNE Massaker an Unschuldigen anzurichten.
»Wenigstens jemand scheint zu wissen wovon ich rede.«
»Wer bist du eigentlich überhaupt?«, wandte sich Yuri an die Frau.
»Xevia.«
Wanda runzelte die Stirn. Das konnte so nicht stimmen, sie war sich sicher, diesen Namen nie gehört oder gelesen zu haben. Bevor sie Xevia mit ihrer Falschaussage konfrontieren konnte, sprach diese: » Nein, das ist nicht mein Geburtsname. Ich habe ihn mir selbst gegeben.«
Das erklärte einiges.
»Du willst uns als unterstützen?«, hakte Yuri ungläubig nach.
»Ja, genau. Weshalb nicht? Ein wenig Spass muss sein.« Xevias Grinsen liess Wanda die Haare zu Berge stehen. »Tut mir leid, wenn ich euch damit zu nahe trete, aber ihr habt keine grosse Wahl … so wie es aussieht seid ihr bloß zu zweit und könnt jede Unterstützung brauchen, die ihr bekommen könnt.«
»Verdammt!«, fluchte Wanda. Damit hatte die Dämonin nicht Unrecht. Sie warf einen vielsagenden Blick zu Yuri, der daraufhin nickte.
»Sehr gut, ich wusste, ihr würdet vernünftig sein.«
Yuri knurrte. »Treib es nicht zu weit, Dämonin!«
»Ganz genau. Das heisst noch lange nicht, dass wir dir vertrauen. Wir geben dir lediglich eine Chance, mehr nicht«, erläuterte Wanda kalt.
»Damit kann ich leben.« Xevia grinste wie ein Honigkuchenpferd.
So langsam beschlich Wanda der Verdacht, dass ihre neue Komplizin nicht alle Tassen im Schrank hatte.
»Ach ja bevor ich es vergesse; habt ihr was von Leonhard gehört? Ich würde ihm zu gerne einen Besuch abstatten. Ihr wisst schon, alte Erinnerungen aus früheren Leben auffrischen.«
Nein, das hatte Wanda nicht. Niemand wusste etwas von Leonhard, was schon etwas beunruhigend war, schliesslich sollte er jetzt dann als ihr Anführer zurückkehren. Aber selbst wenn sie etwas wüsste, so würde sie es der Dämonin sicher nichts sagen. Immerhin konnte sie genauso gut eine Feindin sein, die den Helden schon mehrere Leben lang jagte.
»Nein. Haben wir nicht«, antwortete Yuri für sie beide.
Woraufhin Xevia enttäuscht wirkte. »Schade. Doch das ist sowieso nur eine Frage der Zeit.«