Hallo zusammen. Es freut mich sehr, euch bei diesem Kapitel begrüßen zu dürfen. Das Ende des Kapitels ist etwas brutaler geworden. Trigger: Ertrinken. Ansonsten viel Spaß und ich freue mich über Rückmeldungen.
Lg Silver Moon
Zweieinhalb Wochen später
Blut lag auf dem hellen Marmorboden, die Schreie seiner Opfer hallten in Azefars Ohren wieder. Pure Musik für ihn. Mit einem breiten Grinsen verließ er die Villa. An seiner Seite Percy, der bestimmt ebenfalls grinste, was Azefar aufgrund der Maske nicht sehen konnte.
Falk blieb hinter ihnen zurück. Bereits seit mehreren Wochen benahm er sich eigenartig. Er schien nicht mit ganzem Herzen bei der Sache zu sein. Das war nicht in Ordnung! Sie konnten keinen Hydra brauchen, der zögerte. Ganz oder gar nicht, etwas anderes wurde nicht toleriert! Azefar hatte mit Percy darüber gesprochen. Dieser war derselben Meinung wie er selbst; Falk war kurz davor rausgeworfen zu werden. Sie würden ein letztes Mal das Gespräch mit ihm suchen. Falls dieses erfolglos war, musste Falk die Gruppe verlassen. Nur … dann stellte er ein Sicherheitsrisiko dar und das durfte nicht ignoriert werden. Für diesen Fall hatten sie beschlossen, es gar nicht erst so weit kommen zu lassen und Falk zu töten. Das Fortbestehen der Hydras hatte Vorrang, da konnten sie sich keine Fehler leisten. Wenn Falk der Sache nicht diente, war kein Platz mehr für ihn. Heute Abend hatte er noch Schonfrist, morgen fand das Gespräch statt.
Sie hatten erneut den Ort gewechselt. Dieses Mal hausten sie in der Nähe eines Waldes. Das hatte den Vorteil, dass sie bei Bedarf rasch untertauchen konnten. Sjeda war die zweitgrößte Stadt des Dämonenreiches, gleich nach Verul. In Verul residierte der Herrscher, Aegir und viele weitere der wichtigen Adeligen. Bislang waren Sjeda und kleinere Städte ihr Hauptangriffsziel gewesen, doch nun gingen sie immer mehr dazu über auch Verul zu attackieren. Dafür hatten sie in den letzten Wochen fleißig rekrutiert, denn es waren viele Reinblüter, die sie zu Fall bringen mussten.
Als Azefar sicher war, dass abgesehen von Percy, zwei Hauptmännern und Falk niemand mehr da war, ging er zum Fluss und wusch sich. Wie immer hatte der Angriff bei Nacht stattgefunden, sodass sie besser fliehen konnten. Das Wasser war eiskalt, was ihm nichts ausmachte. Er war es sich gewohnt, Hauptsache er konnte den Schmutz und das Blut loswerden.
»Dieser Anblick gefällt mir«, bemerkte Percy und musterte ihn unverhohlen.
»Wäre schlecht, wenn nicht«, erwiderte Azefar und grinste.
Nachdem er sich gesäubert und mit einem Tuch abgetrocknet hatte, war Percy dran.
Azefar hielt selbst Wache. Sollte es jemand wagen auch nur in die Nähe zu kommen, würde er Hackfleisch aus der Person machen, ganz egal wer es war und von welcher Rasse. Als letztes war Falk an der Reihe. Azefar beschloss schon mal rein zu gehen, Percy ging mit ihm. Die Hauptmänner mussten für Falks Schutz genügen, wahrscheinlich würden sie ihn morgen sowieso umbringen.
*
Falk war es eisig kalt, doch nicht wegen dem Wasser. Was ihn quälte, rührte von den Gefühlen her. Die Stimmung hatte umgeschlagen, er konnte förmlich spüren, wie das Klima mit jedem Tag rauer wurde, Percys und Azefars Blicke sprachen Bände. Sie waren unzufrieden mit ihm. Das beruhte auf Gegenseitigkeit, er auch mit ihnen. Die Hydras waren nicht mehr das, wofür sie früher einmal standen; mehr Rechte für die Halbdämonen. Stattdessen wurden Massaker angerichtet. Das Blut floss in Strömen, die guten Vorsätze gingen in einem Meer aus Blut unter. Dem Blut Unschuldiger. Noch schlimmer; selbst Kinder wurden nicht geschont. Ekelhaft und verachtenswert. Ihn schauerte. Kein Wunder, dass er nicht mehr gewillt war mit den anderen beiden Anführern zusammen zu arbeiten. Es waren einfach zu viele Grenzen überschritten worden. Dinge getan worden, die nie wieder gut gemacht werden konnten. Falk hatte sich gewaschen und trocknete sich mit dem bereitgelegten Tuch ab, ehe er die Kleidung wieder anzog und nach drinnen ging. Azefar und Percy hatten angekündigt morgen mit ihm sprechen zu wollen. Ihm schwante Böses. Falk hatte sich ernsthaft überlegt, einfach die Flucht zu ergreifen. Er glaubte leider, dass die anderen Anführer ihn womöglich töten wollten. Aber… er wollte nicht. Konnte nicht. Zum einen war er nicht feige. Er wollte sich ihnen stellen. Einfach zu fliehen war keine Lösung, nicht auf Dauer. Wo sollte er denn sonst hin? Das hier war sein Zuhause! Ein Leben auf der Flucht war kein Leben. Zudem hoffte ein kleiner Teil, dass er sich irrte und die beiden tatsächlich nur mit ihm sprechen wollten. Außerdem hing Falks Herz an den Hydras. Er hatte die Fraktion vor längerer Zeit mit-gegründet und sie nun verlassen zu müssen, brach ihm das Herz. Mit diesen Gedanken fiel er in einen unruhigen Schlaf.
Am nächsten Morgen erwachte er früh. Bereits als die ersten Sonnenstrahlen den Weg durch das Fenster in den kargen Raum fanden, setzte sich Falk auf. Ein Ächzen entwich ihm. Die Nacht auf dem harten Betonboden hatte seinem Rücken definitiv nicht gefallen, wie dieser mit Schmerzen an diversen Stellen kundtat. Und er fühlte sich müde. Trotzdem war Falk klar, dass er keinen Schlaf mehr finden würde. Dafür war er zu unruhig. Die Zeit verging viel zu langsam. Erst mehrere Stunden später riefen ihn Azefar und Percy zu sich. Bis dahin hatte er sich gewaschen, angezogen und trainiert.
Falk wurde zu einem größeren Raum geführt, der abgesehen von einer Tasche mit Vorräten und mehreren Glasflaschen mit Wasser komplett leer war. Falk trat ein. Azefar lehnte sich gegen die hintere Wand, Percy positionierte sich direkt vor der Türe, sobald er eingetreten war. In diesem Moment wurde ihm klar, dass das Gespräch ein Fehler war. Sie würden ihn nicht gehen lassen. Niemals.
Falk suchte nach einer Fluchtmöglichkeit, aber der Raum hatte keine Fenster und nur einen Ausgang. Er verkrampfte sich, seine rechte Hand wanderte zur rechten Sichelklinge. Er hätte in der Nacht fliehen sollen. Oder es zumindest versuchen sollen.
»Nicht doch. Was ist denn das für ein Verhalten«, tadelte Azefar, der sich von der Wand gelöst hatte und auf ihn zugeschritten kam. Geschmeidig, gleich einem hungrigen Wolf, der ein Schaf umkreiste.
Aber Falk war kein Schaf. Er war nicht wehrlos, sondern ebenfalls ein Hydra. Drauf besann er sich und straffte den Rücken, hielt den Kopf hoch erhoben. »Ich weiß nicht, was du meinst. -Ich bin für ein Gespräch hergekommen, nun sprecht«, verlangte er stattdessen.
Zeit. Er brauchte Zeit. Solange sie mit ihm redeten, würden sie ihn nicht umbringen-hoffentlich.
Percy, der weiterhin vor der Türe stand, lachte. »Zwar habe ich das Gefühl, dass das Gespräch inzwischen überflüssig geworden ist, aber okay… «
Azefar hielt inne, stoppte keinen Meter von Falk entfernt. »Ich stimme meinem Freund zu. Wie auch immer; du passt nicht mehr in unsere Gruppe rein. Du hast nachgelassen und bist nicht bereit zu tun, was notwendig ist«, erläuterte er und wirkte gelangweilt.
»Eure Gruppe? -ICH habe sie gegründet! Zusammen mit Azefar.« Percy war erst später dazu gekommen. Das war ganz schön dreist von ihnen.
»Wer die Werte nicht mehr vertritt, hat kein Recht mehr hier zu sein. Egal von wem die Gruppe gegründet worden ist«, bemerkte Percy kalt.
»Die Werte?« Falk lachte. »Wisst ihr überhaupt noch was einst unsere Werte waren? Nein, dabei ging es nicht darum Unschuldige abzuschlachten oder Rache zu üben. Sondern die Halbdämonen sollten zu mehr Rechten kommen. DAS war/ist unser Ziel!«
»Das ist es weiterhin. Nur sind wir bereit, alles dafür zu tun im Unterschied zu dir. Die Reinblüter werden nicht einfach freiwillig etwas ändern. Erst wenn sie erkennen, dass es unvermeidbar ist«, meinte Azefar ernst.
»Reinblüter wie ihr es seid?«, warf Falk ein. »Mich würde interessieren, ob die Hydras euch immer noch folgen würden, wenn sie wüssten, von welcher Abstammung ihr beide seid… « Er wusste, dass er diesen Satz besser nicht gesagt hätte, doch eine unbändige Wut erfüllte ihn. Azefar und Percy würden die Hydras kaputt machen. Sie zogen alles, wofür die Gruppe stehen sollte, in den Dreck und er musste hilflos dabei zusehen.
»Das reicht!« fauchte Percy. Er hatte die Zähne gebleckt.
»Da wir uns nicht einig werden und verschiedene Ansichten haben, wirst du gehen«, sprach Azefar ruhig.
Falk machte sich für den Kampf bereit. Mindestens einen von ihnen würde er mit in den Tod reißen. Vorzugsweise Percy. Er zog die sichelförmigen Klingen, doch… keiner von den anderen rührte sich.
»Habe ich mich nicht klar ausgedrückt, Falk? Du sollst GEHEN«, sagte Azefar mit Nachdruck, während Percy tatsächlich Platz machte.
Verwirrung machte sich in ihm breit. Was? War das ihr Ernst? Sie würden ihn einfach entkommen lassen? Irgendetwas war faul an der ganzen Sache, das hatte bestimmt einen Haken. Leider hatte Falk keine große Wahl. Gegen beide zusammen würde er verlieren, also wandte er sich der Türe zu. Langsam ging er darauf zu. Seine beiden Waffen hielt er bereit. Hoffentlich wollten ihn Azefar und Percy nicht von hinten angreifen. Er traute ihnen alles zu. Doch er gelangte tatsächlich zur Türe, öffnete sie, trat einen Schritt heraus und… wurde sofort von mehreren Hauptmännern zugleich angegriffen. Falk wehrte sich aus Leibeskräften, blockte ab, verteidigte, aber es waren zu viele. Sie stachen gnadenlos auf ihn ein. Falk brach zusammen. Fiel auf die Knie und spuckte Blut.
»Tötet den Verräter«, befahl Percy.
Bevor sich Falk Gedanken über Percys Worte machen konnte, wurde ihm der Kopf abgeschlagen.
*
»Schade, dass wir den nicht über unserem Bett aufhängen können«, sprach Percy.
»Weiß nicht. Bei diesem Anblick würde ich nicht richtig in Stimmung kommen«, widersetzte Azefar.
»Verständlich.«
Zuerst hatten sie Falk selbst töten wollen, doch nach einem Gespräch mit Argon, einem von Azefars Vertrauten und zugleich Hauptmann, hatten sie sich dagegen entschieden. Das Risiko, dass einer von ihnen schwere Verletzungen davontragen würde, war einfach zu groß gewesen. Unnötig. Da hatten sie Falk lieber als Verräter hingestellt und von den Hauptmännern abstechen lassen wie ein Tier.
Der restliche Tag verging schnell und ereignislos. Falks Leiche hatten sie verbrannt, das war am schnellsten und hinterließ am wenigsten Spuren. In der Nacht überfielen sie weitere Reinblüter. Eine Familie mit fünf Kindern-ekelerregend. Kannten die denn keine Verhütung oder was? Nun denn, dieses Problem war jetzt gelöst worden, denn niemand war entkommen. Dass Falk nicht mehr da war, war egal. Sie hatten immer noch die Hauptmänner und ihre neuen Rekruten, die sich beweisen wollten.
Wie in der letzten Nacht wuschen sie sich nach der erfolgreichen »Jagd« und gingen zu Bett.
Mitten in der Nacht erwachte Azefar. Das war selten, normalerweise schlief er durch. Er wälzte sich im Bett herum, fand jedoch keinen Schlaf mehr. Azefar beschloss aufzustehen und ein wenig herum zu laufen, bis er wieder müde wurde. Percy murmelte etwas, schlief jedoch weiter. Gut, er hatte seinen Freund nicht wecken wollen, es reichte schon, wenn einer wach war.
Azefar verließ das Schlafzimmer und wanderte durch die kargen Gänge. Keine Bilder. Die meisten Gestelle waren leer. Keine persönlichen Gegenstände. Wie zufällig fiel sein Blick dabei auf seine Hände. Rot. Das Blut lief ihm über die Finger, tropfte zu Boden. Azefar blinzelte. Nach einigen Sekunden war alles wieder normal. Eigenartig. Sicher hatte er es sich nur eingebildet, vermutlich aufgrund der Müdigkeit. Er schüttelte leicht den Kopf, kehrte zurück zu Percy und konnte wieder schlafen.
Azefar stand in einem endlosen, roten Meer. Der metallische Geruch stieg ihm in die Nase, verursachte Übelkeit. Das Blut kam ihm bis zur Hüfte. Angeekelt wollte er vorwärts gehen, an Land. Doch soweit er auch blickte, nirgends war Ufer in Sicht. Plötzlich begannen Blasen aufzusteigen. Azefar trat einige Schritte zurück. Er hatte keine Ahnung was hier vor ging, aber es gefiel ihm gar nicht. Mehr Blasen, an diversen Stellen. Azefar starrte konzentriert auf die Wasseroberfläche. Dort wo die Blasen waren, konnte er etwas Bleiches erkennen, das von unten nach oben trieb. Er wollte instinktiv nach seinem Schwert greifen, welches nicht vorhanden war. Was? Er hatte es IMMER bei sich. Schließlich erkannte er, was aus der Tiefe aufstieg; eine Leiche. Besser gesagt mehrere. Es mussten hunderte, wenn nicht tausende sein, rund um ihn herum. Ihre Münder zu stummen Schreien verzerrt, die Augen ausdruckslos ins Nichts starrend.
Okay, damit konnte er umgehen. Unangenehm, aber in Ordnung. Azefar entspannte sich wieder.
Zumindest bis den zuvor Haar- und leblosen Leichen plötzlich Haare wuchsen und sie zu erwachen schienen. Sie alle starrten ihn an und… und er erkannte alle von ihnen. Das waren seine Opfer. All jene, die er getötet hatte. Alles war voll von ihnen.
Du. Du warst es. Warst es. Du warst es. Deine Schuld. Schuld. Schuld.
Das Blut. Es klebt an deinen Händen.
Sprachen die Leichen. Alle zusammen und dennoch glaubte er einzelne Stimmen heraus zu hören. Azefar lief es eiskalt den Rücken hinunter.
Du. Du warst es. Warst es. Du warst es. Deine Schuld. Schuld. Schuld.
Das Blut. Es klebt an deinen Händen.
Azefar atmete tief durch, um sich wieder zu beruhigen. In diesem Augenblick stürzten sich alle Leichen auf ihn. Er schrie auf. Blankes Entsetzen durchflutete ihn. Azefar tat alles, was er konnte. Aber es waren zu viele. Sie bissen und kratzten ihn. Drückten ihn unter Wasser. Azefar kämpfte sich immer wieder nach oben. Doch seine Glieder begannen ihm weh zu tun von der schieren Anstrengung, die es kostete. Panik erfasste ihn. Er wollte nicht ertrinken! Die Wasseroberfläche geriet in immer weitere Ferne, seine Lunge gierte nach Sauerstoff, den er ihr nicht geben konnte. Azefar sah wie sich die Schwärze zunehmend in sein Gesichtsfeld schob, spürte wie ihn zugleich die Leichen bei lebendigem Leib fraßen.
Unter diesen Umständen war es wahrscheinlich besser, dass er gleich ohnmächtig werden würde, war sein letzter Gedanke, ehe ihn die Dunkelheit in sein Reich holte.